Kapitel 30. 'Ein Schritt von vielen weiteren'

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Geschichte. 'Mr. Park~'

Kapitel 30. 'Ein Schritt von vielen weiteren'



17. Februar 2021 - Mittwoch

Und inmitten all der Schönheit, das, was Baekhyun erwartet und vor dem er sich gefürchtet hatte: Kyungsoos starrer Körper, mit vor Schreck geweiteten Augen und einem Ausdruck, der förmlich den absoluten Horror widerspiegelte. Der Mann war in seiner Bewegung vollkommen festgefroren, er bewegte sich nicht einen Zentimeter mehr. Baekhyun legte den Kopf schief und beobachtete seinen besten Freund aufs Genauste. Atmete er überhaupt noch? Baekhyun war sich nicht sicher.

Die Zeit um sie herum schien vollkommen stehengeblieben zu sein, während Baekhyun allein nicht zum Stillstand kam. Nicht, dass es tatsächlich der Fall wäre. Wenn er genau darauf achtete, konnte er sehen, wie sich die Blütenblätter der Blumen ganz eben bewegten. Vermutlich durch einen leichten Luftzug im Raum. Kyungsoo allein war es, der ihm das Gefühl gab, in einer eingefrorenen Zeit zu wandeln.

Es gefiel ihm nicht. Und obwohl er es erwartet hatte, glaubte er, nicht darauf vorbereitet zu sein. Zumal bedacht werden müsste, dass die letzten Tage und sogar die letzten Minuten nichts darauf hingewiesen hatten, dass diese Situation doch noch eintreffen würden. War es anders als sonst? War es schlimmer? Ernster? Baekhyun bekam das ungute Gefühl, dass der Tag nichts Gutes Versprechen vermochte, trotz dessen einer der wundervollsten Tage geplant war. Oh nein, das würde nicht gut enden, wenn es so weiterlief. Dann gab es keinen Ausweg mehr, der es wieder zum Guten wenden würde. Denn was gäbe es schon für Möglichkeiten? Es würde grausam werden und das wurde Baekhyun in diesem Moment schlagartig bewusst.

„Kyungsoo."
Die Augen des Angesprochenen weiteten sich noch ein Stück mehr, offenbarten noch einen größeren Ausbruch von Panik. In schnellen, unkontrollierten Bewegungen huschte der Blick seines besten Freundes durch den Raum, als würden sie versuchen, jedes Detail in sich aufzunehmen, schienen jedoch bereits daran zu versagen, überhaupt etwas tatsächlich zu fixieren. Zuletzt fiel der Blick auf Baekhyun und verfestigte sich. Mit einem intensiven Blick, der Baekhyun ein unbehagliches Gefühl übermittelte, fokussierte Kyungsoo ihn. Sekunden vergingen, in ein und derselben Position, erneut kam alles zum Stillstand. Selbst Baekhyun wagte sich nicht mehr, sich zu bewegen. Der Blick seines besten Freundes verschlimmerte sich um noch eine weitere Stufe, die weit über die Panik hinausging und Baekhyun konnte die Heidenangst seines besten Freundes in jenem Moment spüren, so intensiv wirkte die Situation auf ihn.

Baekhyun versuchte es zu ignorieren, versuchte die Fassung zu wahren und mit aller Kraft kämpfte er gegen seinen inneren Drang, Kyungsoo am Handgelenk zu packen und ihn aus dem Raum zu schleifen, an. Doch der intensive Blick, die steigende Angst und die Gefühle, die selbst einen Weg zu Baekhyun fanden, erschwerten es ihm. Baekhyun wusste, was zu tun war. Er wusste es, weil sie es so oft bereits durchlebt hatten. Er wusste es, weil sie es schon so oft durchgesprochen hatten. Er wusste es, weil er seinen besten Freund kannte und bisher immer die richtige Entscheidung treffen konnte.
Klar und deutlich konnte Baekhyun erneut die Worte hören, die gefallen waren, die Planungen, wie sie alle zu reagieren und zu handeln hatten, all ihre Überlegungen und all ihre Abmachungen kamen ihm wieder in den Sinn. Sie alle kannte Kyungsoo gut genug, um darüber im Vorfeld bereits zu sprechen und Reaktionen zu planen. Baekhyun sollte vorbereitet sein.

