Kapitel 29. '(bester) Freund' - Bonuskapitel

4 1 0
                                    

Geschichte. 'Mr. Park~'

Kapitel 29. ' (bester) Freund'



Bonuskapitel: Kyungsoo


Kyungsoo verbrachte seine Zeit am liebsten mit Baekhyun. Sie kannten sich, seit sie zusammen in den Kindergarten gegangen waren und es hatte ihnen beiden nicht sonderlich viel Mühe gekostet, sich anzufreunden. Nein, vielmehr hatte Baekhyun es sich zur Aufgabe gemacht, immerzu die Nähe von Kyungsoo aufzusuchen und sich ihm nahezu aufzudrängen.
Stillschweigen hatte Kyungsoo es hingenommen und er konnte nicht bestreiten, dass er glücklich darüber gewesen war. Eher hatte er sich über die Aufmerksamkeit erfreut, die ihm zugutekam. Er war ein ruhiges Kind, das nicht besonders offen auf seine Mitmenschen zugegangen war und das auch nicht unbedingt mit jedem anderen Kind zurechtkam. Erst im Laufe der Jahre entwickelte er sich zu einem viel aufgeschlossenen Jungen, der auch gerne versuchte Kontakte zu knüpfen.
Baekhyun hatte sich innerhalb des ersten Jahres, in welchem sie zusammen in den selben Kindergarten gingen, mit den verschiedensten Jungs angefreundet, war den Mädchen aus dem Wege gegangen und letztlich auf Kyungsoo zugekommen. Ab da an schien er Gefallen an ihm gefunden zu haben und interessierte sich immer weniger für die anderen Kinder und fast ausschließlich nur noch für den kleinen Jungen mit den rundlichen Augen – Baekhyun hatte ihn liebevoll Eule genannt, nicht fähig seinen richtigen Namen auszusprechen. Rückblickend kann Kyungsoo behaupten, dass Baekhyun unsicher gewesen war und in ihm vermutlich eine Person gefunden hatte, bei der er sich beschützt und angenommen fühlte, einen Freund und nicht nur einen Spielgefährten. Er konnte bei Kyungsoo zur Ruhe kommen, im Gegenzug brachte Baekhyun Trubel in sein Leben, von dem er nicht gewusst hatte, dass er ihn gebraucht hatte.

Baekhyun war ein Kind, das viel weinte und lachte, das sich nicht scheute, seine Zuneigungen und Abneigungen zu offenbaren, zugleich aber auch reichlich Aufmerksamkeit und Liebe einforderte. In ihrer fortlaufenden Freundschaft hatte Kyungsoo seinen Freund immer mehr darum beneidet. Während er selbst kaum einen geeigneten Zugang zu seinen Gefühlen und Emotionen erlangte, war Baekhyun ein offenes Buch, das sich nicht schämte, von aller Welt gelesen zu werden. Viel mehr sogar schien er deutlich Gefallen daran gefunden zu haben.

Junmyeon, welcher recht schnell ebenfalls seinen Weg in ihr Leben gefunden hatte, nachdem sie auf die Schule gewechselt waren, sagte in einem Gespräch einmal: „Es ist nicht wichtig, dass du deine Gefühle so zeigst, wie Baekhyun es tut. Nicht jeder muss wissen, was dich in deinem Inneren ausmacht. Es ist nur wichtig, dass du dir selbst treu bleibst und nicht vor ihnen flüchtest."
Diesem Rat wäre Kyungsoo nur zu gern gefolgt, doch spätestens als Kyungsoo die siebte Klasse besuchte und merkte, dass er nicht wie seine Mitschüler heterosexuell war, scheute er sich zu sehr vor seinen eigenen Gefühlen. Nicht nur, dass er vor ihnen floh, nein, Kyungsoo versuchte sie vollends zu verdrängen, als würden sie nicht einmal existieren.

Sie waren in der achten Klasse, Junmyeon in der neunten, als Baekhyun seinen ersten und zugleich auch letzten Versuch wagte, ein Mädchen, das ihm gefiel, anzusprechen. Es war schrecklich, herzzerreißend und schmerzlich gewesen. Während Junmyeon alle Mühe hatte, Baekhyun aufzumuntern und ihm eine Stütze zu sein, bemerkte Kyungsoo zum ersten Mal, dass er seine Gefühle nicht restlos ignorieren konnte und geriet in Panik, was nicht zuletzt dazu führte, dass Junmyeon verzweifelt und merklich überfordert zwei junge Teenager vor sich hatte, die er zu händeln versuchte; nicht zu vergessen, dass er selbst noch ein Jugendlicher war und ohnehin schon versuchte sein eigenes Selbstbild zu definieren.
So stand Junmyeon da, mit sich selbst noch nicht abschließend im Reinen, einen Baekhyun weinend im Arm, während er zugleich versuchte Kyungsoo beruhigende Worte zuzusprechen, die ihm vom hyperventilieren abschalten sollten. Und das, ohne überhaupt den plötzlichen Stimmungsumschwung zu verstehen oder gar zu hinterfragen. Es war das erste Mal, dass Kyungsoo bemerkte, wie wichtig Junmyeon ihm neben Baekhyun geworden war.

Die kommenden Jahre wurden nicht einfacher. Während Junmyeon seine Laufbahn hin zu einem Kinderarzt verfolgte und nicht nur einmal Kyungsoos Hilfe beim Lernen in Anspruch nahm, verzweifelte und seine Berufswahl kritisch in Frage stellte, nur um letztlich als bester Student abzuschließen, hatte Baekhyun eine Ausbildung begonnen und fast zur gleichen Zeit auch den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen. Es war ein großes Loch entstanden, dass Kyungsoo zu füllen versuchte und es brachte Leid mit, dass Kyungsoo zu lindern wusste. Dass Baekhyun sich in die Arbeit stürzte, in dem Versuch alles andere zu ignorieren, war nicht unbemerkt geblieben, doch anders als Kyungsoos, konnte Baekhyun seine Gefühle nicht verbergen und ihnen entkommen. Es war nicht verwunderlich, dass Kyungsoo schon zu Schulzeiten bemerkte, dass auch sein bester Freund homosexuell war, ohne es je aussprechen zu müssen. Und genau dieser Fakt war einer derer, dem sich Baekhyun sicherlich bewusst war, doch für den er sich nicht die Zeit genommen hatte, um sich mit ihm auseinanderzusetzen.
Erfolgreich hatte Kyungsoo es sodann erneut geschafft, sich selbst zu entkommen und gelernt, seine Gefühle und Emotionen restlos zu verdrängen. Er hatte sich niemals mit seinen tieferen inneren Gedanken und Bedürfnissen auseinandersetzen müssen und ausgenommen von seiner Liebe zu seinen Eltern und seinen Freunden gab es kaum etwas, dass er an sich heranließ. Nicht, dass er emotionslos wurde; es war nur alles unglaublich oberflächlich und zeugte nie von seinem tatsächlichen Inneren. Entgegen Junmyeons anfänglichem Rat. Er hatte nicht bemerkt, dass er sich selbst damit schadete.

Es verwunderte ihn nicht, als ihm mit einem Schlag bewusstwurde, dass er ein besonderes Interesse in Junmyeon hatte. Objektiv betrachtet hatte Kyungsoo es schon immer gewusst und nur auf den Tag gewartet, an dem er sich mit dieser Tatsache auseinandersetzen müsste. Und etwas objektiv betrachten, gerade auch dann, wenn es um ihn selbst ging, konnte Kyungsoo wirklich gut. Wenn er darüber nachdachte, dann hatte er es zu seiner Schulzeit schon bemerkt. Es war immer anders gewesen als mit Baekhyun.
Rückblickend war Kyungsoo sich bewusst, dass er anders über Junmyeon dachte und dass der Ältere ein anderes Gefühl bei ihm auslöste. Kyungsoo hatte eine andere Vorstellung und ein anderes Verhaltensmuster, wenn es um Junmyeon ging.
Da Kyungsoo jedoch nie gelernt hatte, sich mit seinen eigenen Bedürfnissen auseinanderzusetzen und weil er weiterhin nicht bereit dazu war, dauerte es nicht lange, bis er den Gedanken wieder fast vollständig aus seinen Gedanken verbannt hatte. Er hatte Angst bekommen. Eine so fürchterliche Angst, dass er es nicht schaffte, diese Gefühle zuzulassen.

Es wurde schrecklich merkwürdig, seine Zeit mit seinen Freunden zu verbringen, im Besonderen dann, wenn Junmyeon dabei war. Noch schlimmer, wenn er sich allein mit Junmyeon traf. Er wusste nicht, ob der Ältere es bemerkte, doch Kyungsoo war sich sicher, sich anders zu benehmen, seit ihm der Gedanke gekommen war, dass er mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Junmyeon hegte. Mit Jongin und Sehun in ihrem Freundeskreis, wo er bis heute nicht nachvollziehen konnte, woher sie so plötzlich kamen und wie ausgerechnet Baekhyun es geschafft hatte, sie unbemerkt zu integrieren, bekam Kyungsoo bald die Möglichkeit Junmyeon weitmöglichst aus dem Weg zu gehen. Sehun hatte schnell eine besondere Bindung zu Baekhyun aufbauen können, während Jongin Kyungsoo kaum mehr von der Seite wich. Die beiden jungen Männer, dessen Freundschaft so tief und innig wie die von Baekhyun und Kyungsoo war, waren unzertrennlich und doch bemerkte Kyungsoo, dass Jongin nicht selten seine Nähe aufsuchte. Wenige Wochen hatte Kyungsoo diesen Fakt stillschweigen hingenommen, vielleicht sogar aufgrund der Tatsache, dass er damit Abstand zu Junmyeon gewinnen konnte, ohne dass es auf ihn selbst zurückfiel. Als seine Neugier jedoch zu groß wurde und er Jongin direkt darauf ansprach, antwortete Jongin in einem gleichgültigen Ton, dass er in Kyungsoo ein Vorbild sah.

Kyungsoo hasste das. Natürlich hätte er sich geschmeichelt fühlen können, dass jemand ausgerechnet ihn so sehr bewunderte, dass derjenige wie Kyungsoo sein wollte. Es hätte ein so unglaublich tolles Kompliment sein können. Für jeden ihrer Freunde wäre es ein Kompliment gewesen, dass sie vollends wertgeschätzt hätten. Ein Kompliment, dass ihnen den Tag versüßt hätte. Ein einfaches und doch so ausdrucksstarkes Kompliment...
Nur nicht für Kyungsoo und besonders nicht, wegen Kyungsoo. Der kleinere Mann hatte schon anhand der Stimmlage von Jongin ein unwohles Gefühl übermittelt bekommen und es gefiel ihm nicht, dass Jongin sich ausgerechnet für ihn entschieden hatte, denn Kyungsoo glaubte zu ahnen, was das zu bedeuten hatte.
Noch am selben Abend hatte Junmyeon einen aufgewühlten Kyungsoo in seiner Wohnung stehen, der übermannt wurde von all seinen Gefühlen, die er nicht mehr zu unterdrücken wusste, geschweige denn, dass er wusste, wie er mit ihnen umzugehen hatte. Sie raubten ihm jegliche Kraft. Dass er dem Älteren nicht lange aus dem Weg gehen konnte, war zu erwarten gewesen und auch, dass er die Zuneigung für ihn nicht auf ewig verstecken konnte. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass Jongin ihn so unverhofft treffen würde, dass seine Mauer, die er über Jahre hinweg erbaut hatte, mit einem Mal in sich zusammenfallen würde. Wie nicht anders zu erwarten: Kyungsoo geriet in Panik.

Baekhyun war sein Gegenstück – schon immer. Baekhyun war ein sehr offener Mensch, wohingegen Kyungsoo sich eher verschloss. Zugleich hasste Baekhyun es, auf fremde Menschen zuzugehen, während Kyungsoo kein Problem damit hatte, mit anderen in Kontakt zu treten. Während Baekhyun all seine Gefühle in die Welt hinausschreien wollte und sich nicht selten in ihnen verlor, ließ Kyungsoo nichts an sich heran, wenn es ihn verletzten oder es kompliziert werden könnte. Alles, was zu intensiv wurde, hatte keine Beachtung bekommen und ließ sich verdrängen. Baekhyun war vorhersehbar, Kyungsoo unberechenbar.
Nahm man allein diese Fakten zusammen, wurde erkennbar, dass Baekhyun die bessere Wahl gewesen wäre. Kyungsoo war ein schlechtes Vorbild. Keine schlechte Person, aber aus seiner Sicher heraus jemand, der einen schlechten Einfluss haben könnte.

Zweifellos fing Kyungsoo an sich das erste Mal mit seinem eigenen Selbst zu befassen und er kam nicht umhin erneut zu bemerken, dass es immer wieder Junmyeon war, der ihm in den Sinn kam, an den er sich wand und der zu seiner ersten Anlaufstelle wurde. Nicht, dass er Baekhyun nicht mehr als seinen besten Freund sah, mit welchem er über alles sprechen konnte und würde. Ihre Freundschaft war viel zu stark und ging viel zu tief. Sie war eigentlich viel mehr als eine enge Freundschaft. Mehr wie eine Familie. Aber das mit Junmyeon war anders. Mit Baekhyun wollte Kyungsoo alles teilen, indem sie sich stundenlang darüber unterhielten oder gar diskutierten. Mit Junmyeon wollte er etwas, dass er zu dieser Zeit noch nicht zu beschreiben wusste.

Sie hatten sich die ganze Nacht unterhalten und Kyungsoo konnte all seine Gedanken und Bedenken äußeren, während Junmyeon ihm mit einem liebevollen Blick versehrte und aufmerksam versuchte, eine gemeinsame Lösung zu finden. Er beteuerte immer wieder, dass Kyungsoo sich schlechter darstelle, als er war und dass Kyungsoo so viele gute Seiten aufwies – gute Seiten, die jeder ihrer Freunde vermutlich beneidete. Das sah Jongin, Junmyeons Meinung nach. Es wäre okay fehlerhaft zu sein, weil das einen Menschen ausmachte. Einen perfekten Menschen. Doch kein Mensch sollte auf seine Fehler reduziert werden.
In seinem inneren hatte Kyungsoo das Kribbeln gespürt und eine wohlige Wärme überfiel ihn, die er zum ersten Mal in seinem Leben zuließ. Dennoch hatte er es nicht übers Herz bringen können, Junmyeon über sein Empfinden ihm gegenüber aufzuklären.
Ob es nun sein Herz oder doch sein Ego gewesen war, sei an dieser Stelle unbedeutend. Relevant war nur, dass er es schaffte, sich selbst damit auseinanderzusetzen und bereit war, den Gedanken zuzulassen. Er offenbarte seine Gefühle zwar nicht, doch er floh auch nicht mehr vor ihnen.

Und plötzlich, so vollkommen unerwartet stand er da. Kyungsoo stand vor Junmyeon, der von einer belanglosen und eigentlich vollkommen uninteressanten Situation berichtete, als er merkte, dass er nicht in diesem Ungewissen weiterleben konnte. Es waren Wochen, gar Monate vergangen, in denen Kyungsoo erneut versuchte eine Stütze für Baekhyun zu sein, während er sich selbst dadurch vergessen konnte. Mit einem kritischen Blick hatte er die Situation seines besten Freundes beobachtet, nicht sicher was er von dessen unbekannten Telefonfreundschaft halten sollte und zugleich mit der Erkenntnis, dass sein bester Freund sich bereit verliebt hatte. Eine Tatsache, die es ihm verwehrte, seine Gefühle weiter zu ignorieren und stattdessen das Gefühl in ihm erweckte, selbst einen Schritt zu wagen.
Junmyeon hatte eine solche Anziehungskraft auf Kyungsoo ausgeübt, dass er nicht mehr widerstehen konnte. In all der vergangenen Zeit war Kyungsoo der Gedanke immer wieder gekommen und immer wieder hatte er gemerkt, dass da mehr war. Ja, es war anders und es war mehr, als eine reine Freundschaft, dessen war er sich bewusst und er hatte sogar zugelassen, darüber nachzudenken, es zu fühlen. Doch er hatte sich nie eingestanden, dass es etwas sein konnte wie Liebe.

Dann küssten sie sich; na ja, Kyungsoo war es, der Junmyeon küsste. Dieser wiederum stand regungslos da, vermutlich nicht wissend, was gerade geschah. So plötzlich wie der Kuss begann, so schnell endete er auch wieder. Kyungsoo merkte die Panik wieder in sich aufkommen und wand sich schnell ab. Ein Lachen verließ seinen Mund, als einzige Reaktion auf seine Handlung, ehe er das tat, was er am besten konnte: seine Gefühle ignorieren.
Ohne eine weitere Regung zu zeigen und ohne ein Wort darüber zu verlieren, drehte er sich lächelnd wieder zu Junmyeon herum und setzte das Gespräch an selber Stelle fort, an der er es mit seinem Kuss unterbrochen hatte. Auch wenn es ihn schmerzte, Junmyeon so sichtlich überfordert, gar aufgelöst zu sehen, er konnte nicht darauf eingehen, wenn es bedeutete, dass er sich zugleich mit sich selbst beschäftigen müsste.

Kyungsoo war der Antwort, die er gesucht hatte, nicht nähergekommen. Eine Antwort, dessen Frage er nicht mal kannte. Letztlich war ersichtlich, dass sie beide nicht wussten, wie sie mit der auftretenden Situation zurecht gehen sollten. Kyungsoo war nicht bereit darüber zu sprechen und Junmyeon schien zugleich nicht zu wissen, wie er darauf reagieren sollte, was er dazu sagen sollte, als dass er auch genau zu wissen schien, dass Kyungsoo nicht darüber sprechen wollte. Doch eins stand eindeutig fest: Es war merkwürdig geworden. Das war eine Tatsache, der sich beide schmerzlich bewusst waren. Keinem von beiden gefiel die Situation, so wie sie in jenem Moment war und doch war keiner von ihnen bereit, etwas daran zu verändern und so verließ Kyungsoo nach kurzer Zeit die Wohnung.

Es verging kaum eine Minute, in der Kyungsoo nicht daran dachte. Er hatte sich damit abgefunden, dass er nicht umhinkam, sich darüber Gedanken zu machen und ihm war sehr schnell bewusst geworden, dass er mit diesem Kuss eine Handlung vollzogen hatte, die es ihm verwehrte seine Gefühle weiterhin zu ignorieren. Sie verlangte, dass er sich damit auseinandersetze und doch war er zu keinem Schluss gekommen. Er wusste nicht, was es zu bedeuten hatte und er wusste nicht, wie er die Situation gemeinsam mit Junmyeon handhaben sollte. Besonders, da Kyungsoo wusste, dass er Junmyeon nicht ignorieren konnte und ihm eine Antwort schuldig sein würde, zu der er nicht bereit war.

Mit all seinen Gefühlen fühlte er sich plötzlich so allein gelassen und er nahm sich vor, Baekhyun nach all der Zeit einzuweihen. Mit Baekhyun zu sprechen würde ihm guttun, wäre das Richtige und mit Sicherheit würde es ihm eine Hilfe sein. Darum brauchte er sich keinen Kopf machen. Baekhyun wäre für ihn da und vielleicht würde er anschließend auch bereit sein, sich einem Gespräch mit Junmyeon zu stellen.
Baekhyuns Anfrage, ob sie alle vorbeikommen könnten, kam Kyungsoo mehr als recht und sicherlich würde er auch die Zeit finden, allein mit Baekhyun sprechen zu können, selbst wenn ihre Freunde da waren. Andernfalls und weitaus wahrscheinlicher, würde Kyungsoo bleiben, sobald die anderen wieder gehen würden. Seinem besten Freund würde es gewiss nichts ausmachen.

Während er sich fertig machte, um anschließend zu Baekhyun zu gehen, klingelte es an seiner Tür und zu seinem Erstaunen blickte er in das Antlitz Junmyeons. Das Auftauchen des Älteren verwunderte ihn, da er nicht damit gerechnet hatte. Nach allem hatte er gedacht, Junmyeon würde auf Abstand zu ihm gehen, wie er es immer tat, wenn es passierte, was ihm aus seiner Gewohnheit, aus seiner Routine, riss. Junmyeon brauchte schon immer eine gewisse Art der Sicherheit in seinem Leben und diese Sicherheit hatte Kyungsoo ihm genommen, als sie sich küssten. Er vermied seine Gefühle und damit einhergehende Konflikte nicht, wie Kyungsoo es tat, aber er ging auf Abstand, brauchte Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, um sich darauf vorzubereiten. Nicht nur einmal hatte Kyungsoo erlebt, wie Junmyeon auf plötzliche Veränderungen reagierte. Es war, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen entrissen; er fiel in ein tiefes Loch und verlor jeglichen Halt. Junmyeon brauchte Struktur, einen Plan oder auch nur einen Moment, in dem er Zeit fand, seine Gedanken zu ordnen, um Sicherheit zu erlangen.
Zugegeben, Kyungsoo tat es leid, dass er verantwortlich war, dass Junmyeon diese Art der Sicherheit genommen wurde. Er hasste sich regelrecht dafür. Der Ältere war ihm so wichtig, dass er es nicht ertrug.

„Hey", gab Kyungsoo knapp von sich, nicht sicher, wie er sich verhalten sollte und trat beiseite, sodass Junmyeon eintreten konnte. Ein Nicken folgte, doch Junmyeon schwieg, während er routiniert ins Wohnzimmer lief. Seine Anspannung war erkennbar und Kyungsoo erkannte, dass er einen Moment brauchte, sodass er ebenfalls schwieg. Zwei Minuten verbrachten sie in der Stille, in der Junmyeon es nicht wagte, sich zu Kyungsoo umzudrehen.

Kyungsoo merkte, dass es ihm zu viel wurde und dass er dazu noch nicht bereit war. Er fühlte sich nicht wohl in der Situation und wollte, dass es wie zuvor war. Es sollte sich nichts zwischen ihnen ändern und noch weniger wollte er, dass es zwischen ihnen unangenehm wurde. Weder war er bereit ein Risiko einzugehen noch sich in diesem Moment dafür zu entscheiden.
Denn ja, wenn es um Kyungsoo selbst ging, dann schaffte er es nicht, sich für das Richtige zu entscheiden. Er vergaß all seine guten Ratschläge, mit denen er Baekhyun förmlich bombardierte. Alles, was er Baekhyun nahelegte, zu dem er ihn ermunterte oder abhielt, ignorierte er bei sich selbst. Letztlich geriet er immer wieder in eine Abwehrhaltung, mit Hilfe derer er alles auf Abstand brachte, was ihn auch nur im Ansatz betreffen könnte. In seinem Inneren wusste er natürlich, dass es Junmyeon gegenüber nicht fair war.

Junmyeon hatte versucht Worte zu finden, hatte versucht ein Gespräch aufzubauen, in dem sie über den Vorfall sprechen würden, hatte versucht, zu verstehen, was passiert war und wieso Kyungsoo ihn geküsst hatte – wobei er wusste das Wort Küssen zu umgehen, was Kyungsoo nur noch mehr verdeutlichte, dass es nicht der richtige Augenblick für dieses Gespräch war. Für sie beide nicht.
Seufzend hatte Junmyeon nach mehreren Versuchen die Ignoranz und Defensive von Kyungsoo akzeptiert. Seine Schultern fielen herab und das Unbehagen blieb zwischen ihnen bestehen. Satt ihm Antworten zu geben, hatte Kyungsoo versucht, sich so normal wie möglich zu verhalten, so zu verhalten, wie er sich immer verhielt. Wenn er nicht umhinkam, dann hatte er es als unwichtig abgetan – als eine Situation, die nicht weiter von Bedeutung war.

Die Stimmung blieb merkwürdig, während sie gemeinsam auf den Weg zu Baekhyuns Wohnung waren und sie wechselten kein weiteres Wort miteinander. Es war Kyungsoos schuld, dass es zwischen ihnen befremdlich war und es wunderte ihn auch nicht, dass sie beide nicht in der Lage waren, dies gänzlich zu ignorieren. Kyungsoo war zwar ein Naturtalent darin, dennoch war es eine vollkommen andere Situation, wenn es eine weitere Person betraf. Von Junmyeon ganz zu schweigen. Natürlich war es erkennbar und natürlich hatte Baekhyun sie direkt durchschaut.
Entgegen seiner zuvor getroffenen Entscheidung, hatte Kyungsoo plötzlich nicht mehr den Mut, Baekhyun über seien Gefühle aufzuklären. Mit Junmyeon im Raum war es sowieso keine Option mehr. Leider verursachte die Information, Baekhyun würde wegziehen, dass Kyungsoo seinen Entschluss vollkommen verwarf und sich bereits darauf vorbereitete, dass Thema wieder vollkommen zu verdrängen.

Kyungsoo hätte seinen besten Freund gebrauchen können.
Gerade in dem Augenblick, in welchem er Baekhyun am meisten brauchte, entschied dieser sich zu einer Umschulung und einem damit einhergehenden Umzug. Bisher war es sehr selten vorgekommen, dass Kyungsoo diese Art der Unterstützung durch seinen besten Freund in Anspruch nahm, während er selbst Baekhyun fast ununterbrochen zur Seite stand. Es war okay. Sie waren komplette Gegensätze. Baekhyun brauchte jemanden, der ihm mit Rat und Tat jederzeit zur Seite stand, jemanden, der ihn auf seine Fehler aufmerksam machte und jemanden, mit dem er über alles in seinem Leben sprechen konnte, während Kyungsoo möglichst für sich versuchte, Lösungen zu finden und in den meisten Fällen sein Problem ganz umging. Auch brauchte er nicht über alles sprechen, was in seinem Leben passierte. Dafür brauchte er jemanden, dem er zuhören konnte. Es war okay, weil sie einander das gaben, was sie brauchten und sich im Grunde perfekt ergänzten.
Ihre Freundschaft war vollkommen. In all der Zeit hatte es so wunderbar funktioniert und es war genauso gut, wie es immer gewesen war. Doch in diesem Augenblick, da brauchte Kyungsoo Baekhyun und Kyungsoo brauchte mehr, als er in all den Jahren gebraucht hatte. Und genau in diesem Augenblick veränderte sich ihre Beziehung, sodass ihm die Möglichkeit verwehrt blieb.

