Kapitel 23. 'Der Inbegriff von Panik'

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Geschichte. 'Mr. Park~'

Kapitel 23. 'Der Inbegriff von Panik'



16. September 2020 - Mittwoch


„Wie ist die neue Wohnung?"
„Inzwischen gemütlich", entgegnete Baekhyun mit einem Lachen, „Es hat wirklich viel länger gedauert, als ich erwartet hätte und vor allem, als ich es geplant hatte. Aber letztlich haben Chanyeol und ich es doch noch alles geschafft und es ist wohnlich geworden. Es ist war klein, aber sollte vollkommen ausreichen und ich bin mir sicher, dass ich mich hier wohlfühlen werde."
„Tut mir leid, dass ich nicht in der Stadt bin und deswegen nicht helfen konnte."
„Schon okay. Ich bin ehrlich gesagt sogar ganz froh darüber. Gemütlich zusammensitzen kann min hier mit mehreren Personen auf jeden Fall, aber jetzt beim Umzug hätten wir uns nur gegenseitig im Wege gestanden. Chanyeol und ich haben zwar super miteinander harmoniert, aber als Sehun und geholfen hat, wusste keiner mehr, was er am besten machen könnte, ohne dass er dabei einem anderem im Wege steht." Baekhyun lachte bei der Erinnerung auf. Sehun hatte sich irgendwann beleidigt auf das Sofa gesetzt Baekhyuns Kisten durchwühlt und ihnen zwischenzeitlich etwas angereicht oder etwas festgehalten. Natürlich dabei immer mit einem eingeschnappten Gesicht und dem sarkastischen Kommentar, dass er dachte, er würde keine Hilfe sein – Baekhyun hatte diese Worte nicht einmal so geäußert und noch weniger waren seine Worte so gemeint gewesen.
„Sehun hätte ich auch gar nicht erst um Hilfe gefragt", äußerte Kyungsoo sich, der ebenfalls anfangen musste zu lachen und sich vermutlich sogar denken konnte, wie es ausgegangen war, ohne dass er Baekhyun um mehr Details fragen musste.

Baekhyun schnaubte. „Und wie geht es euch? Wie verlaufen die Hochzeitsvorbereitungen?"
„Ich würde behaupten, genauso gut, wie dein Umzug. Um es in deinen Worten auszudrücken: Junmyeon und ich harmonieren super miteinander. Wir haben sehr ähnliche Vorstellungen und wenn wir doch mal nicht einer Meinung sind, können wir uns sehr schnell einigen und Kompromisse eingehen. Meine Eltern sind vollauf begeistert und versuchen immer wieder noch irgendeinen ekeligen romantischen Kitsch unterzubekommen. Nicht, dass ich mich generell beschweren möchte. Aber das passt einfach nicht zu mir, auch wenn mir ihr Euphemismus sonst sehr gefällt. Es ist schön, dass sie Junmyeon so einfach akzeptiert haben und sich so für uns freuen und einsetzen. Junmyeons Eltern hingegen halten sich mit eher missbilligen Blicken zurück und wirken weniger zufrieden mit der Gesamtsituation. Es ist ihnen anzumerken, dass sie Junmyeons Sexualität nur tolerieren, weil sie ihren Sohn lieben. Sie mögen mich zwar auch, aber wenn es nach ihnen gehen würde, würden sie mich lieber als einen Freund an seiner Seite wissen, statt als seinen Ehemann. Dennoch versuchen auch sie sich so weit wie möglich in die Vorbereitungen einzumischen und möglichst ihre Vorstellungen umzusetzen. Ganz nach dem Motto „wenn unser Sohn schon einen Mann heiraten muss, dann wenigstens so, wie wir uns das vorstellen". Vielleicht hätten wir das Ganze doch besser ohne unsere Eltern planen können. Nur leider ist es jetzt zu spät, um sie wieder aus den Vorbereitungen auszuschließen."

Baekhyun musste anfangen zu lächeln, während er den Worten seines besten Freundes lauschte. Ein Gefühl von Freude und Glück von Freude und Glück durchströmte seinen Körper. Er freute sich. Er freute sich so unglaublich sehr für Kyungsoo.
Im Hintergrund konnte Baekhyun einen Schlüssel hören und wie die Haustür geschlossen wurde.

