zu perfekt und real

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Rezos Herz rast wie wild. Der Schweiß klebt ihm überall, wo man es sich nur vorstellen kann. Seine ganzen Muskeln haben sich ungemütlich verspannt. Sein Atem ist hektischer als sonst und er versucht so viel Luft wie möglich einzuatmen, nachdem er von einem Alptraum geweckt wird. Ein ungemütlicher Schwindel hüllt sich wie Nebel um seinen Kopf und hindert sich daran, zu formen. Es war ein Traum über Julien, doch das ist alles, was er neben dem betäubenden Gefühl der Sorge noch weiß. Der Traum hat sich stattdessen aus seinem Gedächtnis so schnell wieder zu Staub gemacht, wie er gekommen war.

Doch er spürt etwas, was ihn beruhigt, auch wenn nur ein wenig, doch es schenkt ihm Sicherheit. Es ist ein warmes Gefühl auf seiner Schulter, doch er kann es in seiner ganzen Hektik nicht identifizieren. Stattdessen versucht er vergeblich, durch seine schmerzenden Augen ein Bild seiner Umgebung zu machen. Doch genauso wie die Erinnerungen an den Traum bleibt ihm das vorerst verborgen und bei der Erkenntnis presst er seine Augenlider wieder schnell aufeinander.

Nach ein paar Sekunden, in denen er seinen Herzschlag und seine Atmung wieder so gut wie möglich auf Normalstand bringen konnte, kann er dann doch etwas der Außenwelt mitbekommen. Denn neben dem warmen Gefühl auf seiner Schulter, das er inzwischen als eine Hand identifiziert hat, hört er, dass jemand auf ihn einredet. Auch wenn er nur Fetzen der Worte erhaschen kann und auch nicht den Besitzer erraten kann, gibt es ihm etwas Halt und auch der Nebel um seinen Kopf, wie die Spannung in seinem Körper, machen nach ein paar Minuten endlich Anstalten zu gehen.

"... gut... da...", sind die ersten Worte, die er klar aus dem großen Wortsalat fischen kann. Zwar ergeben sie keinen Sinn, egal wie er sie in seinem Kopf drehen und wenden wollte, doch wieder gaben sie ihm eine gewisse Sicherheit. Und dann kreuzt doch endlich ein vollständiger Satz seinen Weg. "Es tut mir Leid.", und mit diesem Satz war Rezo plötzlich wieder voller Herr seiner Sinne. Es ist Julien, der da zu ihm spricht. Was macht er hier?

Schnell öffnet Rezo wieder seine Augen und erschrickt, trotz des Wissens, wer es ist, bei der Ansicht seines Kumpels, der besorgt und hilflos vor dem Sofa kniet. In Rezo breitet sich wieder Panik aus, so wie nach seinem Alptraum, nur dass diese Panik ihm viel realer und näher scheint. Schnell wischt er die Hand auf seiner Schulter von sich und vergräbt sich tiefer in der Decke, während er sich zu einer sitzenden Position aufrichtet und nach ganz hinten an die Lehne rutscht.

Das ist wirklich Ju, das sind seine schwarzen kurzen Haare, die verstrubbelt auf seinem Kopf nisten und seine dunklen Augen, die, trotz der Dunkelheit, die sie ausstrahlen, viel zu harmlos aussehen. Wo ist Lisa und warum ist Ju hier? Sollte er nicht an den Hauptvideos sitzen, seinem Job nachgehen? Was macht er also hier, oder waren doch schon mehrere Tage vergangen, die Rezo geschlafen hat, denn bei seinem Gefühl von Zeit gerade wusste er echt nicht, ob er jetzt schon Stunden geschlafen hat, oder Lisa gerade erst kam, um zu schauen wo er denn die ganze Zeit blieb.

Aber trotz des fehlenden Zeitgefühls, sitzt jetzt Ju vor ihm und Rezo ist ratlos darüber, was er machen soll. Was wäre denn das Beste, das man machen könnte, wenn derjenige, weshalb man die letzten Minuten oder Stunden nicht mehr gescheit denken konnte, auf einmal direkt vor einem steht? Unwohl schaut Rezo an Ju auf und ab. Er ist wirklich hier.

"Was machst du hier?", fragt Rezo, seine Stimme fängt zu brechen und schnell nimmt er seine Augen aus Schäm von seinem Gegenüber, schaut stattdessen überall woanders hin, wo kein gutaussehender Halbasiate ist. Julien stellt sich auf. Er muss erst einmal mit dem schnellen Wachwerden seines blauhaarigen Freundes klarkommen, bevor er sich mit einem guten Abstand neben ihn setzt.

Kurz herrscht eine unangenehme Stille, denn aus irgendeinem Grund, traut sich Ju den wahren Grund für sein Auftauchen nicht zu verraten, denn der würde heißen, dass er sich Sorgen gemacht hat und wäre das nicht eine indirekte Bestätigung für seine Gefühle, vor allem weil er jetzt eigentlich arbeiten sollte. "Ich hab erfahren, was passiert ist.", sagt er also schnell, um den eigentlichen Grund vorerst vielleicht noch ein bisschen zu vertuschen.

bittersüß - juzoWhere stories live. Discover now