Kapitel 11: Die Königin

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"Hier müsste das gewesen sein", stellte Pascal fest und stemmte die Fäuste in die Hüfte. Sie waren an dem Ort angelangt, den Kai beschrieben hatte. Doch an besagter Stelle erwartete sie nur dichter Wald und die Schlossmauern, die hin und wieder durch die Bäume hervorblitzte. Keine Spur von irgendwem.

"Bist du dir sicher, dass du Kai richtig verstanden hast?", fragte Iyan. Er hatte Zweifel an der Geschichte des freundlichen Mannes.

"...Wie bitte?", sagte Iyan leise, dass es kaum hörbar war. Seine Mutter war tot. So hatte es sein Vater doch gesagt. Warum hätte er lügen sollen?

Kai nahm einen tiefen Atemzug, ehe er die Geschehnisse schilderte: "Maya und ich haben einen Umweg um den Süden des Lagers gemacht, wodurch wir unvermeidbar am Schloss vorbeikamen. Ich hatte Mühe, Maya still zu kriegen, da sie das Schloss so gerne gesehen hätte." Ein Schmunzeln formte sich auf seinen Lippen. "Jedenfalls sind wir eine Weile am Schloss herumgewandert. Ich dachte, ich könnte ein paar Informationen über die Situation im Schloss herauskriegen, im Nachhinein erkenne ich, wie idiotisch das war. Alleine mit einem Kind." Er fasste sich an die Stirn und schüttelte enttäuscht von sich selbst den Kopf. "Viel hab ich natürlich nicht herausbekommen. Nur, dass das Schloss sehr ruhig war. Aber man konnte klar die Schritte im Inneren hören, und die Lichter, die dort brannten. Und dann erblickte ich sie. Wir waren gerade fast an der Zugbrücke zum Hintereingang, als diese heruntergefahren wurde und ein Schimmel heraus trabte. Auf seinem Rücken die Königin höchst persönlich." Für eine Zeit verstummte er. "Oder jemand, der der Königin zum Verwechseln ähnlich sieht, immerhin habt ihr bestätigt, dass sie tot ist." Eine Antwort bekam er keine.

"...Eure Hoheit?"

Das Gesicht des Prinzen glich dem Mond, an Blässe kaum zu überbieten. Die schicksalshafte Nacht ließ er Revue passieren. Hatte sein Vater jemals gesagt, seine Mutter wäre gestorben? Mit einem mulmigen Gefühl musste er der Antwort ins Gesicht sehen: Nein.

In jener Nacht hatte er einen Satz begonnen, beenden konnte er ihn nicht mehr. Was wollte er damals sagen?

Mit einem Mal stand Iyan mit Schwung auf. "Wir werden ans Schloss reisen. Gleich morgen früh werden wir aufbrechen."

Doch wo sie auch hinsahen, das Einzige, was es hier draußen gab, waren die tierischen Bewohner der Wälder und die kühlen Luftzüge, die durch die Baumkronen streiften, diese sanft in Bewegung setzten.

"Wenn sie wirklich hier war, dann ist sie bestimmt verreist, hier treffen wir sie sicherlich nicht mehr an", vermutete Pascal, mit einem Seufzen und den Händen in den Hosentaschen. "Lass uns umdrehen. Vielleicht schaffen wir es dann noch zum Abend nach Hause."

Ein kalter Schauer lief Iyan über den Rücken. "Wenn ich ehrlich bin, möchte ich gar nicht so schnell nach Hause. Sawako ist sicherlich noch sauer." Nun wanderte der Schauer auch zu Pascal herüber.

"Ach ja... Da war ja was." Genau. Denn zu diesem spontanen Ausflug konnte Sawako die zwei aufgrund eines absolut versehentlichen Unfalls nicht begleiten.

Nachdem die drei zu Hause angekommen waren, begannen sie, im Garten die recht kurze Reise zu planen. Der Abend war lau, daher eignete sich der Pavillon wunderbar dafür. Mit gutem Tempo konnte man das Schloss in einem Tag erreichen. Während sie auf einer Karte mögliche Routen erfassten, war es schier unmöglich, den beißenden Blick von Pascal auf seiner Schwester zu ignorieren. Dennoch gelang es ihm, seine Planung weiter fortzusetzen. Alles Wichtige war angesprochen und so standen die drei auf, um wieder ins Haus zu gehen. Während Iyan zur Terrassentür ging, blieben Pascal und Sawako noch zurück.

Das Ritual des PrinzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt