Das Kapitel mit neuen Fortschritten und großen Überraschungen

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Es war kein Traum gewesen. Als ich aufwachte, warf ich einen Blick auf mein Smartphone und grinste. Martin hatte mir eine Nachricht geschrieben.

_Hoffe, du hast genauso gut geschlafen wie ich. Viel Spaß auf Arbeit heute.

Ich lächelte und antwortete bevor ich aufstand.

Meine Eltern waren schon aus dem Haus, also aß ich alleine mein Frühstück. Nur Gilbert lag in der Höhle seines Kratzbaums und leistete mir mit genügend Sicherheitsabstand Gesellschaft.

Nach meinem Frühstück verabschiedete ich mich von dem Kater und fuhr zum Gestüt. Es war nicht ganz so früh wie sonst, da ich wenigstens an diesem Tag etwas länger hatte schlafen wollen, aber trotzdem war fast niemand da. Außer Jörg, der gerade die Pferde auf die Wiesen brachte. Er kam mir mit fünf Stricken in der Hand entgegen.

"Guten Morgen." grüßte er mich. "Gute Neuigkeiten: wir können mit einigen der Neuzugänge trainieren, damit du noch mehr Routine bekommst!"

"Cool!" entgegnete ich. "Musstest du viel Überzeugungsarbeit leisten?"

Der Stallbursche nickte. "Zuerst war er nicht besonders angetan von der Idee, aber ich hab die Pferde getestet - die meisten sind Lämmchen. Außerdem traue ich dir einiges zu. Der Chef dir auch. Also von daher."

"Danke! Soll ich dir noch was helfen?"

"Ja, gerne. Wir könnten noch ein paar Pferde rausschaffen und dann satteln wir dir wen."

Ich war aufgeregt wegen der neuen Pferde, die vor kurzem gekommen waren, und dass ich sie reiten durfte. So konnte Primo heute zumindest einen freien Tag genießen. Später konnten wir noch spazieren gehen und ich würde ihm ein Bad gönnen, doch zuerst stand für mich die Arbeit und das Training an.

Nachdem wir die letzte Gruppe auf die Weide gelassen hatten und ich auch Primo auf seine Koppel entlassen konnte ging ich zusammen mit Jörg zum Stall.

"Also die Pferde, die ich für dich klargemacht hab, sind diese drei Jungs: Vaughn, Darragh und Dunkerley."

Vaughn war ein sehr bunter Fuchswallach mit vier weißen Stiefeln und einer hübschen Blesse im Gesicht. Darragh hingegen war ein großer schwarzbrauner mit einer kleinen Flocke auf der Stirn, leichtem Rammskopf und einer weißen Fessel am linken Hinterbein. Dunkerley war ehr hellbraun, ohne besondere Abzeichen, dafür aber genauso elegant wie Vaughn.

"Mit wem möchtest du anfangen?" fragte Jörg mich neugierig.

Die drei Wallache, die extra für den Besuch aus der USA hergeschafft worden waren, sahen alle aus als wären sie schön zu reiten. Ich war mir gar nicht sicher mit welchem ich beginnen sollte; reiten würde ich sie ja sowieso alle. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass Darragh eine gute Wahl war für den ersten Ritt des Tages, also deutete ich auf den kräftigen Wallach. Der Stallbursche nickte und half mir ihn fertig zu machen.

"Er ist ein ganz angenehmer Vertreter. An den Zügeln ist allerdings nichts von ihm zu wollen." erklärte mir Jörg bevor er mir in den Sattel half. "Verlass dich auf deine Beine. Auf Schenkelhilfen reagiert er ziemlich gut."

Darragh war in etwa so groß wie Primo, jedoch viel kräftiger gebaut, was ihn trotzdem nicht so schwerfällig machte, wie ich anfangs erwartet hatte.

"Der Kumpel kann fast alles, ist zehn Jahre und ein paar Turniere gelaufen, aber hat nicht die auffälligsten Bewegungen." berichtete Jörg weiterhin und schritt spielerisch mit verschränkten Armen durch den Zirkel, den ich gerade ritt. Er war wieder im Trainermodus.

Die Lenkung funktionierte bei Darragh fast ausschließlich über den Schenkel, irgendjemand musste ihn sehr strikt ausgebildet haben. Es erforderte eine Menge Selbstdisziplin um dieses Pferd zu reiten, doch zweifelsohne war Darragh wohl eines der Pferde von denen ich am meisten lernen konnte. Auf Druck am Gebiss reagierte er schlecht und indem er das Maul aufsperrte.

"Ist für ihn nicht vielleicht eine gebisslose Trense besser?" dachte ich laut.

Jörg nickte. "Hab ich auch schon überlegt. Ich kann morgen mal eine mitbringen. Allerdings reicht es, glaube ich, wenn du ihn richtig reitest."

"Oh, es geht nur um seinen Komfort. Vielleicht ist es für ihn bequemer, wenn er kein Gebiss trägt."

Jörg schmunzelte über mich. Ja, ich war immer noch das Pferdemädchen, was nur das Beste für das Pferd wollte. Und wenn ich das Gebiss eh nicht benutzen konnte, wozu sollte das Pferd dann überhaupt eins tragen?

Gerade beim Traben war es eine große Herausforderung für mich schnell genug umzudenken und den Wallach dort hinzuschieben, wo ich hin wollte. Aber irgendwann hatte ich den Bogen raus. Darragh war sehr gutmütig und quittierte richtige Schenkelhilfen direkt, indem er tat, was man erwartete.

Nachdem Training mit Darragh entschied ich mich für Dunkerley. Die zwei Pferde konnten unterschiedlicher kaum sein und trotzdem war keiner so wie Primo Victoria. Jörg saß währenddessen in Vaughns Sattel; es war ungewöhnlich ihn auf einem anderen Pferd als Castlevano zu sehen. Allerdings konnte er wohl jedes Pferd reiten und es sah so aus als wenn er dort hingehörte. Auch die eleganten, feingliedrigen Pferde wirkten unter ihm keineswegs klein. Vaughn war erst sechs Jahre alt.

Ab da saß ich jeden Tag mindestens auf zwei Pferden, wenn Jörg besonders viel Zeit entbehren konnte, sogar auf vier Pferden.

Eines Abends schrieb mir Joanne:
_Was wünscht du dir eigentlich zum Geburtstag? Feierst du?_

Ach ja, mein Geburtstag... Hatte ich meinen Freunden überhaupt Bescheid gegeben?
_Ich glaube, ich hab total vergessen allen Bescheid zu sagen. X') Eigentlich wollte ich Freitag feiern._ antwortete ich und konnte mich selbst nicht fassen.

_Keine Sorge, ich hab den anderen gesagt, dass sie sich vorsichtshalber freihalten sollen. Aber vielleicht solltest du sie nochmal persönlich einladen. :D_

_Was würde ich nur ohne dich machen?_

_Im Stall einziehen und mit den Pferden zusammenleben. Deine einzigen menschlichen Kontakte wären dann deine Arbeitskollegen... Also was wünscht du dir?_

_Hätte auch was, hehe. Keine Ahnung. Hauptsache ihr kommt._ entgegnete ich nachdenklich.

_Also muss ich mir selbst was ausdenken, na toll!_

Ich konnte in ihrer Nachricht beinahe das Augenrollen sehen, zumindest konnte ich mir vorstellen, dass meine beste Freundin gerade mit den Augen rollte. Grinsend tippte ich eine Antwort und schrieb noch in unserer Volleyballgruppe. Danach rappelte ich mich auf und gelangte auf die Beine.

"Mom?" fragte ich als ich in die Küche kam und sie nicht sah.

Meine Mutter rief:"Bin im Wintergarten."

Also lief ich durch die Küche zum kleinen Wintergarten, wo sie in dem schwarz-grauen Hängekorb saß, den Kater auf ihrem Schoß.

"Ich hab die Woche Geburtstag."

"Ich weiß." sagte sie und lachte. "Ich hab, im Gegensatz zu dir, dran gedacht."

"Puuuh... Wenigstens. Also kann ich Freitag hier mit meinen Freunden feiern?" fragte ich.

"Ja, natürlich."

Erleichtert stieß ich die Luft aus. "Ich hab überlegt, ob ich für die Arbeit auch einen Kuchen backen soll. Was meinst du?"

"Schöne Idee. Kuchen kommt immer gut an."

Der Plan stand also. Mein Geburtstag war am Donnerstag, Mittwoch würde ich den Kuchen backen. Sicher kamen meinen Großeltern am Donnerstag auch vorbei.

Primo Victoria - Von Hengsten und MädchenWhere stories live. Discover now