Kapitel 2

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R a v e n

»Was?? Niemals!«
»Doch, Bob sagte mir, Matthew war der, der es vorgeschlagen hat.«

Natürlich.

Bob meinte das. Wer weiß, was Bob und Matthew da beredet haben. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass es niemals seine Idee war. Niemals im Leben. Lieber würde er am lebendigen Leibe von einer Netzphyton gefressen werden.

Sanft streicht Mom über meine Wange. »Pass gut auf dich auf, Liebes. Nun bist du erwachsen und ich kann dich nicht mehr vor jeglichem Unheil in deinem Leben beschützen.«

Wieder treten Tränen in ihre Augen, und ich umarme sie noch einmal ganz fest. »Ich hab dich lieb, Mom.« »Ich liebe dich noch viel mehr, Schatz.« »Das geht gar nicht«, versichere ich ihr.

Meine Beziehung zu meiner Mutter ist schon immer besonders gewesen. Wir sind durch dick und dünn gegangen. Ich habe sie an ihren schlimmsten Tagen erlebt, und trotzdem hat sie alles dafür gegeben, mir ein gutes Leben zu ermöglichen.

Auch wenn sie kaum noch Geld in der Tasche hatte, gab sie mir immer das Gefühl, sicher zu sein; dass alles gut werden würde und wir zwei gegen den Rest der Welt antreten. Sie ist meine Mom, sie ist meine Familie, und ich bin so froh sie zu haben.

Schniefend löst sie sich und fährt lächelnd über ihre nasse Wange. »Eigentlich wollte ich dich nur zum Essen holen«, lacht sie und ich erwidere ihr Lächeln. »Ich komme gleich runter.«

Als meine Mutter mein Zimmer verlässt, lasse ich mich wieder auf mein Bett fallen und starre an die Decke. Ich bin nervös, wenn ich darüber nachdenke, dass nächste Woche meine Kurse anfangen. Zuerst war meine Mutter nicht sonderlich von dem Gedanken begeistert, dass ich Kunst studiere, denn das größte Argument dagegen war: Was kommt nach dem Studium? Wie verdiene ich mein Geld?

Insgeheim wünsche ich mir zutiefst, irgendwann einmal mein Geld mit meinen Graphic Novels zu verdienen. Dabei ist es mir nicht einmal wichtig, sonderlich viel Geld zu bekommen. Genug, um zu überleben, würde mir schon reichen, denn wenn ich eine Sache ohne Unterbrechung tun könnte - immer und zu allen Tages- und Nachtzeiten - dann wäre es zu zeichnen.

Besonders meine neue Graphic Novel, die bei meinen Followers besonders gut ankommt und bereits jetzt schon tausende Klicks hat. Das ist es, was ich liebe und was ich mir wirklich vorstellen könnte, mein ganzes Leben lang zu machen. Auch wenn meine Mutter darin keine Zukunft sieht, werde ich alles dafür geben, meinen Traum umzusetzen.

Stimmen erklingen von draußen und reißen mich aus meinen Gedanken. Ich richte mich wieder auf und gehe zu dem Fenster neben meinem Bett, das mir einen guten Blick auf unseren Garten ermöglicht.

»Pass zu mir!«, fordert Matthew seinen kleinen Bruder Lenox auf und dieser wirft den Football über den Kopf von Eden. Matthew fängt ihn sicher, rennt ans andere Ende und hat damit anscheinend gegen Eden gewonnen, der ihn verstimmt ansieht. Lenox lacht über seinen älteren Bruder Eden, den Matthew in den Schwitzkasten nimmt und ihm sein Haar durchwühlt.

Seit ich die drei kenne, hatten sie eigentlich immer eine gute Verbindung. Lenox ist um einiges jünger als seine Brüder, was aber nie ein Hindernis zwischen ihnen war. Mittlerweile kommt Lenox langsam in die Pubertät und Eden macht nächstes Jahr seinen Abschluss. Eden und ich sind uns in vielen Dingen sehr ähnlich. Wir teilen beide die Liebe zu Comics und haben denselben Musikgeschmack, was schon früh dazu beigetragen hat, dass er einer meiner besten Freunde wurde. Er ist auch immer derjenige, der meine Graphic Novels liest.

Letztes Jahr hat er sich auf einer Party bei mir geoutet und ich musste ihm versprechen, es niemandem zu sagen. Seitdem kaut er mir so oft wie möglich ein Ohr über die Typen ab, auf die er zurzeit einen Crush hat.

Hateful kisses.Where stories live. Discover now