Baekhyuns Umzug hatte einen großen Einfluss auf sie beide genommen. Baekhyun musste lernen, sehr viel öfter ohne Kyungsoos Hilfe zu leben, während Kyungsoo bemerkte, wie viel öfter er Baekhyuns Hilfe benötigte. Zwar hatte er nie offen über seine Gefühle gesprochen und war dementsprechend selten auf Baekhyun zugegangen, um über Themen zu sprechen, die ihn emotional trafen, doch in dieser Zeit merkte er, dass Baekhyuns Anwesenheit dennoch einen großen Einfluss auf sein Leben genommen hatte. Seine Abwesenheit fiel Kyungsoo umso schwerer.
Es war seltsam, seinen besten Freund nicht mehr um sich zu haben und es gefiel ihm nicht. Absolut nicht. Ihre Telefonate taten gut und konnten zumindest einen kleinen Teil ihrer Routine aufrechterhalten. Es fehlte ihm, wenn Baekhyun ihm nicht ständig von seinen Sorgen und Ängsten erzählte, von seinen Gedanken und Gefühlen. Das war es, was wichtig für Kyungsoo war und was ihm selbst immerzu geholfen hatte. Indessen wurde ihm bewusst, er konnte die Sache zwischen ihm und Junmyeon nicht so stehen lassen. Seither war ihr Kontakt auf ein Minimum gesunken und Kyungsoo würde es nicht ertragen können, auch Junmyeon nicht mehr um sich zu haben. Nur leider lief es darauf hinaus, wenn er sich nicht bald darum kümmerte. Kurzzeitig hatte er mit dem Gedanken gespielt, doch das Gespräch mit Baekhyun aufzusuchen, ehe er sich an Junmyeon wand. Doch er war nicht wie Baekhyun. Es war nicht seine Art über seine Gefühle zu sprechen und dass er mit seinem besten Freund nur telefonieren konnte, erschwerte es ihm zusätzlich.

Es war regnerisch und kalt, als er vor der Tür stand. Unbeholfen und unsicher, ob er wirklich bereit dazu war, hatte er es bisher nicht geschafft, auf die Klingel zu drücken und so stand er seit Minuten unbeweglich einfach nur da, starrte auf die Klingel und mit einem Schlag wurde ihm klar, was er fühlte und was er wollte.
Seit er das erste Mal bemerkte, dass er mehr als reine Freundschaft für Junmyeon empfand, hatte er nicht einen Augenblick daran gedacht, es auch als verliebt sein zu bezeichnen, oder gar als Liebe. Doch in diesem Moment, in welchem er erstarrt und im Regen vor der Haustür Junmyeons stand, mit dem Ziel, ein ernsthaftes Gespräch über ihre Situation zu führen, gestand er sich selbst ein, dass er verliebt war. Dieses Gespräch sollte nicht nur den Kuss thematisieren. Sie sollten nicht darüber sprechen, dass da mehr war als Freundschaft. Zumindest von Kyungsoos Seite aus. Nein! Es ging nicht mehr nur darum, dieses Unbehagen zwischen ihnen zu klären, dass sich seither mehr und mehr zwischen ihnen entwickelte. Kyungsoo war bereit auf diese Klingel zu drücken und Junmyeon zu gestehen, ernsthaft verliebt zu sein. Verliebt, eigentlich schon seit sie sich kannten. Er wollte ehrlich zu sich selbst und zu Junmyeon sein und er wollte etwas riskieren. Genau das hier wollte er riskieren!
Er hatte keine Angst davor und er hatte auch nicht das Bedürfnis zu fliehen. Weder von diesem Ort noch vor seinen Gefühlen. Zum ersten Mal in seinem Leben wollte er gänzlich aufrichtig sein – und fühlte sich dazu bereit!

Kyungsoo hatte seine Entscheidung getroffen und trotz der Last, die ihm merkbar von den Schultern fiel, schockierte es ihn. Der Regeln fiel auf ihn herab, doch er bekam es gar nicht mehr mit. Seine Gedanken kreisten um Junmyeon und der Tatsache, sich zum ersten Mal seinen Gefühlen bewusst zu sein. Er verfiel dem Gedanken an seine Entscheidung. Dass Junmyeon hinter ihm auftauchte und ihn besorgt mit ins Innere des Gebäudes zog, bekam er nur am Rande mit. Seine Klamotten waren vollkommen durchnässt. Der Ältere hatte ihn ins Badezimmer verfrachtet und ein großes Handtuch um seine Schultern gelegt und erst in jenem Augenblick, als Junmyeons Gesicht vor seinem auftauchte und ihre Blicke sich trafen, kam er zurück ins Hier und Jetzt. Orientierungslos sah er sich um und als er begriff, wo er sich befand, fixierten seine Augen die von Junmyeon. Ein Lächeln entgegnete ihm, doch Kyungsoo erkannte die Sorge in den Augen seines Gegenübers.
Er hatte es nicht geschafft. Nicht an diesem Abend und Junmyeon hatte keine Fragen dazu gestellt, wieso Kyungsoo regungslos und scheinbar desorientiert vor seiner Tür gestanden hatte, sichtlich gedankenversunken. Sie wechselten kaum ein Wort, während Junmyeon ihm dabei half, sich zu trocknen und umzuziehen. Letztlich hatten sie den Abend auf der Couch verbracht, schweigend und nur mit leiser Musik im Hintergrund.
Es war merkwürdig und doch wunderschön gewesen.

