anruf

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Tikaani setzte sich auf und schluckte schwer. Amaruq sah sie fragend an. "Was ist los, Mama?"
Die junge Frau strich ihrer Tochter die Haare zurück und warf ihr ein bedrücktes Lächeln zu. "Nichts, mein Schatz. Unterhalt dich mit deinem Bruder", wies sie sie an, um sie von der Situation abzulenken.

Die Frau im Fernseher berichtete von der Mission der Menschen. "Das Dorf wurde zunächst beobachtet, damit sichergestellt werden konnte, dass es sich auch wirklich um Wandler handelte. Anschließend wurde es abgebrannt. Somit soll der Bestand an sogenannten Woodwalkern rasant reduziert werden. Lange wird es nicht mehr dauern und die Menschen gewinnen wieder die Oberhand." Mit einem zufriedenen Lächeln, das Tikaani ihr am liebsten aus dem Gesicht kratzen würde, beendete die Reporterin ihren Bericht.
Carags grüngoldene Augen funkelten zornig und seine Fingernägel krümmten sich zu blitzenden Krallen.
"Carag", wisperte Tikaani und sah ihn warnend an. "Sei vorsichtig." Beunruhigt sah sie zur Frau an der Theke, die das Paar und die Kinder skeptisch ansah. Tikaani lächelte sie schief an.

"Lass uns gehen", sagte Carag und stand sogleich auf. Bezahlen konnten sie nicht, denn sie trugen kein Geld mit sich. Das hatten sie im Wandlerdorf nie gebraucht. Carag versprach der Verkäuferin, er würde bald zurückkommen und ihr das Geld auszahlen. Jedoch hatte er nicht vor, dies wirklich zu tun.
Sie liefen hinüber zu dem beschaulichen, kleinen Hotel und fragten dort nach, ob sie das Telefon benutzen konnten.

"Lass uns erstmal jemanden anrufen, der uns hier rausholt", sagte Tikaani und wählte die Nummer ihres Vaters. Der hatte immerhin noch sein Kleinflugzeug.
Sie telefonierte eine ganze Weile mit ihm, immerhin hatten sie sich lange nicht gesehen. Geduldig wartete Carag und hielt Rain, während er darüber nachdachte, was er mit dieser machen sollte. Sie konnten nicht die ganze Zeit ein Kind mit sich rumtragen, noch dazu ein Menschenkind. Woher es wohl kam? Was war mit den Eltern passiert und warum war es in dem Wandlerdorf gewesen?

"Hey, Carag? Mein Vater kann uns morgen abholen. Ich hab ihm den Standort gegeben." Sie seufzte und sah auf das Baby hinab. "Wie erkläre ich ihm das?"
Er zuckte die Schultern. "Gar nicht?"
Tikaani verdrehte die Augen, aber immerhin hoben sich ihre Mundwinkel ein wenig. Sie beschloss, Holly als nächste anzurufen. Sie hoffte, dass die Nummer, die sie im Kopf hatte, die aktuelle war.
Tut, tut, tut, tut ... Angstschweiß trat der Frau auf die Stirn. Sie flehte Holly in Gedanken an, ranzugehen. Und ihre stummen Gebete wurden erhört.
"Hallo?"
Erleichtert atmete Tikaani aus. "Holly? Hey, Holly, hier ist Tikaani!"
"Tikaani?" Holly klang, als könne sie ihren Ohren nicht trauen. "Meinst du das ernst? Ich hab so lange nichts von euch gehört, oh mein Gott! Ist Carag bei dir?"
Carag stellte sich neben seine Freundin. "Hey, Holly", sagte er freudig und die Frau stieß einen begeisterten Schrei aus.
"Ihr wisst nicht, wie glücklich ich bin", rief sie.
Tikaani schmunzelte und legte einen Arm um Amaruq, die ihre Eltern erwartungsvoll ansah. "Wir freuen uns auch, deine Stimme zu hören. Es tut uns leid, dass in den letzten Jahren Funkstille geherrscht hat. Wir haben nicht unter Menschen gelebt." Einen Augenblick herrschte Stille. "Holly? Es tut mir leid, aber wir brauchen deine Hilfe. Kannst du uns deine Adresse geben? Wir müssen zu dir."

Woodwalkers - In vielen JahrenNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