Kapitel 9: Durnatel

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Die Tage in Norfinia waren lang, und so auch der Aufenthalt der reisenden Gruppe. Fast eine Woche hatten sie gerastet, hatten Pascals Verstauchung ruhen lassen, hatten sich die Stadt genauer angeschaut, und sogar geplanscht und gebadet hatten sie Kristallsee. Von Daniel hatte Iyan tatsächlich nichts mehr gesehen, was sich auch zum gewissen Teil in Pascals Laune widerspiegelte. Jedoch ließ er sich von seiner enttäuschten Liebe nicht die wohl verdiente Pause vermiesen, sondern hatte Spaß zusammen mit seinen Freunden, zusammen mit seiner Schwester.

Als jegliche Verletzung zur Genüge geheilt waren und ihre Energiereserven wieder aufgefüllt waren, machten sie sich auf den Weg weiter, nach Hause. Nach Durnatel, ein Dorf im hohen Norden Pronas. Und wenn jeder von einem Dorf sprach, dann meinten sie eigentlich eine kleinere Stadt. Das erkannte auch Iyan recht schnell, als sie das den Ort wenige Tage später problemlos erreichten. 

Erst waren nur vereinzelt Gebäude zu sehen, dann reihten sich immer mehr Häuser mit vielleicht einem Meter Abstand zueinander an. Mehrere Leute waren unterwegs, trugen Krüge auf ihren Köpfen, oder schleppten Körbe mit verschiedenem Obst in ihre Häuser. So sehr es auch wirkte, dass die Bewohner beschäftigt waren, so stoppte doch jeder mit dem, was er tat, um die Truppe mit übertriebenen Armbewegungen zu grüßen.

"Hier ist das schon etwas anders als in Norfinia", gab Sawako neben ihm kichernd zu. "Hier werdet ihr, beziehungsweise eure Familie, verehrt."

Ein Seufzen konnte sich Iyan nicht verkneifen, jedoch musste er für sich selbst zugeben, dass ihn seine Verehrer mit Respekt behandelten. So rannten sie nicht aufgeregt auf ihn zu, oder riefen ihm irgendwelche Sachen entgegen, die er durch den ganzen Trubel sowieso nicht hören würde. Nein, die Leute hier waren einfach froh, ihn zu sehen, und zeigten ihm das auf eine einfache, freundliche Art. Hier fühlte er sich auf Anhieb wohl.

"Ich weiß gar nicht, warum meine Familie so geehrt wird", gab Iyan zu, während er wahllos ein paar grüßenden Fußgängern zurückwinkte.

"Das soll euch unser Vater erklären. Er... kennt die Geschichte gut."

Iyan kam nicht drumherum, eine gewisse Unbehaglichkeit in ihrer Stimme zu deuten. Mit einem Mal war er sich unsicher, ob er die Geschichte hinter allem wirklich erfahren wollte. Viel Zeit hatte er nicht, als eine Gruppe Kinder und Jugendliche auf sie zu gestapft kamen. Zu Iyans Überraschung nahmen sie jedoch herzlich wenig Notiz von ihm, sondern umringten eher die beiden Geschwister.

"Sawa!! Pascal!! Ihr seid wieder da!"

"Wart ihr erfolgreich?"

"Hast du mir wie versprochen ein Souvenir aus dem Schloss mitgebracht?"

Schnell versuchte Sawako das kleine Mädchen noch zum Schweigen zu bringen, doch Iyan war natürlich nicht schwerhörig. "Ah. Also hatte ich mich nicht verhört letztens", gab er mit glanzlosen Augen zurück. Dann ging er ein paar Schritte auf die Kindergruppe zu. Sawako bereitete sich bereits auf eine Standpauke vor, die zu ihrer Erleichterung ausblieb. Stattdessen ging Iyan vor ihnen in die Hocke, platzierte einen Finger auf seinen Lippen, gefolgt von einem kleinen Lächeln. "Wisst ihr, ich lebe im Schloss. Das nächste Mal, wenn ich dort bin, bringe ich jedem von euch was Tolles mit, okay?" 

Die Augen der Kinder begannen nach und nach vor Freude zu funkeln. Vor Freude hüpften sie auf und ab und riefen irgendwelche Worte herum, die wohl keine tiefere Bedeutung hatten. Schnell widmeten sie sich jedoch wieder Sawako, die spontan eine Runde Fangen mit den Kindern auf die Beine stellte, wobei die Kinder mit der blitzschnellen Katze natürlich keine Chance hatten. Doch es ging nicht um irgendwelche Chancen, in diesem Moment ging es einfach nur um Spaß.

Wie die junge, aufgeweckte Sawako da herumtollte, ohne einen kleinsten Funken Sorge in den grasgrün leuchtenden Augen. Ein völliger Gegensatz zu der unerschrockenen, gnadenlosen Schwertführerin, die ihm vor einigen Wochen sein Leben gerettet hatte. Mit einem Mal machte Iyans Herz einen Sprung, jedes Mal, wenn er ihr strahlendes Lächeln sah. Schwer war es, den Blick loszureißen.

Das Ritual des PrinzenWhere stories live. Discover now