Nur war er sich in eben jenem Moment selbst nicht einmal mehr sicher, was die richtige Entscheidung wäre. Bei dem Anblick, wenn er seinen besten Freund so sah, wie in jenem Augenblick, dann konnte er nicht wissen, was das Richtige war. Viel mehr überkam ihn das Gefühl, seinen besten Freund zwingen zu müssen und das konnte nicht richtig sein. Sie hatten es besprochen, doch in jenem Moment wirkten all ihre Gespräche so falsch.
„Baekhyun?" Kyungsoo war es, der es zuerst schaffte, aus der Starre zu erwachen, sein Blick brannte sich weiterhin in den von Baekhyun. Deutlich war zu hören, dass seine Stimme gezittert hatte und die immer weiter ausbreitende Panik in ihm sorgte bereits dafür, dass er schlechter Luft bekam. Wenn dieser Zustand das Resultat war, wie konnte es richtig sein?

Baekhyun seufzte und trat auf seinen besten Freund zu, nur um ihn im nächsten Moment in seine Arme zu ziehen. Kyungsoo griff nach seinem Arm und krallte sich so fest daran, sodass Baekhyun bereits die Fingernägel durch den Stoff spüren konnte. „Hilf mir", flüsterte die leise Stimme, so voller Angst, dass ein Stich durch Baekhyuns Brust fuhr. Er presste die Lippen aufeinander, während er seinen besten Freund vorsichtig von sich löste. Das war zu viel. Viel zu viel für ihn allein. Er schaffte es nicht.

Warum war er allein? Wieso war niemand da, um ihn dabei zu unterstützen? Hatten sie denn wirklich alle gedacht, dass Baekhyun das allein durchstehen würde? Dass er allein dazu in der Lage war? Dass Baekhyun allein die Kraft hatte, Kyungsoo zu begleiten?
Kyungsoo war sein bester Freund. Die wichtigste Person in seinem Leben. Kyungsoo war alles für ihn. Allesamt hätten es besser wissen müssen...
Baekhyun würde immer Kyungsoo wählen. Baekhyun würde immer zu Kyungsoo stehen. Baekhyun würde immer schwach bei Kyungsoo werden.
Wenn es um Kyungsoo ging, würde Baekhyun niemals klar denken können und niemals richtig entscheiden können. Kyungsoo musste ihn nur anblicken, mit eben diesem Blick und Baekhyun würde alles für ihn tun, in der Hoffnung, Kyungsoo zu seinem Glück zu verhelfen, mit dem Gedanken, die für Kyungsoo richtige Entscheidung zu treffen.
Sie hätten es ahnen müssen. Sie hätten es wissen müssen! Das war keine Aufgabe, die Baekhyun bewältigen konnte. Es war eine Aufgabe, die einen Einsatz verlangte, für den Baekhyun nicht bereit und nicht imstande war.

Es war falsch und entgegen seinen Hoffnungen und Kyungsoos Aussagen würden alles andere sein, als der Weg zu Kyungsoos Glück. Es war geradewegs der Weg in Kyungsoos verderben. Baekhyun würde nicht wollen, dass Kyungsoo verletzt wird, würde nicht wollen, dass Kyungsoo leiden müsse und doch, weil er in diesem Moment, bei diesem Anblick nicht klar denken konnte, dazu beitragen, dass sein bester Freund zu leiden hatte. Es würde die Welt des anderen zerstören und dazu war Baekhyun bereit. Weil er nicht mehr das Ganze sah. Baekhyun sah den Schmerz nicht, der kommen würde. Er sah nur die grausame Angst in jenem Moment und vergaß alles, was wichtig war.

„In Ordnung", entgegnete er schließlich. Mit einem letzten prüfenden Blick, als würde er sichergehen wollen, dass es wirklich Kyungsoos Wunsch war, besah er seinen besten Freund und nickte dann. „Okay, ja."
Damit war seine Entscheidung gefallen. Er griff nach der Hand seines besten Freundes und zog ihn hinter sich her aus dem Raum. Sie ignorierten alles um sie herum, bis sie schließlich den Parkplatz erreichten. Kyungsoo holte hörbar tief Luft und mit einem letzten Blick nach hinten stiegen sie in Baekhyuns Auto ein.

„Ich konnte mir denken, dass ihr genau das macht", ertönte zugleich eine Stimme hinter ihnen und erschrocken, wenn nicht sogar ertappt, zuckten die beiden jungen Männer zusammen.
„Junmyeon!"
„Ehrlich gesagt, hatte ich nur etwas früher damit gerechnet. Ich warte bestimmt schon seit einer halben Stunde hier und Sehun ist auch schon langsam wütend, dass ich hier die ganze Zeit nur sitze, statt mich fertig zu machen. Aber ich wusste, dass es keinen Sinn haben würde, da drin zu stehen, wenn ich genau wusste, dass diese Situation eintreten würde."
„Was machst du hier?", keuchte Kyungsoo. Der Schreck war ihm deutlich abzulesen. Baekhyun war sich nur nicht sicher, ob der Schreck mehr daher rührte, dass Junmyeon plötzlich und unerwartet in diesem Auto saß, oder daher, dass Junmyeon sie dabei erwischt hatte, wie sie gemeinsam in dieses Auto gestiegen sind.

