Teil 3

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Sie sah diesen Mann an, der Laith viel zu sehr ähnelte. Nur, dass er im Gegensatz zu Laith nicht wild wirkte. Auch seine Gesichtszüge waren wie gehauen, grob und so unperfekt, dass es gleichsam faszinierend war. Und dennoch sah sie nichts als den Verrat des Mannes in ihm, der sie um den Finger gewickelt und ihr vertrauen gewonnen hatte. Sie wollte Laith vernichten für das, was er ihr angetan hatte und dieses überhebliche Grinsen aus dem Gesicht seines Bruder herauskratzen, der wie selbstverständlich dort stand, an seinem Schreibtisch und sie musterte.
>>Na schön. Wie du willst.<< zuckte er mit den Schultern. Sie verfolgte jeden seiner Bewegungen, bereit zuzuschlagen, auch wenn es bedeutete abermals zu verlieren. Es war ihr egal, sie würde so lange weitermachen, bis sie gewann. So lange, bis sie diese Metallschlinge um ihren Hals losbekam.
>>Du darfst dich auf diesem Schiff frei bewegen, sofern du meinen Männer nichts tust. Solltest du negativ auffallen, sperre ich dich gerne in deine Kajüte, bis wir an unserem Ziel ankommen.<<
Er sah sie nicht an, als er das sagte, sondern breitete einfach eine Karte auf dem Tisch aus.
>>Wie lange?<< stieß sie aus.
>>Wie lange was? Ich kann deine Gedanken nicht lesen.<< spottete er, woraufhin sie ihre Hände zu Fäusten ballte und einmal tief einatmete, um ihn nicht abermals anzugreifen.
>>Wie lange dauert es, bis ihr mich austauscht, gegen was auch immer das ist?<<
Nun sah er doch auf, schielte zu ihren geballten Fäusten, die sie augenblicklich löste und flach auf ihr Kleid presste.
>>Ein Monat. Wenn wir Glück haben drei Wochen.<< Denara schluckte schwer. >>Also überleg dir gut, ob du die Zeit in einer Kajüte verbringen willst, oder an Deck. Ich weiß nicht, ob derjenige, dem ich dich übergebe, genauso freundlich sein wird. Also würde ich dir empfehlen die Zeit zu genießen.<<
Er sah zu ihr herab, glitt über ihren Körper und weckte Unbehagen in ihr. >>Bei Gelegenheit bringe ich euch was anständiges zum anziehen.<<
Denara schnaubte. >>Deine Kajüte ist neben meinem Arbeitszimmer.<< Ihr Blick huschte zu der Tür zu ihrer rechten, zu der er lief.
>>Diese ist die meiste Zeit verschlossen. Du kannst die andere Tür verwenden, um dein Zimmer zu verlassen.<< erklärte er ihr, als sie in das Zimmer eintraten. Es war leer, bis auf ein Bett und eine Kommode. Auch das Fenster schien fiel zu klein, um etwas von der Außenwelt zu sehen.
>>Habt ihr keine Angst, dass ich hier unbeobachtet rum laufe? Keine Angst, dass ich euch angreife und mich befreie?<< richtete sie die Frage tatsächlich verwirrt an ihn.
Seine grünen Augen bohrten sich in ihre, als er einen Schritt auf sie zumachte. >>Genau das macht es doch so spannend. Oder nicht?<< raunte er ihr verführerisch zu.
>>Ihr seid krank.<<
>>Hör auf so förmlich zu sein Wassergöttin. Ich bin ein einfacher Pirat und kein Prinz, der euch vor eurem Schicksal rettet.<< spottete er abermals, woraufhin sie ihre Augen zusammenkniff.
>>Fahr zur Hölle.<<
>>Darauf arbeite ich schon hin.<< schnurrte er und schnappte sich eine ihrer Locken. Denara schlug ihm auf die Hand und ging einen Schritt nach hinten. >>Tu mir einen Gefallen und bring meinen Bruder nicht um.<<
Mit diesen Worten kehrte er ihr den Rücken zu und verließ dieses viel zu kleine Zimmer.
Denara setzte sich verloren an den Rand ihres Bettes, ließ alles auf sich einprasseln und war noch immer nicht fähig dazu, Tränen zu vergießen. Sie konnte sich nicht daran erinnern jemals geweint zu haben. Nicht einmal dann, als ihre Familie sie auf diese Insel verbannt hatte. Nicht einmal dann hatte sie eine Träne vergossen.
Niedergeschlagen legte sie sich flach aufs Bett, schloss ihre Augen und dachte angestrengt über ihre Situation nach.
Bilder von Laith und ihr tanzten in ihren Gedanken, woraufhin sie frustriert aufstöhnte. War sie so dämlich auf seine Zärtlichkeiten hereinzufallen, hatte er irgendetwas davon zu Beginn ernst gemeint, oder hatte Laith sie einfach von Anfang an manipuliert? Sie wusste es nicht.
Das einzige was sie wusste war, dass es weh tat. So sehr, dass sie ihre Knie an ihre Brust zog und wie ein Haufen auf dem Bett lag. Gedankenverloren fasste sie sich abermals an den Hals, befühlte das kühle Metall und dachte an die Möglichkeit, nie wieder das Meer in ihren Gliedern zu spüren. Es war Angst, das sie zu durchlöchern begann. Angst darüber, nie mehr sein zu können, wer sie ihr Leben lang war.

Herz aus LeidWhere stories live. Discover now