Kyungsoo hatte die Nacht auf dem Sofa verbracht, nachdem er nicht bereit war, wieder zu gehen und Junmyeon sichtlich in Sorge war, ihn allein zu lassen.
Dem überfälligen Gespräch schien sich nicht nur Kyungsoo wappnen zu wollen, als sie am Morgen zusammentrafen. Nach deutlichem Zögern hatte Junmyeon am nächsten Tag zum Sprechen angesetzt und war Kyungsoo damit zuvorgekommen. Es ärgerte ihn, dass er es nicht von sich aus schaffte, dieses Gespräch zu beginnen. Seine sowieso schon intensiven Gefühle für den Älteren, gemischt mit dem Ärger über sich selbst und der aufbauenden Panik in sich, führte dazu, dass Kyungsoo in einem Fluss alles aussprach, was er in den letzten Jahren in sich getragen und mit dem er sich allein auseinandergesetzt hatte, vorausgesetzt er hatte es nicht ignoriert. All die Gefühle und Emotionen, die seit so langer Zeit in ihm schlummerten, erwachten mit einem Mal und mit einer beneidenswerten Gelassenheit lauschte Junmyeon dem Gefühlsausbruch, ohne auch nur ein Wort des Einwandes oder der Abneigung zu äußern.
Es dauerte fast eine Stunde, in der er alles zu Wort brachte, was ihm auf der Seele lag und nicht nur einmal wurde das Thema auf seine Liebe zu Junmyeon angesprochen.
Irgendwann, als er anfing sich immer mehr in seinen eigenen Gedanken zu verlieren, seinen Sorgen und Ängsten, sodass er anfing sich zu wiederholen und jeglicher Zusammenhang verloren ging, war Junmyeon aufgestanden und hatte ihm wortlos ein Glas Wasser in die Hand gedrückt. Kyungsoo, dessen Kopf es nicht schaffte, sich aus seinem Gedankenchaos zu befreien, ignorierte das Glas und die damit einhergehende stille Aufforderung Junmyeons. Erst als Junmyeon das Glas an Kyungsoos Lippen presste und ihn so zum Trinken zwang, schaffte Kyungsoo es, zu einer kurzen Sprechpause zu gelangen.

Dass sein Hals inzwischen vom Sprechen schmerzte, fiel ihm erst in jenem Moment auf und auch, dass seine Stimme immer kratziger geworden war. Letztlich hatte Junmyeon gar nicht darauf gewartet, dass der andere erneut zum Sprechen ansetzen konnte und ihn ohne weiteres und weiterhin schweigend in seine Arme gezogen. Ruhe und eine ungewohnte Wärme breitete sich in Kyungsoo aus und wohlig schmiegte er sich enger an den anderen. Mit leiser Stimme hatte Junmyeon nach einiger Zeit das Wort ergriffen, ohne ihre Position zu ändern und endete mit einem leisen: „Ich liebe dich doch auch."

Wenn Sehun und Jongin Monate später behaupteten, es sei merkwürdig, hatten sie nicht ganz unrecht damit. In den kommenden Monaten hatte sich grundlegend alles für sie verändert und mit einem Freund eine Liebesbeziehung einzugehen, war eindeutig merkwürdig, aber es war auch das Beste, was Kyungsoo bisher in seinem Leben passiert war. Sie mussten sich natürlich selbst an den Gedanken gewöhnen und besonders ihre ersten intimen Momente waren mit einer Stimmung vermischt, die sie ihre Entscheidung überdenken ließ. Doch ihre Liebe zueinander wuchs mit jedem Tag und nach einiger Zeit hatten sie fast schon vergessen, dass sie zuvor nur Freunde gewesen waren. Sie blühten vollkommen in ihrer Beziehung auf.

Baekhyun hingegen schien sich mehr und mehr in seiner Liebe zu Chanyeol zu verlieren und Kyungsoo hatte merken können, wie sein bester Freund darunter zu leiden hatte. Immer wieder hatte er nach dem richtigen Moment gesucht, um Baekhyun von sich und Junmyeon zu erzählen, voller Euphorie, doch empfand er es als unpassend, dieses Thema anzusprechen, wenn die Situation zwischen Baekhyun und Chanyeol dermaßen angespannt war, dass es selbst Kyungsoo das Herz brach. Baekhyun litt fast ausschließlich und Kyungsoo hatte keine Möglichkeit seinem besten Freund das Leid zu nehmen. Ihm in dieser Situation seine Liebe, sein Glück, vorzuhalten, empfand er als geschmacklos. Immer wieder hatte er es versucht, doch am Ende und besonders durch den Einfluss von Junmyeons Worten, hatte Kyungsoo sich selbst eingestehen müssen, dass es nicht allein die verzwickte Situation seines besten Freundes war, die es ihm erschwerte, Baekhyun von seiner Beziehung zu Junmyeon zu erzählen. Viel mehr hatte Kyungsoo darin eine Ausrede gefunden. Denn ja, er war immer noch nicht gut darin, über seine Gefühle auszusprechen und immer noch war er nicht dazu in der Lage, sowas über das Telefon zu machen.

Baekhyun war ein sehr aktiver Mensch, der sich in seinen Gefühlen verlor. Gerade in der Zeit, in welcher er sich mit Chanyeol anfreundete, sich in ihn verliebte und sie mit all diesen Problemen zu kämpfen hatte, fiel es wieder besonders auf. Baekhyun war emotional und verglichen mit ihren Freunden schien er jedes Gefühl weitaus intensiver zu empfinden.
Vielleicht gefiel es ihm, all seine Gefühle preiszugeben, offen damit umzugehen und sie aus sich herauszulassen. Vielleicht half es ihm, besser mit ihnen umzugehen.
Kyungsoo war so nicht. Während Baekhyun bei all ihren Telefonaten fast ausschließlich auf emotionaler Basis ein Gespräch suchte, befand Kyungsoo sich auf einer eher rationalen Ebene. Es war schon immer so und es hatte nie einen von ihnen gestört. Sie hatten einander das gegeben und geben lassen, was der jeweils andere brauchte.
Doch die Beziehung zu Junmyeon verdeutlichte ihm, dass er neidisch war. Weil Baekhyun dazu in der Lage war und weil Baekhyun sich nicht davor scheute, Kyungsoo all die Einzelheiten zu erzählen. Weil Baekhyun gar nicht anders konnte. Und Kyungsoo schaffte es nicht einmal, ihm von seiner Beziehung zu erzählen. Weil es bereits zu viele Emotionen beinhaltete. Junmyeon tat ihm gut und durch ihn lernte Kyungsoo immer mehr mit seinen Gefühlen umzugehen und sie zuzulassen. Aber er war nicht gefühlsgesteuert, wie Baekhyun es war.

Es brauchte einige Zeit, doch irgendwann hatte Kyungsoo es restlos geschafft, vollkommen offen mit Junmyeon zu sein und besonders mit seiner Liebe zu Junmyeon. Wenn es um Junmyeon ging, hatte er nicht mehr das Bedürfnis davonzulaufen und er wollte diese Gefühle sogar empfinden und sich mit ihnen auseinandersetzen. Nachdem Kyungsoo bemerkte, dass er nichts mehr vor seinem Freund verheimlichte und ihm freiwillig von seinen Gedanken und Gefühlen erzählte, wusste er, dass seine Liebe weitaus tiefer ging und dass er sich ein Leben ohne Junmyeon nicht mehr vorstellen wollte, geschweige denn konnte. Weihnachten war gerade vorbei, als er merkte, dass er nie wieder ohne den anderen sein wollte. Es mochte früh sein – viel zu früh – und doch war es ihm so klar, dass er sich seiner selbst sicher war. Und damit hatte sich ein zweites Thema gebildet, über das Kyungsoo mit Baekhyun sprechen wollte. Unbedingt!

Keiner ihrer Freunde hatte bisher von ihrer Beziehung erfahren und all ihre Zärtlichkeiten blieben im Geheimen verborgen. Junmyeon hatte immerzu Verständnis dafür aufgebracht und sie hatten auch zusammen entschieden, dass sie es zunächst Baekhyun erzählen wollten. Die Entscheidung, ihre Beziehung vorerst zu verschweigen und im Besonderen, niemanden vor Baekhyun davon zu erzählen, war eine gemeinsame und nicht Kyungsoo alleinige gewesen. Für sie beide war Baekhyun die Person, die ihnen am nächsten stand. Zeitgleich war auch Junmyeon lange nicht bereit sich der Veränderung zu stellen. Es war das einzig Richtige zu warten, das Gespräch mit Baekhyun zuerst zu suchen und doch trat nie der passende Moment dafür auf.
Und ganz plötzlich wussten Sehun und Jongin Bescheid und Kyungsoo wusste immer noch nicht, wie er mit Baekhyun darüber sprechen sollte. Sie hatten nicht die notwendige Ruhe gefunden, wenn sie beieinander waren und bis zum Ende der Ausbildung würden sie einander nur noch über das Telefon hören. Ein weiteres Treffen war ausgeschlossen.
Kyungsoos schlechtes Gewissen meldete sich immer öfter und Junmyeon wusste, dass sein Freund unter der Situation litt. Der kleinere Mann hasste es, seine Beziehung vor Baekhyun weiterhin zu verheimlichen und doch konnte er sich nicht überwinden, Baekhyun anzurufen. Und je mehr Zeit verging, umso schwieriger fiel es ihm. Immer wieder hatte Junmyeon angeboten, dass er stattdessen anrufen könnte, doch letztlich war ihnen beiden klar, dass auch das keine Möglichkeit war.
Das Kyungsoo so übermannt von seinen Gefühlen sein würde, aufgrund seiner Liebe zu Junmyeon und der so vermissten Nähe zu Baekhyun, wenn nicht sogar aufgrund der Tatsache, seinen besten Freund derart glücklich mit Chanyeol zu erleben, dass er Junmyeon in Anwesenheit aller und noch bevor er mit Baekhyun hatte sprechen können, einen Antrag machen würde, hatte keiner von ihnen erwartet. Es war das erste Mal, dass er sich vollkommen von seinen Gefühlen leiten ließ und sich in ihnen verloren hatte, sodass er nicht darüber nachdachte, dass es der falsche Augenblick war. Es blieb ihm nicht mal die Möglichkeit, vorerst darüber nachzudenken.

Natürlich konnte er verstehen, dass Baekhyun sauer war und es zwang ihn zurück in ein Verhalten, von dem er dachte, es langsam abzulegen. Kyungsoo hatte eine solche Panik bekommen, dass er versuchte vor seinen Gefühlen zu fliehen und hatte damit ihren Streit begünstigt. Er war sich seinem Fehlverhalten bewusst. Nur war die Situation solch komplex für den kleinen Mann geworden, dass er nicht wusste damit umzugehen und letztlich nicht in der Lage war, richtig zu handeln. Weil er es in dieser Hinsicht noch nie konnte.
Eine Entschuldigung war es dennoch nicht. Sein plötzlicher Gefühlsausbruch und seine damit verbundene Frage an Junmyeon, die ungeplanter nicht sein konnte und von der selbst Junmyeon allzu überrascht war, rechtfertigte sein Verhalten nicht. Baekhyuns Wut konnte Kyungsoo nicht nur verstehen, er empfand sogar, dass es Baekhyuns gutes Recht war, sauer zu sein. Kyungsoo hatte ihm das Gefühl gegeben, nicht wichtig genug zu sein, das Gefühl, nicht mehr sein bester Freund zu sein, das Gefühl, dass man ihm nichts anvertrauen konnte. Sein Verhalten ließ vermuten, dass sie sich auseinanderlebten, seit Baekhyun die Stadt verlassen hatte. Es war ein großer und wichtiger Bestandteil seines Lebens, an dem er Baekhyun nicht teilhaben ließ.
Kyungsoo hatte ihn verletzt!

Junmyeon hatte alle Mühe mit ihm, nachdem sie allein zurückgeblieben waren. Sehun und Jongin, die sich sichtlich unwohl in der aufgekommenen Situation gefühlt hatten, waren nach Baekhyuns und Chanyeols Verschwinden auch nicht lange zurückgeblieben. Sie hatten Kyungsoo und Junmyeon Raum geben wollen, zugleich wollten sie sich nicht für eine Seite entscheiden. Ihnen blieb letztlich nur ein Weg: Abwarten, dass Kyungsoo und Baekhyun ihren Streit niederlegen würden, ohne sich einzumischen. Anders würde nur jemand verletzt werden.

Dass ihr Streit derart eskalierte, konnte Kyungsoo sich nicht erklären. All seine Gefühle schienen ihn gänzlich einzunehmen und nach all der Zeit hatte er keine Kontrolle darüber gewinnen können. Wie sollte er sie auch zu bändigen wissen, wenn er sie lange Zeit immerzu verdrängte? Der Schmerz, der sich in seinem gesamten Körper ausbreitet, war unerträglich. Als würde er Kyungsoo zerreißen wollen. Und er hielt es nicht aus. Sein Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen und er war zu Boden gestützt. Hilflos und überfordert klammerte er sich an Junmyeon, der sofort an seine Seite getreten war und vergebens noch versucht hatte, ihn aufzufangen. Der Ältere war sein einziger Halt in jenem Moment.

Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass Baekhyun nicht nur sein bester Freund war. Vielmehr war er ein Bestandteil seines Lebens, ohne den er nicht zu leben wusste. Die Liebe, die er Baekhyun gegenüber empfand, war so intensiv, dass er es nicht ertrug, mit ihm zu streiten. Baekhyun war ein Teil von ihm, Kyungsoo ein Teil von Baekhyun. Sie waren beste Freunde. Brüder. Familie!
Ja, Kyungsoos wichtigsten Menschen waren Baekhyun und Junmyeon. Beide nahmen einen Platz in seinem Leben ein, den nur der jeweilige besetzten konnte. Niemals würde es eine andere Person schaffen, diese Position einzunehmen und auszufüllen. Sie beide waren nicht zu ersetzen und er brauchte sie beide in seinem Leben.

Doch Kyungsoo hatte es vermasselt.
Mit seinem antrainierten Verhalten und seiner Unfähigkeit Gefühle zuzulassen, hatte er einen Streit provoziert, der nur einen Tag später ihrer Freundschaft zu Zerreißen drohte. Es war gewaltig schief gelaufen...

Im Grunde war es aber Junmyeon, der ihn darauf aufmerksam machte, dass nicht Kyungsoo allein verantwortlich war. Zu verschweigen, dass er mit Junmyeon in einer Beziehung war, konnte nicht gerechtfertigt werden. Sie hatten es beide von Anfang an gewusst und doch hatten sie beide es zugelassen. Sie beide hatten Baekhyun verletzt. Es war ihrer beider gemeinsame Entscheidung gewesen. Junmyeon fühlte sich mitverantwortlich, denn er war mitverantwortlich.

Nach einem kurzen Telefonat zwischen Baekhyun und Junmyeon, von dem Kyungsoo nicht wusste, was Junmyeon sich genau erhoffte, wirkte sein Freund deutlich entspannter. Das folgende Emoji in Form eines Herzens, war klar zu deuten. Sie alle litten unter der Situation, sie alle hassten es und sie alle wollten, dass der Streit endgültig geklärt wurde. Keiner von ihnen hatte gewollt oder gar geahnt, dass es derart ausartet und keiner von ihnen interessierte sich noch für den eigentlichen Grund. Interessant war nur, dass sie sich aussprechen und vertragen würden.
Infolgedessen und der Tatsache, dass auch Junmyeon seinen Anteil an diesem Streit trug, war es weniger verwunderlich, dass Junmyeon nicht nur bereit war, seinen Freund zu der Wohnung Chanyeols und damit zu Baekhyun zu begleiten, sondern dass es auch Junmyeon selbst war, der den Vorschlag in den Raum geworfen hatte.

Und da standen sie. Vor einer verschlossenen Tür, ohne ausmachen zu können, ob Baekhyun und Chanyeol nicht in der Wohnung waren, oder ob sie schlicht und ergreifend das Liebespaar ignorierten. Kyungsoo hatte Angst vor der Antwort, doch letztlich war er bereit für seinen besten Freund jedes Risiko einzugehen. Er würde warten, bis er Baekhyun antreffen würde. Selbst, wenn es die ganze Nacht dauern würde. Irgendwann müsste der andere die Wohnung verlassen oder betreten.
Niedergeschlagen hatten Kyungsoo und Junmyeon sich auf die Stufen gesetzt und gewartet, während sie leise Worte miteinander teilten. Junmyeon hatte nach seiner Hand gegriffen und ihm immer wieder gut zugesprochen. Das war es! Genau das war der Grund, weshalb er sich verliebt hatte und weshalb er unbedacht und ungeachtet dessen, dass sie Baekhyun noch nichts erzählt hatten, Junmyeon diesen Antrag machte. Kyungsoo liebte diesen Mann!
Sein Verhalten war falsch und unangebracht, doch er wollte Baekhyun nicht mehr nur von seiner Beziehung erzählen; er wollte ihm direkt und unmissverständlich offenbaren, wie es in seinem Inneren aussah und was er für eine Liebe empfand – Es war eine Fehlentscheidung.
Aber es lief alles so gut und alles war perfekt, dass ihn die Situation überkam und... Nein, es gab wirklich keine Rechtfertigung für sein Verhalten des gesamten letzten Jahres bis zu dem Moment, in dem er Junmyeon diesen Antrag machte.

„Er wird nicht kommen, Kyungsoo", sprach Junmyeon aus, als bereits die ersten schwachen Sonnenstrahlen aufblitzten. Zugeben, Kyungsoo hatte es bereits gewusst, als sie am Abend vor der verschlossenen Wohnungstür gestanden hatten. Zwar hatte er keine Ahnung, wo sich sein bester Freund aufhalten könnte, wenn er nicht bei Chanyeol zuhause war und weshalb sie die gesamte Nacht über verschwunden blieben, doch er hatte es geahnt. Sie waren nicht in dieser Wohnung und würden auch nicht mehr kommen.
Doch Kyungsoo hatte nicht gewollt, dass es endet. Neben einem Rest der Hoffnung, dass sie Baekhyun doch noch antreffen würden und der Streit endlich niedergelegt werden könnte, war er nicht bereit den Moment mit Junmyeon aufzugeben. Viel zu sehr genoss er es.
Letztlich hatte Kyungsoo das leise Gespräch zurück zu dem Auslöser des Streits gelenkt. So sehr Baekhyun und ihre ersehne Versöhnung in den Mittelpunkt gerückt war, hatte Kyungsoo das Bedürfnis Junmyeon erneut auf eine mögliche Heirat anzusprechen. Anders als zuvor hatte er darauf geachtet, seinen Freund mit der Frage nicht zu überrumpelt, ließ zu, dass all seine Gefühle dabei offenbart wurden und verdeutlichte, dass es sein Ernst war.

Und mit Erhalt der Antwort, die mit ebenso vielen Gefühlen und Emotionen begleitet war, wie die Frage von Kyungsoo, nahmen sie sich im Stillen vor, dass Baekhyun diesmal die erste Person sein würde, die davon erfahren würde.
Für diesen Augenblick aber, wenn er auch sehr kurz blieb und von einem Anruf Chanyeols unterbrochen wurde, vergaßen sie kurzzeitig ihre Probleme und genossen ihre Zweisamkeit und Liebe zueinander. Denn sie wussten, alles würde gut werden. Und sie konnten in jenem Moment nicht glücklicher sein.

Kyungsoo war glücklich. Glücklich mit Junmyeon an seiner Seite und glücklich, dass Baekhyun sein bester Freund war.



...




#Wörter: 6774 (gesamt= 101 808)
#Update: 19.02.2023
#Anmerkung: 
Wir erreichen das Ende!
Ein Kapitel kommt noch und dann ist diese Geschichte nach so langer Zeit endlich beendet. Ich trauere schon um sie, aber ich freue mich zugleich auch, dass ich es geschafft habe, sie fertigzustellen.

Mr. Park~Where stories live. Discover now