Junmyeon lachte und beugte sich weiter nach vorne. „Na was wohl? Ich versuche dich davon abzuhalten, von deiner eigenen Hochzeit zu verschwinden. Und solltest du das wirklich durchziehen wollen, dann verschwinde ich mit dir zusammen."
„Du bleibst?"
„Natürlich. Wenn du jetzt nicht mehr mit mir zusammen darein möchtest, in Ordnung, dann musst du das auch nicht. Das habe ich dir immer wieder gesagt. Ich werde dich nicht dazu drängen, mich heute oder jemals zu heiraten. Aber ich werde dich nicht einfach gehen lassen. Dafür liebe ich dich zu sehr. Ich bleibe an deiner Seite, egal wie du dich jetzt entscheiden solltest. Mir ist es nicht wichtig, dass wir heiraten. Mir ist nur wichtig, dich an meiner Seite zu haben. Egal, ob als mein Freund, mein Verlobter oder als mein Ehemann. Also ja, ich bleibe! Meinetwegen sag die Hochzeit ab. Ich werde dich nicht davon abhalten. Lass die Leute da drin zurück und zusehen, wie sie das ohne uns in Ordnung bringen. Solltest du mich aber ganz verlassen wollen, dann wirst du es weitaus schwieriger haben. Denn so einfach wirst du mich nicht los."

Baekhyun hatte bereits nach der Hälfte der Worte angefangen fürchterlich zu weinen, Kyungsoo hingegen entspannte sich sichtlich, je länger Junmyeon sprach.
„Ich wusste, dass Baekhyun dich nicht davon abhalten könnte, wenn du Panik bekommen solltest. Wir alle wussten das. Baekhyun ist nicht der Typ für solche Aufgaben. Davon abgesehen war uns klar, dass auch kein anderer einen Einfluss auf dich haben würde. Nicht einmal ich. Aber das ist in Ordnung. Ich kenne dich Kyungsoo und genauso liebe ich dich. Also habe ich darauf vertraut, dass ihr genau diese Entscheidung treffen würdet und hier gewartet, um die Entscheidung mit dir gemeinsam zu treffen. Ich weiß nicht, ob du wirklich Panik hast und dich plötzlich wirklich dazu entschieden hast, doch nicht mehr zu heiraten, oder ob es deine normale Reaktion auf deine Gefühle ist, wie es in den letzten Monaten immer wieder der Fall gewesen war. Wir können zusammen wieder da rein gehen und heiraten oder Baekhyun startet das Auto und wir verschwinden. Was auch immer es von dem beiden ist, wir machen das zusammen. Ich lasse dich nicht allein gehen. Egal, ob verheiratet oder nicht, ich bleibe an deiner Seite und ich werde dich immer lieben."

„Baek", murmelte Kyungsoo, wand den Blick jedoch nicht von Junmyeon ab, „Lässt du uns allein?"
Unfähig zu sprechen, so gerührt war Baekhyun von den Worten Junmyeons, nickte er nur. Ein ungutes Gefühl überkam ihn für einen Moment, doch das Lächeln auf Kyungsoo Lippen erstickte es sofort im Keim. Das Lächeln, während er Junmyeon betrachtete.

Er stieg aus dem Wagen aus und holte tief Luft, doch die Tränen hörten nicht auf, über seine Wangen zu laufen. Baekhyun ignorierte es, während er zurück in das Gebäude lief. Letztlich hatte er es nicht einmal bis zur Eingangstür geschafft, als ihm Sehun und Jongin panisch entgegenrannten. Sie mussten mitbekommen haben, dass Baekhyun und Kyungsoo verschwunden waren. Erstaunt hielten sie in ihrer Bewegung inne, sobald sie ihn erblickten und ein fassungsloser Blick legte sich auf ihre Gesichter. Baekhyun seufzte und mied den direkten Augenkontakt mit ihnen, um den anklagenden Ausdrücken ihrerseits auszuweichen.