„Wenn ich dir irgendwie eine Stütze sein kann, sag Bescheid! Ich mache alles, was du mir aufträgst und ich mache alles nach genau euren Vorstellungen. Selbst wenn ich es schrecklich finde."
„Byun Baekhyun! Wie soll ich dir nur glauben? Du würdest nie in deinem Leben etwas durchziehen, wenn es auch nur im kleinsten Detail von deiner eigenen Vorstellung abweicht. Wie kommts, dass du für mich diese Ausnahme machen willst?"
Baekhyun lachte erneut. „Es ist eure Hochzeit und ich bin dein Trauzeuge. Wenn du mir diese Ehre verleihst, dann kann ich mich wenigstens einmal zurückhalten Außerdem, wenn ich schon Trauzeuge bin, dann auch richtig!" Baekhyun hatte seiner Stimme einen Hauch von Überheblichkeit und zugleich auch Sarkasmus beigelegt. „Es geht um euch. Nach allem was du gerade erzählt hast, habt ihr schon genügend Vorstellungen, die ihr unterbringen müsst und die nicht eure eigenen sind. Da braucht ihr jemanden wie mich, der sich voll und ganz auf eure Vorstellungen konzentriert und sich im Notfall auch für diese einsetzt", fügte Baekhyun noch mit ruhiger Stimme hinzu. Diesmal trug sie etwas Liebevolles mit sich und es war herauszuhören, wie ernst und auch wichtig es für Baekhyun war. Kyungsoo lachte auf und Baekhyun wusste, wie dankbar sein bester Freund ihm für diese Worte war. Es waren Worte, die Kyungsoo in jenem Moment gebraucht hatte.

„Okay, okay. Ich werde mit Sicherheit eine Aufgabe für dich finden. Aber noch kannst du dich ausruhen. Viel mehr solltest du dich jetzt erstmal in der neuen Wohnung zurechtfinden, bis wir wieder in der Stad sind. So lange kannst du noch die Füße hochlegen und hast deine Ruhe vor deinen Pflichten als Trauzeuge" Kyungsoo machte eine Pause. Mit etwas Zurückhaltung fügte er noch hinzu: „Aber gewöhn dich wiederum auch nicht zu sehr an die neue Wohnung."

„Was? Vermisst du mich jetzt schon so sehr, dass ich wieder zu dir ziehen soll? Hättest du mir das nicht eher sagen können? Am besten wäre es gewesen, wenn du das vor meinem Auszug gesagt hättest. Das wäre weniger stressig für mich gewesen."
Erneut sprach Baekhyun seine Worte mit Sarkasmus aus und musste anfangen zu lachen. Im selben Moment erblickte er Chanyeol, der das Wohnzimmer betrat und innehielt, als er sah, dass Baekhyun telefonierte. Er lächelte leicht und hob eine Tüte hoch, bei der Baekhyun sich sicher war, dass sein Freund darin etwas zu Essen hatte. Begeistert nickte Baekhyun.

„Oh, Baekhyunnie. So lieb ich dich auch habe, aber bitte tu mir das kein zweites Mal an! Es hatte seine Gründe, wieso wir nie eine WG gegründet haben. Sehr gute Gründe. Dafür sind wir uns einfach zu verschieden. Die zwei Monate haben für mein ganzes Leben vollkommen ausgereicht. Ich genieße unsere Beziehung zueinander doch lieber mit etwas mehr Abstand."
Baekhyun lachte auf und das Grinsen bei Kyungsoo war auch nur allzu deutlich herauszuhören. Er war so froh, dass er Kyungsoo hatte und dass dieser sein bester Freund war.
Ein Klimpern ertönte und misstrauisch verzog Baekhyun das Gesicht, als Chanyeol mit einem belustigten Gesicht und zwei Tellern, auf denen das Essen verteilt lag, wieder in das Wohnzimmer trat.

