9 Fingersprache.

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┊  ┊  ┊          ★ HARRY

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Schwerfällig ließ ich mich hinter einem Tisch nieder und stellte die Krücke vorsichtig ab. Die Jungs und ich befanden uns in einer Art Klassenraum. Die Tische bildeten ein großes U und zur Öffnung hin gab es eine Tafel und einen Beamer.

Hoffentlich erkannte uns hier niemand. Die Wahrscheinlichkeit war zwar verschwindend gering, aber wir hatten uns alle vier Mühe gegeben möglichst unauffällig auszusehen. 

Der Klassenraum füllte sich, eine Truppe von drei Leuten nahm schnatternd Platz. Die drei Männer wirkten wie aus der Rockszene kopiert. Zwei Damen, die aus dem Club der Klischee Sekretärinnen hätten stammen könnten, sowie ein junges Studentenpärchen und drei Pädagogen gesellten sich zu uns.

„Wie läuft die Wohnungssuche?", hörte ich Louis Liam fragen und dieser rollte mit den Augen. Leise hörte ich zu, wie dieser erzählte, dass er den Londoner Imobilienmarkt entspannter in Erinnerung hatte. 

Wie mochte das erst Leuten gehen, die jeden Pfund beobachten mussten?

Ich wollte Liam gerade fragen, in welchen Stadtteilen er suchte, als ich merkte, dass Niall den Blick schweifen ließ.

Verdammt, wir hatten es wieder getan. Er hatte vermutlich kein einziges Wort von dem verstanden, was Liam erzählte. Der Flüsterton war der Overkill der Lautsprache. 

Zum Glück schlug nicht nur ich mir die Hand ins Gesicht, sondern auch Louis: „Scheiße, man!" Er klopfte Niall heftig auf den Rücken und sprach laut: „Du wirst Liam noch lange bei dir wohnen haben, wenn er nicht bald eine eigene Hütte findet."

Prompt schmunzelte Niall: „Ach, das ist okay. Er räumt auf und putzt. Ich kann meine Putze bald abbestellen. Außerdem riecht meine Wäsche viel besser, wenn Liam sie wäscht."

Wir brachen in Gelächter aus und die drei Rocker neben uns ebenfalls. Der Älteste von ihnen, ein grauer Weihnachtsmann, sprach dröhnend: „Bei mir ist eine Kellerwohnung frei, falls also Interesse besteht die Miete zu drücken, dann könnten wir das mit Haushaltshilfe abgleichen."

Eh wir uns versahen, zogen wir Liam gemeinsam auf und er rollte mit den Augen: „Im Klartext, ich mache mich als Putzfee selbstständig."

„Wäre eine Option", fand ich.

Pünktlich betrat kurz darauf der Gebärdensprachlehrer den Klassenraum. Er zog die Tür hinter sich zu und ich musterte den großen dicken Kerl. Ein freundliches Mondgesicht lächelte uns der Reihe nach an, er schien uns aufmerksam zu studieren. Der Strickpullover spannte über seinen Bauch und er wirkte wie ein gemütlicher Bürohengst, der die Donuts mitbrachte.

„'elo", sprach er monoton und immer noch lächelnd. „Mein Name i't Rudy", stellte er sich vor. „I sein der Leerer im Kurz."

Seine Grammatik war nicht ganz korrekt und ich erkannte die monotone Stimmlage von Isabell wieder. Neben mir rutschte Louis unruhig auf seinem Platz hin und her und ich merkte, dass sich die lockere Stimmung um Raum zur Anspannung veränderte.

„Ir 'ört, i sprechen nit sauber", dabei zeigte er auf seinen Mund und tippte dann auf sein rechtes Ohr. „I auch nix 'ören. Aber dit i't kein Problem. I lesen –!", er deutete auch seine Lippen. „Wi i't dein Name un' wat arbeiten du tun?", sprach er den ersten Pädagogen zu seiner Linken an.

Nervös begann der Kerl sich vorzustellen und wir erfuhren knapp, wer mit uns den Kurs besuchen würde. Rudy sah dabei angestrengt auf die Lippen des Erzählenden und stellte immer wieder neugierig Fragen. 

Liebe heißt das Lied ✓Where stories live. Discover now