Die Trauung war wundervoll gewesen und Baekhyun hatte zum erneuten Male an diesem Tag die Tränen in seinen Augen gespürt. Kyungsoo wirkte sichtlich entspannter und zugegeben, Baekhyun hatte seinen besten Freund noch nie so glücklich gesehen, wie in jenem Moment, wo Kyungsoo und Junmyeon sich das Ja-Wort gaben. Baekhyun wusste, es war richtig. Das allein war es, was Kyungsoo so derart glücklich machen konnte und das allein war es, was Kyungsoo zu einer Ruhe brachte, so sehr, dass es ungewöhnlich war. Es war richtig und führte dazu, dass Baekhyun es nicht mehr schaffte, auch nur einen seiner Freunde ins Gesicht zu blicken. Sie alle wussten, was er gemacht hatte. Sein schlechtes Gewissen ließ ihn nicht mehr los und nur Sekunden nachdem sie das Standesamt verlassen hatten, war er spurlos für sie verschwunden. Baekhyun war bereit gewesen dieses Glück zu zerstören und diese Hochzeit zu verhindern. Er fühlte sich nicht nur grausam, sondern wie der schlechteste beste Freund auf dieser Erde. Kyungsoo hatte immer und immer wieder gezeigt, wie sehr er für Baekhyun da war und welchen Wert Baekhyun in seinem Leben besaß, während Baekhyun selbst es nicht schaffte, für ihn da zu sein oder auch nur ihm beizustehen. Nein, Baekhyun wagte es nicht, seinem besten Freund gegenüberzustehen.

Seufzend wich Baekhyun den Gästen aus, die ebenfalls einen Weg auf die Terrasse gefunden hatten, auf der er Schutz vor den strafenden Blicken oder den Gesprächen seiner Freunde gesucht hatte. Zu mindestens einige Minuten hatte er sich erhofft, die er in vollkommener "Einsamkeit" verbringen konnte und in denen er Zeit finden konnte, sich über sein Missgeschick Gedanken zu machen. Baekhyun wollte darüber nachdenken, wie er Kyungsoo gegenüber zeigen konnte, dass es ihm leidtat und dass er einen Wert in Kyungsoo sah, der nicht mehr messbar war.
Mit Blick auf Sehun, der ihn in jenem Moment fast zu sehen schien, stolperte Baekhyun zur Seite und landete in die Arme einer großen Person und es verlangte ihm keine Anstrengung, um zu wissen, dass es sich dabei um niemand geringeren als Chanyeol handelte.

„Hier bist du", flüsterte der größere und grinste wissend. „Ich glaube mir sicher sein zu können, dass du dich nicht vor mir versteckst. Zu mindestens nicht ausschließlich vor mir, sondern mehr vor uns allen."
Baekhyun verzog das Gesicht. „Du kennst mich inzwischen viel zu gut. Vor gut drei Monaten wäre es dir nicht mal aufgefallen."
Chanyeol lachte auf, ehe er ihm einen Kuss auf den Mund drückte. „Wir kennen uns seit fast zwei Jahren, wir sind seit einem Jahr zusammen und seit wir endlich in derselben Stadt wohnen, leben wir schon fast zusammen. Ich bin ja der Meinung, dass ich dich dafür immer noch nicht gut genug kenne und ich kann immer noch jeden Tag etwas an dir finden, was mir bis dahin noch nicht bekannt war. Aber ja, ich weiß, was dich beschäftigt und worüber du dir deinen schönen Kopf zerbrichst."
„Unfair."
„Unfair wäre es nur, wenn ich dich damit allein lassen würde."

Baekhyun verzog sein Gesicht noch weiter und drückte seine Finger in die Seite von Chanyeol, wohlwissend, dass dieser zusammenzucken und den Griff um ihn lockern würde. Eine Möglichkeit, sodass Baekhyun aus seinen Armen schlüpfen konnte.
„Ich habe mir über nichts Gedanken gemacht. Ich wollte nur kurz ein wenig Ruhe allein haben", sprach er dann mit fester Stimme aus, die vermutlich die meisten überzeugt hätte (dabei ignorierend, dass er im Grund schon zuvor zugeben hatte, dass Chanyeol Recht hatte).
Chanyeol hob anklagend die Augenbrauen. Ihn überzeugte Baekhyun inzwischen nicht mehr so leicht – es kam noch vor, aber deutlich seltener als zu Anfang ihrer Beziehung.
Um sie herum versammelten sich immer mehr Gäste, es wurde lauter und Baekhyun erkannte seine Freunde, nicht weit entfernt von ihnen. Und sie sahen zu Baekhyun.

„Keiner verurteilt dich, Baek."
„Weiß ich doch. Das weiß ich wirklich. Aber ich hasse es trotzdem, dass ich bereit dazu war."
„Du warst bereit, alles für deinen besten Freund zu tun. Das ist das einzig wichtige dabei. Du wolltest für ihn da sein und wenn bei unserer Hochzeit Kyungsoo so handeln würde wie du, wäre ich dankbar, dass du einen solchen besten Freund hast, der für dich da ist, sich um dich kümmert und versucht, dass du dein Glück findest – Aber dich würd ich hassen, wenn du es ernst meinen solltest und es nicht nur Panik ist."

Fassungslos schüttelte Baekhyun mit dem Kopf, lachte auf und schubste seinen Freund noch weiter von sich weg. „Auf keinen Fall!"
„Nein?"
Baekhyun grinste. „Danke für die Aufmunterung und dass du mir immer wieder zeigst, dass ich auf dich zählen kann, aber nein, Yeol, ich heirate dich nicht." Baekhyun streckte Chanyeol die Zunge entgegen, der nur unzufrieden die Mundwinkel nach unten zog.
„Das klang sehr endgültig."
„Nicht zwangsläufig endgültig. Aber eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt, noch der richtige Ort oder Tag dafür. Wir sind hier immerhin auf der Hochzeit meines besten Freundes und es ist noch viel zu früh, um sich über eine mögliche Heirat Gedanken zu machen."
„Dabei war das nicht mal als ein Antrag gedacht gewesen."
„Ich weiß, Aber ich kenne dich inzwischen genauso gut, wie du mich und ich weiß, dass du nicht weit entfernt davon bist, mir tatsächlich einen Antrag zu machen. Also nein, ich heirate dich nicht. So weit sind wir noch nicht."
„Okay, dann verspreche ich dir, dass ich dich in der nächsten Zeit nicht danach fragen werde, ob du mein Mann werden möchtest. Aber, wenn du mir in der nächsten Zeit einen machen solltest, kann ich nicht versprechen, dass ich so standhaft bin, wie du", lachte der größere, was Baekhyun nur mit einem Augenrollen kommentierte.
„Wir sollten nicht weiter über einen Mögliche Hochzeit von uns beiden sprechen. Ich freue mich sicherlich, dass richtig zu thematisieren, wenn wir so weit sind, aber du bist mir zu wichtig, um das zu überstürzen und Kyungsoo ist mir zu wichtig, um da heute drüber zu sprechen."

Baekhyun merkte, wie aufgeregt er wurde, wenn er darüber nachdachte, Chanyeol irgendwann zu heiraten. Es war ein wohliges Kribbeln, dass seinen Körper überzog und seinen Puls merkbar anstiegen ließ. Das Ganze war kein Gedanke, den er nicht schon zuvor gehabt hätte und es war auch keine Vorstellung, die er verabscheuen würde. Baekhyun war geradezu verliebt in den Gedanken, mit Chanyeol verheiratet zu sein. Eben das war es auch, was es ihm verbot zu dem jetzigen Zeitpunkt schon ernsthaft darüber nachzudenken. So schön die Fantasie daran auch sein mochte, sie war es nicht Wert, sich mit ihr weiter zu befassen. Baekhyun wusste, dass sie nach fast einem Jahr immer noch irgendwo in der Kennlernphase steckten und ebenso, dass er noch blind von ihrer derzeitigen Liebe zueinander war. Sie beide. Ein Jahr Beziehung war nicht ausreichend, um über einen solch gewaltigen und wichtigen Schritt nachzudenken – besonders, wenn sie sich, im Gegensatz zu Kyungsoo und Junmyeon, auch noch nicht so lange kannten und sich noch aufeinander einstellen mussten. Baekhyun wusste, wenn sich in der kommenden Zeit nichts für sie zum Negativen ändern würde und ihre Beziehung diese Stabilität weiterhin aufrecht erhalten könnte, würde nichts dagegen sprechen. Er wäre nicht mal in der Lage dazu, es zu verweigern. Doch sie hatten gerade erst eine Stabilität entwickelt, die in ihrer Freundschaft zuvor fast vollständig gefehlt hatte und die sich erst mit Baekhyuns Umzug zurück in diese Stadt anfing, sich aufzubauen.

Letztlich war es kein Gedanke, der es zu dem jetzigen Moment wert war, aber ein Gedanke, der nicht vollkommen verworfen werden würde. Für heute würde er jedoch wieder weit in den Hintergrund geschoben werden. Heute standen Kyungsoo und Junmyeon im Mittelpunkt und jetzt, nachdem Chanyeol es erfolgreich geschafft hatte, Baekhyun aus seinem verzichtbaren, exzessiven Selbstvorwurf zu ziehen, sollte sie auch endlich mit ihnen zusammen diesen besonderen Tag feiern.

Eindeutig entspannter und wieder vollauf glücklich, forderte Baekhyun noch einen Kuss von seinem Freund ein, ehe sie sich auf den Weg zu dem frischvermählten Ehepaar und den restlichen ihrer Freunde machten.






01. März 2021 - Montag

„Chanyeol?"

Es war bereits dunkel draußen, während Baekhyun in der Küche seines Freundes stand und mit leisen Worten, ohne eine Antwort zu erwarten, nach seinem Freund rief. Die Arbeit war anstrengender als sonst gewesen, sodass Baekhyun am späten Nachmittag aufs Sofa gefallen war und innerhalb weniger Sekunden in einen tiefen Schlaf gerissen wurde. Sein Körper verriet ihm, dass die Couch nicht gerade der beste Ort war, um einzuschlafen. Baekhyun hatte auch nicht geplant, den Nachmittag zu verpennen. Viel mehr hatte er gehofft, seinen restlichen Tag noch mit Chanyeol zu verbringen und eventuell gemeinsam mit ihm, Yixing und Zitao gegen Abend essen zu gehen; vorausgesetzt, bei den beiden Chinesen hätte es zeitlich gepasst.
Mittlerweile war es zu spät und der Plan damit hinfällig. Es war ärgerlich und Baekhyun konnte nur hoffen, dass sie die Tage noch ein weiteres Treffen vereinbaren könnten, ehe die beiden Männer die Stadt vorerst wieder verlassen würden. Wenn alles gut verlaufen würde, dauerte es nicht mehr lange, ehe auch sie in dieser Stadt leben würden und sie sich endlich wieder regelmäßig sehen könnten. Nichtsdestotrotz lagen im Moment noch einige Stunden zwischen ihnen, die ein Treffen erschwerten. Baekhyun erinnerte sich noch gut daran, wie es ihm zuvor selbst mit seinen restlichen Freunden und Chanyeol betroffen hatte. Sein Umzug zurück in diese Stadt hatte ihm zwar seine Freunde wieder nähergebracht und im Besonderen hatte sie einen sehr großen, positiven Einfluss auf die Beziehung mit Chanyeol gehabt, immerhin hatten sie all ihre Probleme endlich hinter sich lassen können. In derselben Stadt wie Chanyeol zu leben zeigte, wie sehr die Ferne und nur die Möglichkeit miteinander zu telefonieren, ihre Beziehung beeinträchtigt hatte und wie all das dazu geführt hatte, dass sie ständig mit irgendwelchen Konflikten zwischen ihnen zu kämpfen hatten. All das war vorbei und in den letzten Monaten hatte es keine relevanten Streitigkeiten mehr zwischen ihnen gegeben. Dennoch hatte der Umzug neben all diesen positiven Effekten einen kleinen Nachteil mit sich gebracht: Baekhyun konnte Yixing und Zitao nicht mehr jeden Tag sehen, die ihre Ausbildung nicht in verkürzter Zeit beendet hatten. Sie waren wirklich gute Freunde geworden und es war schade, dass die Entfernung nun zu ihnen bestand.

Es ärgerte ihn, dass er eingeschlafen war und vermutlich daher kein Treffen an diesem Abend stattfinden konnte, denn wenn sein Blick durch das Fenster ging, merkte er, wie lange er tatsächlich geschlafen hatte. Doch Baekhyun hatte nicht lange Zeit sich darüber Gedanken zu machen, sodass der Gedanke an Yixing und Zitao vorerst in den Hintergrund rückte. Die Abwesenheit seines Freundes war offensichtlich. Nach der Arbeit waren sie gemeinsam zu Chanyeols Wohnung gefahren. Schwach konnte Baekhyun sich daran erinnern, wie sein Freund in das Schlafzimmer verschwunden war, um sich umzuziehen, während er selbst auf dem Sofa Platz nahm. Kurz darauf war er bereits eingeschlafen und als er wieder wach wurde, dauerte es einige Minuten, bevor er seine Orientierung zurückerlangte und verstand, dass er ohne Weiteres eingeschlafen war. Je mehr Zeit verging, in denen er sich über sich selbst ärgerte und zugleich versuchte seine Erschöpfung loszuwerden, desto mehr wunderte er sich, dass er Chanyeol weder in seiner Nähe sah noch gar ein Geräusch aus der Wohnung wahrnahm. Baekhyun hatte direkt gewusst, dass sein Freund nicht mehr da war. Dennoch war er alle Zimmer abgelaufen und endete in der Küche, um sich sicher zu gehen, doch wie zu erwarten, Chanyeol war nirgends aufzufinden gewesen.