„Und was hast du dann mit deinen Worten gemeint, wenn nicht deine unendliche Liebe zu mir gemeint war?"
„Na, was wohl? Deine richtige Liebe!"
„Was hat den Chanyeol mit meiner neuen Wohnung zu tun?" Baekhyun zuckte nur mit den Schultern, als er den fragenden Blick seines Freundes begegnete und formte mit seinen Lippen den Namen Kyungsoo. Verstehend nickte Chanyeol.

„Ich meine damit, dass er nicht in dieser Wohnung ist."
Belustigt warf Baekhyun einen Blick in die Richtung seines Freundes. Das stimmte nicht ganz. Aber Baekhyun verstand, was Kyungsoo ihm mit seinen Worten sagen wollte und das der derzeitige Aufenthalt von Chanyeol eben nicht gemeint war. Etwas lustig fand er die Wortwahl dennoch, wenn man bedachte, dass Chanyeol sich in jenem Moment neben Baekhyun auf das Sofa setzte.
„Ich glaube, er war traurig, dass du sein Angebot abgelehnt hast, bei ihm einzuziehen. Und ich bin mir sicher, dass ihr irgendwann doch noch diesen Schritt gehen werdet. Anhand der Bilder, die du mir ja fleißig bei deinem Umzug geschickt hast, um mich auf dem Laufendem zu halten, konnte ich erkennen, dass die Wohnung dann aber zu klein für euch zusammen wäre."

Baekhyun rollte mit den Augen. „Wir sind doch erst seit einem halben Jahr zusammen. Wir sollten es nicht überstürzen."
„Das weiß ich doch. Aber früher oder später wird der Zeitpunkt kommen, an dem ihr dafür bereit sein werdet."

Baekhyun dachte einen Moment darüber nach. Er hatte auch einen Moment über Chanyeols Angebot nachgedacht, als er ihm tatsächlich anbot, bei ihm in die Wohnung zu ziehen, aber letztlich entschieden abgelehnt. Ein halbes Jahr war nicht lange genug, um direkt zusammen zu ziehen und besonders dann nicht, wenn sie sich in der meisten Zeit, in der sie sich bereits kannten, nicht mal gesehen hatten. Und auch all ihre vergangenen Probleme machten ihm deutlich, dass noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen war.
Was natürlich nicht bedeutete, dass der Zeitpunkt niemals kommen würde. Nur eben noch nicht jetzt.

„Natürlich. Früher oder später, genau wie du gesagt hast. Aber zu dem jetzigen Zeitpunkt benötige ich meine eigene Wohnung und in der möchte ich mich auch gerne wohlfühlen. Außerdem möchte ich dazu noch betonen, dass ich noch genügend Zeit habe, bis ich mir ernsthafte Gedanken darum machen muss, ganz im Gegenteil zu dir. Du bist seit über einem Jahr mit Junmyeon zusammen, ihr habt euch verlobt und ihr seid gerade dabei mit euren Eltern die Hochzeit zu planen. Zudem bin ich endlich wieder aus deiner Wohnung verschwunden. Habt ihr schon darüber gesprochen? Oder hast du den Schritt bei deinem Antrag und in dem Chaos der Hochzeitsplanung übersprungen und versuchst mir deshalb jetzt einzureden, bei Chanyeol einziehen zu müssen?"
„Ich habe es wohl tatsächlich vergessen."

Chanyeol neben ihm blickte ihn mit einem kritischen Blick an, wohl nicht so begeistert davon, dass Baekhyun mit Kyungsoo über ihn sprach, als würden sie nicht gerade nebeneinandersitzen. Baekhyun brachte es zum Grinsen.
„Oh Mist! Da habe ich wirklich noch gar nicht drüber nachgedacht. Wie bin ich auf die Idee gekommen, ihm einen Antrag zu machen und zu unseren Familien zu fahren, wenn wir noch nicht mal darüber gesprochen haben, uns eine Wohnung zu teilen?"
„Gerätst du gerade in Panik?"
„Natürlich! Ich kann ihn doch nicht einfach so heiraten."

