Den ganzen Tag war ich schon gut gelaunt. Zwar hatte ich Muskelkater von der Schulmeisterschaft, aber ich war gut gelaunt.
Heute war es ziemlich heiß, weshalb ich entschied später zu Primo zu fahren, wenn sich die Temperaturen etwas abgekühlt hatten. Und dann war da noch die Party am Abend. Mein Team und ich trafen uns diesmal zur Abwechslung bei mir. Da ich nicht direkt zu Primo Victoria fuhr blieb noch genug Zeit um den Salat und einige Sachen vorzubereiten.
"Soll ich dir helfen?" erkundigte sich meine Mutter, die gerade mit einem Buch in der Hand in die Küche kam. Man sah nicht so viel davon, dass sie ihren Sohn verloren hatte - das versteckte sie hinter ihrer Maske. Wenn mich jemals jemand nach der stärksten Person fragen würde, dann wäre es meine Mutter. Es dauerte nicht lange und Gilbert kam ebenfalls in den Raum, der Kater steckte immer genau dort, wo meine Mutter war. Er musste ihr wirklich dankbar dafür sein, dass sie ihn aus dem Tierheim mitgenommen hat. Meinen Vater und mich hingegen ignorierte er in den meisten Fällen.
"Ja, das wäre großartig. Ich hab gerade erst angefangen den Salat zu schnippeln."
"Soll ich wieder die gefüllten Spitzpaprika machen," fragte sie, "zum Grillen?"
"Oh ja, gerne. "
Es war angenehm mal wieder etwas Zeit mit meiner Mutter zu verbringen. Sie band sich ihre blonden Haare zusammen und legte die Schürze an.
"Und, was gibt's neues an der Männerfront?"
"Nicht viel. Zumindest nichts nennenswertes. Aber was viel wichtiger ist, worüber ich jetzt wirklich schon lange nachdenke..." Ich suchte nach den richtigen Worten. "Also, naja... Ich hab ein Jobangebot bekommen... und ich überlege, es anzunehmen."
"Ein Jobangebot? Okay..."
"Ja... Von Mr. Chapman."
"Oh, verstehe. Als Bereiter?"
"Jein, Schwerpunkt Zucht."
Sie überlegte einen Moment, bevor sie wieder redete: "Das ist dein Traum, oder? Du bist, schon seid du ein kleines Mädchen warst, so pferdevernarrt."
"Also hättest du nichts dagegen?"
"Camilla, du bist alt genug um Dinge selber zu entscheiden. Ich trau dir das zu, dass du dir über die Vor- und Nachteile bewusst bist."
"Ich hab hin- und herüberlegt und irgendwie komm' ich immer zu den selben Ergebnissen... Einerseits ist dieser ganze Bürokram nichts für mich und andererseits möchte ich mit Pferden arbeiten."
"Naja, probier's dir aus."
Das Gespräch mit meiner Mutter hatte mir ein gutes Gefühl gegeben, mit dem Leuchten in der Brust fuhr ich zu Primo Victoria. Der Hengst erwartete mich bereits und brummelte leise als ich zu seiner Box ging. Alle Pferde waren schon für die Nacht wieder in ihre Boxen gebracht worden und es war Ruhe eingekehrt. Wie so oft war ich die einzige im Stall, dabei war es noch gar nicht so spät, gerade mal 18:00 Uhr. Ich reichte Primo Victoria eine Karotte als ich ihn begrüßte. Dank meines Muskelkaters würde es heute nur leichte Arbeit geben. Die Temperaturen waren inzwischen etwas gesunken, aber es war noch immer warm. Primo schien sich trotzdem auf die Arbeit zu freuen, er kam euphorisch aus der Box und drehte sich immer wieder nach mir um während ich ihn putzte, so als wollte er mich antreiben, damit ich mich beeilte.
Auf dem Springplatz war die Beregnung angestellt, damit der Platz nicht so staubte, und das selbe galt für den Dressurplatz, deshalb entschied ich eine kleinen Ausritt in den Wald zu machen. Wenn es nicht bald wieder richtig regnete würde wohl der Wald bald für Ausritte und Spaziergänger gesperrt sein - wegen der Waldbrandwarnstufe. Doch jetzt nutzte ich die Gelegenheit noch um dort zu reiten. Im Wald war es angenehmer, doch nicht lange und die Pferdebremsen statteten uns einen Besuch ab. Zwar war es noch erträglich, aber lästig waren die Biester so oder so. Primo Victoria drehte sich hin und wieder nach einem der beißenden Insekten um, um es zu vertreiben, oder versuchte sie so gut wie es ging mit dem Schweif abzuwehren. Nichtsdestotrotz war es schön im Wald und ich genoss das Rascheln der Bäume und die Ruhe. Der einzige, der von Zeit zu Zeit etwas von sich hören ließ, war Primo, der leise und entspannt brummte während wir über den Waldboden schwebten. Manchmal fragte ich mich, was ich nur ohne Primo machen würde. Der Markt war zwar voll mit Pferden, aber hätte ich eine andere Reitbeteiligung gefunden? Gefunden, womöglich; doch zu welchen Preis? Ohne Zweifel, es war gut gelaufen für uns. "Hätte uns schlimmer treffen können." säuselte ich mit einem verschmitzten Grinsen.
Nachdem ich zuhause angekommen war ging ich duschen und zog mich frisch an, danach ging es daran die letzten Kleinigkeiten vorzubereiten. Die ersten, die sich blicken ließen, waren Joanne, Eva und Lucas.
"Schön, dass ihr da seid." begrüßte ich die drei und lächelte.
"Das lassen wir uns doch nicht entgehen. Unsere eigene Siegesfeier." entgegnete Eva und drückte mich.
"Und ihr seid sicher, dass ihr nicht hier schlafen wollt?"
Sie nickte. "Ja, Lucas fährt."
Anschließend tauchten die anderen drei auf, jeder von ihnen fein gekleidet. Mein Blick verfing sich an Martin, der ein anthrazitfarbenes Hemd trug und dazu, wie könnte es anders sein, eine schwarze Jeans. Ich war mir sicher, dass niemand Schwarz so fröhlich aussehen lassen konnte wie er.
Wir saßen im Hinterhof und Felix grillte. Die Jungs hatten das erste Bier geöffnet und Eva brachte für uns Mädels frische Cocktails mit, während Lucas sich an was Alkoholfreiem festhielt.
"Na dann," sagte ich und hob mein Glas, "auf das beste Team! Cheers."
Wir stießen miteinander an. Meine Eltern hatten sich an diesem Abend aus dem Staub gemacht. Wahrscheinlich hätte es keinen meiner Freunde gestört, wenn sie mit gefeiert hätten, aber so war es doch perfekt. Es herrschte eine ausgelassene, heitere Stimmung - wie das eigentlich immer war, wenn wir uns trafen - und ich wäre an keinem Ort lieber gewesen als hier. Es war noch immer nicht zu glaube, Pascal sein erster Wunsch für mich war in Erfüllung gegangen. Wir hatten gesiegt!
Später als Lucas und Eva bereits nach Hause gefahren und auch Eckert sich verabschiedet hatte, blieben wir zu viert zurück: Martin, Felix, Joanne und ich.
Felix stand auf und sagte: "Weiß nicht wie es euch geht, aber ich bin ziemlich groggy."
"Ich bin auch müde." gestand Joanne als sie sich streckte. "Zeit für's Bett."
"Ich denke, ich räume noch ein bisschen Kram rein." meinte ich und lächelte die zwei über das Teelicht an. "Schlaft gut."
"Jo, gute Nacht." verabschiedete sich Felix. Mit diesen Worten verschwanden sie. Mir entging nicht, dass er Martin anstieß. Ich sah ihnen noch einen Moment nach, bevor ich mich wieder zu Martin drehte.
"Die haben sich doch abgesprochen." sagte ich und rollte spielerisch mit den Augen, auch wenn ich grinsen musste.
"Darauf kannst du wetten... Aber das ist ja nichts schlechtes." Er sah mich im Schein der Kerze an. Kurz herrschte Stille, Martin schien zu überlegen. "Ich hab nachgedacht..."
"Worüber?" fragte ich langsam um ihn nicht zu sehr zu drängen.
"Keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Ich bin nicht besonders gut in sowas."
"Vielleicht fängst du beim Anfang an?"
Er sah mich an und lächelte. "Du solltest echt nicht mehr so viel Zeit in Felix seiner Nähe verbringe. Seine schlechten Sprüche... Das färbt ab."
"Möglich." erwiderte ich mit einem Grinsen. "Also, du hast nachgedacht?"
"Ich hab nachgedacht über unsere Freundschaft."
"Inwiefern?"
"Ich weiß nicht genau wie du fühlst, aber ich für meinen Teil würde gerne mehr Zeit mit dir verbringen."
Mein Herz setzte für einen Moment aus, nur um dann im erhöhten Tempo weiterzuschlagen.
"Mit mir?""Ja... Ich will mehr von dir wissen, dich noch besser kennenlernen, weil du mir irgendwie nicht mehr so richtig aus dem Kopf gehst."
Ich seufzte, dann lächelte ich ihn an. "Dann fange wir doch damit an."
"Lass uns ausgehen. Nicht heute, aber in nächster Zeit."
"Eine Verabredung?"
"Ein Date."
Date... Er meinte es wirklich ernst.
"Okay."Martin lächelte zufrieden.
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Primo Victoria - Von Hengsten und Mädchen
Teen FictionEs war alles perfekt! Camilla hatte sich mit ihrer Reitbeteiligung, der wunderbaren Stute Esperanza, für den Jugend-Fördercup qualifiziert. Doch erstens kam es immer anders und zweitens als man dachte. Die Tochter der Besitzer hatte sich ebenfalls...