Baekhyun überlegte, ob er seinen Freund anrufen sollte, um zu fragen, wo er war, entschied sich jedoch dagegen. Vielleicht war Chanyeol noch mal schnell zum Laden gefahren, vielleicht hatte er sich auch mit seinen Freunden getroffen und wollte Baekhyun nicht wecken. Es war nicht das erste Mal, dass Baekhyun in einer leeren Wohnung wach wurde. Sie hatten sich so aneinander gewöhnt, dass sie auch alleine in der Wohnung des jeweils anderen Zeit verbrachten und wunderten sich auch nicht, wenn sie nach Hause kamen und den anderen in ihrer Wohnung vorfanden. Es war in Ordnung für sie, wenn sie ohne Bescheid zu sagen, auftauchten, genauso, wenn sie verschwanden. Sie schrieben einander noch, oder sagten zuvor Bescheid, doch nicht mehr in jedem Fall. Letztlich war Baekhyun sich sicher, dass es sowieso nicht mehr lange dauern sollte, ehe Chanyeol wieder nach Hause kommen würde. Um sich dennoch sicher gehen zu können, schrieb er dem Älteren eine kurze Nachricht. Erstaunlicherweise dauerte es nicht einmal lange, bis er eine Antwort erhielt, in der Chanyeol ihm seinen Gedanken bestätigte. Damit zufrieden, begab Baekhyun sich wieder in das kleine Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein.

„Baek!"
„Oh Gott!", japste Baekhyun erschrocken und zuckte sichtlich dabei zusammen.
Schwungvoll drehte er sich herum und starrte Chanyeol finster an. Er hatte es nicht einmal geschafft, sich auf die Couch zu setzen. „Du hättest auch direkt schreiben können, dass du schon vor der Tür stehst und nur noch reinkommen musst. Ach was, du hättest nicht mal mehr schreiben müssen."
„Huch, ich hatte nicht vor dich zu erschrecken." Chanyeol lachte auf und trat an Baekhyun heran. Mit einem liebevollen Lächeln auf dem Gesicht stellte er sich vor den kleineren.
„Yixing und Zitao hatten vorhin angerufen und für heute abgesagt. Irgendwas passte nicht in ihrem Zeitplan und Yixing will sich noch mal melden, damit ihr einen neuen Tag ausmachen könnt. Ich dachte, dann lass ich dich lieber weiterschlafen. Du sahst so friedlich aus und ich hatte das Gefühl, du brauchst das gerade."
„Okay und wo bist du gerade gewesen?"
Chanyeol Lächeln wurde breiter. „Bei Jongdae. Hab mit ihm was privates besprechen müssen."
Misstrauisch zog Baekhyun seinen Augenbrauen zusammen und betrachtete seinen Freund genau. Chanyeol wirkte nervös und verhielt sich merkwürdig, auch wenn seine Worte sicher geklungen haben. Nachdem er dieses Verhalten so oft mit Sorge betrachtet hatte, lernte er, dass seine Sorge unberechtigt war. Inzwischen wusste er, dass Chanyeol irgendwas geplant hatte.
„Was ist hier los?"

Chanyeol verzog sein Gesicht, wissend, dass er bereits aufgeflogen war. „Wir haben unseren Jahrestag vergessen. Mehr oder weniger."
„Mehr oder weniger?" Baekhyun lachte und betrachtete Chanyeol fragend, immer noch nicht ganz sicher, ob er wirklich wissen wollte, was Chanyeol vorhatte. Besonders, nachdem, der Ältere nun ihren Jahrestag angesprochen hat, den Baekhyun zugegebenerweise tatsächlich vergessen hatte.
„Na ja... irgendwie sind wie jetzt seit einem Jahr zusammen, aber unseren Jahrestag können wir nur alle vier Jahre feiern."
„Du verwirrst mich."
„Weißt du etwa nicht, wann wir zusammengekommen sind?"
„Natürlich weiß ich das, aber das meine ich damit auch nicht. Ich meine dein Verhalten. Was hast du vor?"