Baekhyun zog die Augenbrauen nach oben und ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus. Was in letzter Zeit aber auch wirklich viel zu oft passierte. „Pass auf was du sagst, nicht dass er dich noch hört, wenn du sowas sagst. Das könnte er womöglich missverstehen."
„Es ist doch nur die Wahrheit! Das Ganze hier ist ein großer Fehler."

„So viel dazu, dass ich mich noch ausruhen könnte und er noch keine Aufgabe für mich als Trauzeugen hätte", flüsterte Baekhyun zu Chanyeol und verdeckte dabei das Mikrofon seines Handys, damit Kyungsoo ihn nicht hören konnte. Chanyeol schien seine Worte deutlich wahrgenommen zu haben und blickte verwirrt zu ihm.
Baekhyun war sich dem Ernst der Lage bewusst. Und es gefiel ihm gar nicht, dass Kyungsoo zu weit entfernt war, als dass er schnell zu ihm fahren konnte, um ihm beizustehen.

„Okay, Soo. Hör mir jetzt gut zu! Wenn du wirklich der Meinung bist, dass du einen Fehler begehst und dass nicht durchziehen willst, dann sag Bescheid. Ich hole dich sofort ab. Aber ich weiß, dass es kein Fehler ist. Ich weiß, wie sehr du ihn liebst und wie sehr du das Ganze willst. Tu das also nicht unüberlegt. Ich werde dich bei jeder deiner Entscheidungen unterstützen, aber ich will dann darauf vertrauen können, dass du dir deiner Entscheidung auch sicher bist und es das ist, was du wirklich willst und nicht, dass du aus dem Affekt gehandelt hast, nur weil du Panik bekommen hast."
„Der Heiratsantrag war es doch, der aus dem Affekt heraus entstand. Das, was hier gerade passiert, ist nicht richtig, Baekhyun! Das einzig richtige ist, dass alles wieder abzusagen, bevor es zu spät ist."
„Okay. Dann hole ich dich ab. Schreib mir die Adresse und ich fahr sofort los. Aber vorher gehst du zu Junmyeon. Du gehst zu ihm und sagst ihm, dass es die falsche Entscheidung ist."
„Nein... Baek-"
„Doch! Ich hole dich. Versprochen. Sobald wir aufgelegt haben, fahr ich ohne weiteres los. Aber nur, wenn du ehrlich zu Junmyeon bist und es ihm sagst."
„Okay..."
„Okay. Dann verlasse ich mich darauf. Bis nachher."

„Das machst du nicht wirklich, oder?" Vollkommen verständnislos blickte Chanyeol ihn an, während Baekhyun das Gespräch beendete. Natürlich hatte er verstanden, was gerade in dem Telefonat passiert war und worüber sie gesprochen hatten. Mit einem Grinsen entgegnete Baekhyun seinem Blick und hielt ihm die SMS vors Gesicht.
Kyungsoo hatte die Adresse geschickt, kaum dass sie aufgelegt hatten und ohne zu zögern.
„Du fährst jetzt dahin und holst Kyungsoo ab? Und unterstützt damit, dass die Hochzeit verhindert wird?"

„Er ist mein bester Freund, Yeol. Ich mache alles, was er mir sagt. Auch wenn es gegen meine Vorstellungen geht, werde ich als sein Trauzeuge alles machen, was er mir aufträgt."
Baekhyuns Stimme nahm bei seinen Worten denselben Sarkasmus an, den er bei seinen ähnlichen Worten gegenüber Kyungsoo auch schon benutzt hatte. Dann schüttelte er nur mit dem Kopf und lachte.

Chanyeol betrachtete ihn weiterhin ungläubig, während Baekhyun selbst nur seinen Teller nahm, den Fernseher anschaltete und anfing zu essen.
Es dauerte einige Minuten, ehe Chanyeol sich abwand und selbst anfing zu essen und noch mal einige Minuten, ehe Chanyeol innehielt und Baekhyun kritisch beobachtete. „Du handelst gar nicht gegen deine Vorstellungen, kann das sein? Das was du hier machst, ist genau das, was du machen willst, richtig?"
Baekhyun grinste erneut und wackelte mit den Augenbrauen.
„Wieso willst du das machen?"
„Was mache ich denn?"
„Du willst Kyungsoo dabei unterstützen die Hochzeit zu verhindern? Ich bin doch nicht blöd. Ich habe das Gespräch mitbekommen und wohl verstanden, worüber ihr gesprochen habt. Er will das ganze Absagen und du hilfst ihm dabei, indem du ihn abholst."

Baekhyun verdrehte die Augen. „Ach Yeol. Manchmal bist du echt niedlich, weißt du das? Und ich liebe dich!"
„Lenk nicht ab!"
„Mach ich doch gar nicht. Ich mache genau das, was meinen Vorstellungen entspricht."
Baekhyun grinste immer noch. Chanyeol hielt inne und beobachtet seinen Freund genaustens. Baekhyun konnte sehen, wie es bei seinem Freund klick machte, was sein Grinsen nur noch vergrößerte. „Du fährst nicht zu ihm."
„Natürlich nicht. Er hat mir die Adresse sofort nach unserem Telefonat geschickt. Das sagt mir zwei Sachen. Die erste ist, dass er noch nicht mit Junmyeon geredet hat. Wann denn auch, dafür hatte er nicht die Zeit. Und das zweite: Er will sicher gehen, dass ich direkt losfahre. Ich könnte ja einen Rückzieher machen, obwohl ich es versprochen habe. Außerdem hofft er damit, dass ich schnell genug da bin, damit er der Situation so schnell wie möglich entfliehen kann. Ich brauche aber über eine Stunde, um bei ihm anzukommen. Er wird jetzt noch zehn, höchstens zwanzig Minuten allein in irgendeinem Zimmer sitzen, um das Gespräch mit Junmyeon hinauszuzögern. In weniger als einer halben Stunde wird Kyungsoo mir dann schreiben, oder er wird mich anrufen und mir dann sagen, dass ich doch nicht mehr kommen brauche. Und ehrlich, dann will ich nicht umsonst losgefahren sein. Sollte er mir in einer halben Stunde noch nicht absagen, fahr ich los und sag, dass ich im Stau stand. Weil dann bin ich mir sicher, dass er wirklich nicht mehr heiraten will. Aber Kyungsoo wird mir Bescheid sagen, dass ich nicht kommen brauche."
„Wieso glaubst du das? Wieso bist du dir so sicher?"
„Weil Kyungsoo Junmyeon liebt. Und sobald er vor Junmyeon steht, um ihm zu sagen, dass er die Hochzeit absagen will, wird ihm bewusst, dass es gar nicht das ist, was er wirklich will. Er wird vor Junmyeon stehen und wird sich sicher sein, dass die Hochzeit das Richtige ist. Kyungsoo ist gerade in Panik geraten, weil er eben Kyungsoo ist."

„Ich verstehe immer noch nicht, wieso du dir so sicher sein kannst?"
„Weil es mir so gehen würde, wenn ich in dieser Situation wäre. Würde ich in Panik geraten, würde es ausreichen, in deiner Nähe zu sein, um zu wissen, dass ich keine Panik haben muss. Außerdem ist er mein bester Freund. Das heißt, dass ich ihn sehr gut kenne. Er wird diese Hochzeit nicht absagen. Kyungsoo selbst ist nur der Inbegriff von Panik!"

Und Baekhyun sollte Recht behalten. Es dauerte knappe zwanzig Minuten, ehe er eine Nachricht von Kyungsoo erhielt, in welcher er schrieb, dass Baekhyun ihn nicht abholen brauchte und wie leid es ihm tat, Baekhyun in diese Lage gebracht zu haben, sodass er sogar umsonst losgefahren sei – Kyungsoo konnte ja nicht wissen, dass Baekhyun nicht mal losgefahren war. Und es sollte nicht das einzige Mal sein, in welchem sie beide sich in dieser Situation wiederfanden. Immerhin ging es um Kyungsoo und Baekhyun hatte von Anfang an mit diesem Verhalten seines besten Freundes gerechnet.






19. Oktober 2020 - Montag

„Wie viele Sprachen kannst du eigentlich sprechen", fragte Jongdae ihn, seine Neugier war nahezu greifbar. In den vergangenen zehn Minuten hatte er hinter der Wand von Baekhyuns Arbeitsbucht gestanden; seine Arme hatte er dabei auf dieser abgelehnt und Baekhyun mit einem nachdenklichen Blick versehen. Kritisch hatte Baekhyun sich das Bild angesehen und versucht ein Gespräch mit seinem Arbeitskollegen anzufangen, doch Jongdae reagierte weder auf seine Fragen, was er da täte noch auf sonstige Aussagen von Baekhyun. Irgendwann war sich der Jüngere nicht mehr sicher, ob Jongdae noch geistig anwesend war.
Zehn Minuten und genau siebzehn Sekunden waren vergangen, ehe er das Wort erhob und eben diese Frage stellte. Baekhyun musste sich das Lachen verkneifen und schüttelte ungläubig mit dem Kopf.

„Bist du gerade aus einer anderen Dimension wiedergekehrt und hast dir gedacht, 'Die Frage wollte ich schon die ganze Zeit mal stellen' oder hast du gerade tatsächlich zehn Minuten darüber nachgedacht, was ich wohl alles für Sprachen sprechen könnte? Hast du keine Arbeit zu erledigen?"

„Ich mein ja nur. Seit du hier bist hast du hauptsächlich Texte ins Englische übersetzt oder vom Englischen ins Koreanische. Und neben dem Übersetzen von Texten bist du auch dafür zuständig, deinen Mitarbeitern jederzeit bei Übersetzungen zu helfen. Ich glaube zu meinen, dass du auch Chinesisch können müsstest. Aber ist da noch mehr?"
Belustigt verzog Baekhyun das Gesicht. „Ich kann neben Englisch und Chinesisch noch Japanisch, Spanisch und zum Großteil Rumänisch und Italienisch. Beim Französischen habe ich nur die Grundkenntnisse drauf und Deutsch habe ich mal angefangen zu lernen, aber vorerst wieder abgebrochen. Dort könnte ich höchstens einige Sätze lesen."
„Wie?"
„Sprachen haben mich schon immer interessiert. Und wenn es mir zu langweilig wurde, habe ich eine neue angefangen zu lernen."
„Und wieso hast du dich dann nicht direkt dazu entschieden, als Dolmetscher zu arbeiten? Ich mein, der Beruf ist doch perfekt für dich?"

Baekhyun lachte, während er mit wenigen Mausklicken das Dokument, an welchem er bis eben noch gearbeitet hatte, abspeicherte und schließlich an Chanyeol schickte. „Ich hatte nie darüber nachgedacht. Und die Entscheidung, welchen beruflichen Werdegang ich gehen werde, wurde nicht von mir allein getroffen."

Baekhyun beobachtete, wie Jongdae die Augen zusammenkniff und erneut zu überlegen schien. In Anbetracht der letzten Minuten, machte Baekhyun sich nicht mehr die Mühe darauf zu reagieren und entschied sich stattdessen, seine Sachen zusammen zu packen. Jongdae würde schon sprechen, wenn ihm eine neue Frage einfiel. Es würde auch keinen Sinn machen. Es waren knapp drei Monate vergangen, seit er diese Arbeitsstelle angenommen hatte und er Jongdae kannte und es dauerte nicht mal einen Monat, ehe er aufgehört hatte, den anderen Mann zu verstehen. Jongdae war auf so vielen Ebenen ein Mysterium für ihn.

Mit einem Blick auf die Uhr nahm Baekhyun seine Tasche und Jacke und stellte sich gegenüber von seinem Arbeitskollegen. Jongdae besah ihn immer noch mit einem Blick, erneut ohne ein Wort zu sagen. Baekhyun würde annehmen, dass Jongdae in seiner eigenen Welt verschwunden war. Seine Bewegungen und letztlich auch seine Augen, die Baekhyun genauestens beobachteten, verrieten, dass er noch immer versuchte irgendwas zu "analysieren". Baekhyun konnte sich nur überhaupt nicht vorstellen, was das sein mochte.

„Ich werde dann jetzt Feierabend machen", lachte Baekhyun nur mit einem Kopfschütteln. Jongdae verzog das Gesicht, nickte ihm dann jedoch zu und wand sich endlich wieder seiner Arbeit zu. Baekhyun beobachtete das mit einem amüsierten Blick, ehe er sich abwand und auf das Büro seines Freundes zusteuerte. Mit einem sanften Klopfen machte er sich bemerkbar. Sein Freund, welcher in diesem Moment telefonierte, deutete ihm mit einer Handbewegung an, herein zu kommen und hinter sich die Tür zu schließen.

Chanyeols Körper war angespannt und mit einer Stimme, die nur vor Selbstbewusstsein triefte, äußerte er immer wieder Argumente, deren Zusammenhang sich Baekhyun nicht erschließen ließ. Nicht, dass er sich anstrengen würde, irgendwelche Zusammenhänge zu verstehen. Während er darauf wartete, dass sein Freund das Telefonat beendete, schrieb er Kyungsoo eine Nachricht.

„Ich könnte ausrasten", stöhnte Chanyeol, nachdem er aufgelegt hatte und verzog das Gesicht. Es war erstaunlich. Die Persönlichkeit seines Freundes war eindeutig zwiegespalten. Chanyeol war zum einen Mr. Park. Ein erfolgreicher IT-Manager, der bereits mit 25 Jahren den Posten der Abteilungsleitung übernommen hatte und diesen seit nun fast vier Jahren ausübte. Er hatte ein ausgesprochen hohes Fachwissen, das ihm in seiner Stellung nur zugutekam. Mit seinem extrovertierten, dominanten und doch auch zugleich zwanglosen und sympathischen Auftreten hatte er schnell den Respekt und Anerkennung seiner Mitarbeiter erlangen können und gemeinsam konnte ein angenehmes Arbeitsklima hergestellt werden. Baekhyun bewunderte es. Chanyeol war perfekt für diesen Posten geeignet.
Doch dann gab es noch Yeol - wie er die andere Persönlichkeit seines Freundes genannt hatte. Es war das absolute Gegenteil dessen, was Chanyeol auf der Arbeit war. Es war Chanyeols wahres Ich, wie Baekhyun feststellte. Unsicher und ängstlich in so vielen Situationen. Er war fast schon hyperaktiv und besonders niedlich, wie Baekhyun fand. Chanyeol hingegen hasste es, wenn Baekhyun das erwähnte, was das ganze nur noch mehr untermalte.

„Was ist los?"
„Ich glaube es ist das dritte Mal in diesem Jahr, dass unser Chef mir mit der Kündigung droht?", seufzte Chanyeol, doch ein Lachen konnte er nicht unterdrücken. Verwundert entgegnete Baekhyun seinem Blick.
„Ah, keine Sorge. Das ist noch harmlos im Vergleich zu den letzten Jahren. Ich glaube sein Rekord lag in einem Jahr bei... acht Drohungen? Ich weiß es gar nicht mehr so genau. Manchmal ist er so drauf und dann auch sehr anstrengend. Aber sonst kommen wir gut zurecht und eigentlich mögen wir uns auch."

Baekhyun lachte. „Du bist unverbesserlich."
„Natürlich. Aber ich bin mir manchmal wirklich nicht sicher, ob er sich bewusst ist, dass er mir in den Momenten gerade droht. Ich weiß auch nicht, aber es gehört irgendwie schon dazu. Wahrscheinlich würde ich anfangen mir Sorgen zu machen, wenn er aufhört mir zu drohen."
„Sicher, dass du ihn nicht falsch verstehst? Ich fand ihn äußerst nett bisher und hatte noch nicht das Gefühl, dass er mir gegenüber angedeutet hätte, mich feuern zu wollen. Und wir wissen, dass meine ersten Wochen alles andere als gut verlaufen sind."
„Oh, stimmt! Dann sind wir doch schon bei mehr als drei Drohungen in diesem Jahr. Immerhin bin ich für dich verantwortlich."

Baekhyun verzog das Gesicht. Das hörte sich alles andere als gut an. Vor Allem war es nichts, was er gerne aus dem Mund seines Freundes hörte.
„Okay, zwei Sachen möchte ich klarstellen: erstens bin ich ein eigenständiger Mensch, Yeol. Nicht du bist für mich verantwortlich. Ich weiß, dass du das so auch gar nicht meinst, sondern eher aus dem Grund, weil du der Leiter dieser Abteilung bist und damit mein Vorgesetzter. Ich möchte nur, dass wir uns da nicht missverstehen. Wenn er also irgendwann ein tatsächliches Problem mit mir haben sollte, hoffe ich sehr, dass du ihn zu mir schickst und nicht versuchst das zu übernehmen. Und zweitens, hoffe ich doch sehr, dass du mir mit diesen Worten gerade keinen Raum für Interpretationen gelassen hast. Wenn sie sich auf deine Stellung hier in der Firma beziehen, in Ordnung. Aber wehe dir, du spielst gerade darauf an, dass ich dein Freund bin. Das würde dann sehr in die Richtung von einer Sonderbehandlung gehen."

„Es ist schwer dich genauso zu behandeln, wie die anderen. Und das werde ich auch nicht können-"
„Chanyeol!"
„Schon okay", lachte Chanyeol und hob beschwichtigend seine Hände. Mit einem Lächeln zog er Baekhyun zu sich heran. Baekhyun hob die Augenbrauen an und versuchte Chanyeol mit einem strengen Blick zu versehen, brach jedoch erneut in Lachen aus. „Ich liebe dich, Baekhyun. Ich werde dich immer anders behandeln als unsere Mitarbeiter. Aber du wirst daraus keine Vorteile erhalten. Du wirst nicht bevorzugt und du bekommst auch nicht mehr Möglichkeiten dadurch. Was die Arbeit und die Bedingungen angeht, ist alles gleich. Nur kannst du nicht verlangen, dass ich mich dir gegenüber genauso verhalte, wie ich mich ihnen gegenüber verhalte."
„Das ist das was ich hören wollte. Sonst könnte ich das hier nicht unbedacht machen. Und darauf will ich einfach nicht verzichten müssen." Baekhyun lächelte und zog Chanyeol für einen Kuss zu sich herunter, wobei er merken konnte, dass sein Freund zu grinsen begann.

„Du willst also gehen?"
Baekhyun nickte. „Kyungsoo wartet draußen schon auf mich. Vielleicht sollte ich ihn nicht zu lange warten lassen. Er wird immer so grummelig, wenn er warten muss."
Chanyeol lachte. „Lass ihn diese Worte nicht hören."
„Ach was", winkte Baekhyun ab und grinste. „Sehen wir uns dann nachher?"
Chanyeol nickte, woraufhin Baekhyun wieder anfing zu lächeln und sich schließlich mit einem letzten Kuss von seinem Freund verabschiedete.

Kyungsoo wartete bereits in seinem Auto, als Baekhyun das Gebäude verließ. Gemeinsam würden sie in die Wohnung von Baekhyun fahren und wie zu ihrer Teenagerzeit zusammen kochen. Kyungsoo liebte es sowieso zu kochen und Baekhyun lernte gerne von ihm. Am Abend würden Chanyeol und Junmyeon zu ihnen stoßen.
Baekhyun erinnerte sich an die eingeschnappten Gesichter von Sehun und Jongin, als sie von ihrem Plan erfuhren und realisierten, dass sie nicht eingeladen wurden. Sehun hatte nur gegrummelt, wie unverschämt es ihnen gegenüber sei, dass die vier Jungs daraus ein Doppeldate machen konnten und sie damit auf fairen Wegen ausgeschlossen werden konnten. Baekhyuns Worte, sie können ja auch eine Beziehung eingehen, hatte die Situation vielleicht nicht verbessert, aber zu gerne erinnerte er sich an die Gesichter seiner Freunde. Mit etwas mehr Verständnis ihnen gegenüber hatte er angeboten, sie können sich gerne dazu gesellen, was den zwei jungen Männern auch wieder nicht recht gewesen war.



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#Update: 07. Januar 2023

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