Kapitel 13: Geschenke und Geheimnisse

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Das Zirpen der Grillen empfing sie in ihrem Zuhause, sowie die nächtliche Ruhe, die durch das Dorf ging. Nein, von Ruhe konnte man nicht sprechen. Da war wieder Musik. Musik einer Lyra. Die Quelle war schnell ausgemacht, am Brunnen in der Mitte des Dorfes saß Sawako, neben ihr die dösende Lucy, mit dem Kopf auf ihrem Schoß, lauschen der süßen Melodie. Dieses Mal war es eine andere als damals im Wald.

Auf Zehenspitzen gingen sie auf sie zu, um sie bei ihrer Musik bloß nicht zu stören. Doch das half nicht bei dem scharfen Hörsinn der Katze. Als sie sich bis auf wenige Meter genährt hatten, unterbrach sie ihren kleinen Auftritt, und senkte das Instrument, weckte damit Lucy auf. Ein Lächeln formte sich auf ihren Lippen. Doch es war keineswegs ein freundliches Lächeln. Es war ein gefährliches.

Als keine Reaktion von ihrer Besitzerin kam, hob Lucy den Kopf und schaute sie mit aufgeweckten Augen an.

"Süße", begann Sawako, kraulte sie kurz unterm Hals, "Fang Pascal."

Pascal und Lucy zuckten kurz zusammen und starrten sich für einen Moment in die Augen. Dann erhob sich Lucy aus ihrer eingerollten Haltung und streckte einmal kurz die Flügel in beide Seiten aus, ehe Pascal mit einem spitzen Schrei losrannte. "Es tut mir leid, Sawa!!", kreischte er noch seiner Schwester zu, doch diese kicherte nur, und begann wieder, leise auf ihrer Lyra zu spielen.

"Ich sollte erklären, was das ganze sollte", stellte sie fest, während sie ihr Haustier dabei beobachtete, wie sie ihren Bruder immer wieder fast erwischte, "ihr wisst schon, dass er mich einfach festbindet, damit ich nicht mit euch gehe." Sie seufzte tief. Für einige Sekunden spielte sie stumm ihre Melodie, scheinbar legte sie sich ihre Worte zurecht.

"Es ist nur so, wisst ihr-" Erneut ein Seufzen. Für sie war das ein schwieriges Thema. Iyan setzte sich stumm neben sie, die Beine an die Brust gezogen und schaute sie erwartungsvoll an.

"Pascal hatte Sorge, dass ich mich nicht unter Kontrolle habe, wenn ich eure Mutter sehe, versteht ihr?"

Der junge Mann starrte sie nur verwirrt an, wieder fand sie erst zögerlich zurück zu ihrer Stimme.

"Eure Mutter, Iyan. Die Königin, sie", ein tiefer Luftzug füllte ihre Lungen, "sie ist dafür verantwortlich, dass unsere Mutter getötet wurde."

Erschrocken wich Iyan ein wenig zurück, als er diese Anschuldigung hörte. Seine Mutter soll schuld am Tod ihrer Mutter sein? Nein, sie setzte zwar auf emotionale Distanz und nahm ihre Rolle als Königin auch sonst sehr ernst, aber jemanden töten? Das würde sie nie tun. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Er mochte Sawako sehr, sie war ihm eine gute Freundin geworden, doch das wollte und konnte er ihr nicht glauben.

"Glaubt es mir oder nicht. Ich weiß auch nicht wie viel Mitsprache sie dabei hatte, aber den endgültigen Befehl hat sie erlassen. Sie hat quasi meine Mutter sterben lassen."

Die entspannte Atmosphäre von eben begann vor Spannung zu knistern, beide wussten nichts hinzuzufügen. Iyan wusste nicht, was er sagen sollte, und Sawako hatte bereits alles gesagt.

"Was aber Pascal nicht weiß", begann sie und sprang auf, streckte die Arme einmal in beide Richtungen und ließ ihren Rücken knacken, "ich hab damit abgeschlossen. Ehrlich. Es ist passiert und ich kann nichts daran ändern. Ich habe einen liebevollen Vater und einen nur manchmal nervigen Bruder." Locker ließ sie ihre Arme fallen, ehe sie für einen kurzen Moment den Boden anvisierte, dann doch schnell den Kopf wegdrehte. "Und.... Und deshalb weine ich jetzt auch ganz bestimmt nicht", fügte sie mit zitternder Stimme hinzu, ehe sie sich komplett von ihrem Gesprächspartner wegdrehte. Ein leises Schluchzen war zu vernehmen.

Iyan sprang auf, überfordert mit der Situation. Sollte er sie trösten? Aber wie? Oder sollte er so tun, als ob er es nicht hörte? Um sie nicht in Verlegenheit zu bringen? Nein, Freunde schauen nicht weg, wenn eine Freundin weint, dachte er. Also tat er das einzige, was ihm in diesem Moment einfiel: Er tippte ihr auf die Schulter, sodass sie sich zögerlich zu ihm drehte, den Kopf noch immer gesenkt. Dann zog er sie in eine feste Umarmung, eine Hand legte er ihr auf den Rücken, eine streichelte behutsam über ihre schwarze Mähne.

Das Ritual des PrinzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt