Das Kapitel über einen langen Abend

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Martin, Felix, Joanne und ich saßen um den großen Esstisch im Wohnzimmer von Eckerts Familie. Während Eva, Lukas und Eckert eine Pizza vorbereiteten spielten wir Mensch-ärger-dich-nicht. Ich war grün. Im Hintergrund lief Green Day.

"Green Day ist schon ziemlich old school." stellte Felix fest und sah mich kritisch an, weil ich Bang Bang mitsang.

Martin würfelte gerade und warf dabei ein: "Green Day ist auch so'n typisches Immergrün. Die sind nie schlecht."

"Deine Wortspiele waren auch schon mal besser." stellte Felix mit einem Lachen fest.

Ich grinste. Immergrün. Wow, war das schlecht. "Stell dir vor wie furchtbar es wäre, wenn Martin mit Nachnamen Kracht hieß, dann müssten wir uns ständig Witze anhören in denen es gleich kracht."

"Oder Pabst. Pabst wäre auch schlimm!"

"Ja, ja. Amen!" sagte ich und würfelte.
Eine Vier. Ich warf eine Figur von Martin raus.

"Ich habe den dringenden Verdacht," sagte dieser, "dass ihr euch gegen mich verbündet habt."

Felix gab mir ein High Five und grinste. Als nächstes war Joanne dran. Sie setzte und warf Felix seine letzte Figur raus.

"Oah man ey!" rief Felix.

Joanne lachte. "Ausgleichende Gerechtigkeit."

Ab diesem Moment uferte das Spiel aus und wir bildeten Teams. Felix und ich spielten jetzt offiziell gegen Martin und Joanne. Die Jungs wurden vom Ehrgeiz gepackt. Ich muss sicher nicht erwähnen, dass es drunter und drüber ging?
Irgendwann kam Eva rein. Ihr Blick wanderte zwischen Martin und Felix hin und her, dann schüttelte sie den Kopf. Joanne und ich zuckte wie auf Kommando gleichzeitig mit den Schultern.

"Kinder, das Essen ist fertig." rief Lukas aus der Küche und Eva klaute uns den Würfel.

Felix schimpfte: "Man, Eve! Ich hätte den Typen noch fertig gemacht."

"Heute noch oder erst morgen?" erkundigte sie sich.

"Kommt, wir spielen nachher DiXit, da könnt ihr dann ja ausfechten wer der bessere ist." meinte ich mit einem Schmunzeln und folgte Eva in die Küche.

DiXit war ein geniales Spiel. Nachdem wir gegessen hatten baute ich das Brett auf und verteilte die Karten. Jeder bekam immer fünf Karten auf die Hand. Auf den Karten waren verschiedene Bilder, keins war doppelt. Dann gab es einen Erzähler, der seine Karte beschreiben musste, dabei konnte derjenige ein Gedicht verwenden, ein Lied singen oder ein Zitat nutzen oder oder oder. Aber die Karte durfte nicht zu genau beschrieben werden. Die anderen mussten dann eine ihrer Karten der Beschreibung verdeckt zuordnen und dem Erzähler geben. Dieser legte dann die Karten an das Brett ab und dann sollte die Erzähler-Karte erraten werden, danach wurden Punkte verteilt. Wenn alle oder niemand die Karte erriet gab es keinen Punkt für den Erzähler. Außerdem bekam auch derjenige Punkte, dessen Karte als Erzähler-Karte gewählt wurde von den anderen, es aber nicht war. Und natürlich bekam jeder Punkte, der die Erzähler-Karte erraten hatte. So ging das Reihe Rum, jeder war mal der Erzähler und je nach Punktzahl konnte man mit seiner Figur auf dem Brett vorrutschen.
Es war wirklich witzig.
Gerade war Eckert dran:
"Hoch hinaus." sagte er und drehte seine Karte um.

Gewissenhaft stöberte ich durch die Karten in meiner Hand, nicht dass ich sie nicht alle auswendig kannte. Eine passte ganz besonders gut. Darauf war die Bohnenpflanze von dem Kindermärchen 'Hans und die Bohnenranke' zu sehen. Ich drehte die Karte um und schob sie Eckert zu. Auch die anderen gaben ihre Karten ab.
Die Auswahl war wirklich nicht schlecht. Jemand hatte eine Vogelnest gelegt, einer fliegende Kühe, ein anderer den Eifelturm, ein Bild war aus dem Weltall. Schwierig. Ich warf Eckert einen Blick zu und versuchte mich in ihn hineinzuversetzen. Am Ende blieb mir allerdings nichts als Raten. Ich steckte auf meiner Karte für die fliegenden Kühe.