Baekhyun fing an zu grinsen, während er Chanyeol weiter beobachtete. Er liebte genau das hier und er liebte Chanyeol genauso, wie er war. Diese ersichtliche Unruhe, wenn er aufgeregt war und sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, von dem er nicht wusste, wie Baekhyun dazu stand und zugleich die Vorfreude, die sich immerzu in seinen Augen wiederfinden ließ und es ihm erschwerte, böse auf seinen Freund sein zu können. Er liebte es, wie Chanyeols Verhalten ihn verwirrte und damit einhergehend eine Neugier weckte.
„Ich würde vorschlagen, dass wir uns hinsetzen und du mir sagst, was dein Anliegen ist, bevor du wieder anfängst zusammenhanglose Dinge in den Raum zu werfen. Aus Erfahrung wissen wir beide, dass es nur dazu führt, dass wir am Ende beide irritiert sind."
Chanyeol lachte auf und setzte sich gemeinsam mit Baekhyun auf das Sofa. Sein Blick wurde weich und doch konnte der kleinere weiterhin eine Spur von Unruhe in den Augen seines Freundes erkennen. Baekhyun wusste noch nicht, was es war, aber er konnte jetzt schon merken, dass Chanyeol irgendeine Idee bekommen hat und unsicher vor Baekhyuns Reaktion war. Zugegeben, Baekhyun wusste selbst nie, ob er wirklich wissen wollte, was Chanyeols Ideen waren. Teilweise konnte Chanyeol auf die verrücktesten Ideen kommen und er war sicherlich nicht jedes Mal begeistert gewesen. Ungern erinnerte es ihn an das eine Mal, wie Chanyeol unbedingt Nacktbaden wollte, in einem See, denn sie zuvor erst entdeckt hatten und Baekhyun am Ende Blutegel an Stellen seines Körpers hatte, an denen er sie lieber nicht gehabt hätte – und das war noch eine harmlose Idee Chanyeols. Nein, es gab Ideen, denen war Baekhyun eher abgeneigt gegenüber.

„Ich weiß, dass du einen Heiratsantrag verfrüht findest. Wir hatten das Thema immerhin erst neulich-"
„Yeol?"
„Keine Sorge, Baek", lache Chanyeol und griff nach seinen Händen. „Ich finde es auch zu früh und ich liebe es, wie es gerade zwischen uns ich. Es ist perfekt und noch will ich nichts daran verändern. Nichts, was ein solch gewaltiger Schritt wäre. Seit du hier in der Stadt wohnst sind all unsere Probleme auf ein Minimum gesunken und es zeigt, wie sehr unsere Beziehung, egal ob als Freunde oder jetzt als Paar, darunter zu leiden hatte, dass wir nur miteinander telefoniert haben. Wir kennen uns seit knapp zwei Jahren, wir sind seit einem Jahr zusammen. Ich möchte auch nichts überstürzen, weil ich viel zu viel Angst davor habe, dich dadurch stattdessen zu verlieren."
„Ich liebe dich auch."
Chanyeol verdrehte die Augen, doch sein Lächeln wurde so breit, wie Baekhyun es liebte. Es war das Lächeln, dass immer auf Chanyeols Gesicht auftauchte, wenn er Baekhyun ansah.
„Wirklich Baekhyun, ich verstehe absolut, dass wir unsere Beziehung in kleinen Schritten gehen. Wir lernen uns immer noch kenne und sind noch weit davor entfernt, an etwas wie Hochzeit zu denken. Aber ich würde gerne dennoch den nächsten Schritt wagen und endlich offiziell mit dir zusammenwohnen. Es wäre kaum eine Veränderung zu jetzt. Wir verbringen sowieso schon jeden Tag zusammen, ob nun in meiner oder in deiner Wohnung. Nur könnten wir uns etwas suchen, wo wir etwas mehr Platz haben."

„Idiot."

Und da war es wieder. Das eine Wort, dass Baekhyun immer wieder für Chanyeol nutzte und welches immer eine besondere Bedeutung hatte, sodass sie beide immer wussten, was Baekhyun tatsächlich damit aussagen wollte.
Ja, denn Baekhyuns Antwort war damit eindeutig, dass er gerne mit Chanyeol zusammenziehen wollte. Es war der nächste Schritt von noch so vielen weiteren Schritten ihrer Beziehung. Und er freute sich darauf, sie langsam mit Chanyeol gemeinsam zu bewältigen.

Dein Idiot."



...ende!...




#Wörter: 4745 (gesamt: 106 553)
#Update: 25. Februar 2023
#Kommentar:
Wir sind am Ende angekommen! Das war das letzte Kapitel dieser Geschichte.
Ich bin unglaublich traurig darüber, dass es vorbei ist und doch freue ich mich unglaublich sehr, dass ich es geschafft habe, diese Geschichte nach fast vier Jahren zu beenden.

Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich an alle Leser bedanken, die diese Geschichte über diese ganze Zeit hinweg verfolgt haben, die die immer wieder unglaublich geduldig auf Kapitel gewartet haben und alle, die im laufe der Zeit erst dazugekommen sind.
Ich hoffe wirklich sehr, dass euch diese Geschichte gefallen hat.
Ein großer Dank geht auch an alle raus, die mir immer wieder Rückmeldung zu dieser Geschichte geschrieben haben. Das hat mich unglaublich motiviert und immer wieder aufs neue so unglaublich glücklich gemacht!
Vielen Dank also, dass ihr dabei gewesen seid.

Ich wünsche euch alles alles gute und hoffe, dass man sich irgendwo noch mal wiedersieht :D
Bis dahin
Liebe Grüße Jana <3

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