"Habt ihr gesteckt?" fragte er.

Alle stimmten zu und präsentierten dann ihre Ergebnisse. Joanne und ich waren die einzigen, die die fliegenden Kühe gewählt hatten. Lukas, Eva und Martin waren auf meine Karte reingefallen. Nur Eva hatten den Eifelturm gewählt.

"Die Kühe sind es."

"Yooooos!" jubelte Joanne und ich schlug bei ihr ein.

"Wem gehört die Bohne?"erkundigte sich Eckert.

"Mir."

"Dann darfst du drei Punkte für deine Karte vor und einen dafür, dass du es richtig erraten hast."

Als nächstes war ich Erzähler. Nach kurzem Überlegen, welche Karte ich nehmen sollte, entschied ich mich für den kleinen Igel mit Pfeil und Bogen.
"Im Namen seiner Majestät."

Ich hätte fast gelacht, weil es so genial war. Joanne musste es einfach verstehen, es war eine Anspielung auf Helden in Strumpfhosen.
Die anderen gaben mir ihre Karten. Als ich sie auslegte fiel mir auf, dass die meisten was mit einer Krone zu tun hatten.

Nur Martin erriet meine Karte richtig.

"Alter, wie kommst du darauf?" fragte Felix komplett verwirrt.

Martin lachte und brauchte zwei Anläufe um seinen Satz zu beenden: "Weil der Wild gediebt hat im Wald des Königs!"
Er nahm die Brille ab um sich einige Tränen wegzuwischen. Ich hatte ebenfalls einen Lachanfall.

"Was für ein verrückter Insider ist das bitte?" fragte Eva. "Ihr seid doch beide doof."

"Helden in Strumpfhosen."antwortete ich.

Nun musste Martin noch mehr lachen.

"Beide gleich verrückt." meinte Felix.

"Joanne, du hättest das auch wissen können!"

Sie zuckte mit den Schultern, grinste aber. "Kam mir gerade nicht in den Sinn."

Es war weit nach Mitternacht als wir unser Spiel endlich abschließen konnten. Keiner wollte so Recht nachhause, trotzdem mussten wir so langsam los.
Ich war beinahe froh, dass die Ferien kommenden Montag vorbei waren und ich die verrückte Truppe in der Schule wiedersehen würde. Nachdem wir alle umarmt hatten fuhren Eva und Lukas mich und Joanne zu mir.

"Bis Montag, ihr zwei." verabschiedete uns Eva als wir ausstiegen.

"Danke nochmal für's Fahren." sagte ich ins Auto gebeugt und umarmte sie umständlich. "Fahrt vorsichtig."

"Mach ich. Gute Nacht."

Ich schloss die Tür auf und ließ Joanne rein, sie übernachtete heute bei mir.
Möglichst leise liefen wir die Treppe hinauf, das Schlafzimmer meiner Eltern war zum Glück im Erdgeschoss, so mussten wir uns oben nicht so viel Sorgen machen, dass sie unten aufwachen.

"Was ist eigentlich mit Martins Freundin? Der hat doch eine, oder?" fragte Joanne plötzlich als wir Zähne putzten.

Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Wieso fragst du?... Also ja, er hat eine, mein ich, aber warum sie nicht mitkommt weiß ich nicht." Nicht, dass ich da besonders Wert drauf legte.

"Naja, Eve bringt ihren Freund auch mit und ihr trefft euch jeden Samstag. Ich fänd's mega strange, wenn mein Freund den halben Samstag mit seinen Freunden verbringt. Würde mich zumindest interessieren, was er da treibt."

"Geht mich nichts an." murmelte ich.

"Du stehst auf ihn, oder?" wollte sie völlig unverblümt wissen.

Erschrocken und überrumpelt schaltete ich meine elektrische Zahnbürste ab. "Wie kommst du darauf?"

"Du willst nicht über seine Freundin sprechen. Und mir ist aufgefallen wie du ihn ansiehst."

"Wehe, du erzählst das irgendwem!"

"Niemals. Aber ich hab Recht, oder?"

Als ich nickte sagte sie: "Keine Sorge, ich schweige."

"Was ist mit Felix, hmm?" wollte ich im Gegenzug wissen und tatsächlich wollte ich das Thema wechseln.
Joanne wurde rot.

"Weiß nicht. Er ist lustig und nett."

Ich lachte. "Lass uns schlafen gehen."

Primo Victoria - Von Hengsten und MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt