Prolog 1/2

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Gemma saß so wie jeden Abend an den vergitterten Fenstern ihrer Zelle, und schaute zu dem ganz wundervoll hell strahlenden Mond hinauf.
Gleich würde Ursa sie noch mal besuchen kommen, so wie jeden Abend und auch jeden Morgen.
Oh ja...
Sie würde ihr natürlich persönlich das Essen bringen, um sich davon zu überzeugen, dass sie noch immer lebte, noch immer litt... bis sie das Essen mit den betäubenden Substanzen darinnen aß und einschliefe.

Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme, damit sie nicht doch noch in dunkler Nacht ihrem Leben ein Ende setzen würde, so wie ihre älteste Schwester Dara es vor zwei Wintern getan hatte, und auch ihre mittlere Schwester Flora, der sogar letztes Jahr ganz kurz die Flucht aus ihrem Gefängnis geglückt war. Doch dann hatte sie sich, verfolgt von den Wächtern und in ihrer ausweglosen Situation befindlich bald wieder eingefangen und zurück in den Kerker geschleift zu werden, wo man sie dann sicherlich hart bestraft hätte, eine hohe Klippe hinab gestürzt.

Sie hatte die Diener damals betrübt darüber reden hören.
Sie hatten gesagt, sie habe sogar auch noch selig und wie befreit gelächelt, bevor sie den Wächtern noch einmal kurz zuwinkte und sich dann tausend Fuß tief in den Abgrund stürzte.

Und genau das hatte Gemma dann auch wochenlang geträumt. Dass auch sie irgendwann die Möglichkeit finden würde, aus dem Kerker und dieser trostlosen Existenz zu entkommen. Einem so traurigen Schicksal, immer eingesperrt zu sein, immer kontrolliert, immer beobachtet, ohne auch nur einmal hinaus gehen zu dürfen.

Doch Ursa musste es nun mal verbergen, wie viele Töchter sie tatsächlich ihrem Herrn und Gemahl, dem Scarr Severin Jayy of Iddhee, geboren hatte, der nun schon seit langem kein Kind mehr zeugen konnte. Und all jene, die er zustande gebracht hatte, waren weiblich.
Welch eine Schande für das Haus.
Doch noch dürfte er nicht sterben, denn er hatte ja immer noch keinen Sohn und Erben.
Seine Töchter interessiert ihn nicht.
Hatten es auch noch nie getan.

Ja...
Gemma seufzte leise auf, denn sie machte sich schon lange nichts mehr vor. Die Anstandsregeln von Narroh der Hauptstadt von Iddhee waren streng und die Sitten, bei einer Sohnlosen Frau welche bald wohlmöglich schon eine Wittwe wurde, gnadenlos.
Also hatte sie ihre ersten vier Töchter in den Kerker gebracht, um sie dort versteckt und verborgen zu halten und jede weitere, die sie danach geboren hatte, direkt hinaus in den Wald zu den Wölfen.

Als es dann aber mit der Gesundheit des Gemahls bergab ging und es schließlich immer unwahrscheinlicher wurde, dass Ursa doch noch ein weiteres Mal schwanger werden und einen Sohn gebären konnte, blieb ihr nichts mehr anderes übrig, als die direkte Linie eines Erben nun in ihren verdammten Töchtern zu suchen.

Dara hatte sie tatsächlich heimlich verheiratet, und den Mann hier in die Familie eingelassen.
Letztlich hatte er auch keine andere Wahl gehabt, denn er war ein armer und schwacher Mann, auch wenn er zumindest noch einen guten Namen besaß.
So konnte er dann aber auch nichts daran ändern, dass seine Frau weiterhin eingesperrt war und blieb und er sie nur immer des Nacht besuchen durfte, um mit ihr möglichst rasch ein Kind zu zeugen.
Einen männlichen Erben für Ursa und Severin und das ehrwürdige Hä Jayy

Bei einer dieser Gelegenheiten jedoch, als Dara schon dachte empfangen zu haben und darüber entweder zürnte oder verzweifelte, hatte ihr Gemahl dann einen kleinen Dolch bei sich gehabt und Dara hatte die Gunst der Stunde sofort genutzt, als er eingeschlafen war, und sich selbst damit von ihrem Joch erlöst.
Denn auch hier hatte Ursa bereits vorab verkündet, dass man Dara ihr Kind direkt nach der Geburt genommen, eine Tochter ebenfalls hinaus in den Wald gebracht und einen Sohn zu Ursa getragen hätte, damit diese ihn dann als eigenen Sohn ausgab, um anschließend Dara wie auch ihren schwachen Mann einfach umzubringen.
Und ebenso die Schwestern.
Sie... Gemma, Flora und Jara.

Denn es dürfte sie alle nun mal gar nicht geben.
Und um der Grausamkeit noch die Krone aufzusetzen, hatte Ursa es damals sogar auch noch eine Belohnung für sie alle genannt.

Oh ja... von ihr und dem Vater ermordet zu werden und damit diesem Elend zu entkommen, war in der Tat eine Erlösung.
Es wäre nur gut, fürwahr.
Jedoch nun nicht mehr für Gemma.
Denn auch Jara war inzwischen gestorben. Nicht durch Mord oder von eigener Hand, nein. Sie war einfach nur tieftraurig über den Tod der geliebten Schwestern gewesen und über ihr eigenes, grausiges Schicksal, dass da als nächstes auf sie zukommen sollte.
Also hatte sich hingelegt, nichts mehr gegessen oder getrunken und war dann gestorben.

Arme liebe Jara. Arme Dara und glückliche Flora.

Früher hatten sie zumindest noch einander gehabt. Doch nun verbrachte sie alle Tage nurmehr alleine in ihrem Kerkergemach. Wartend, leidend, eingesperrt und nur zu den zwei Mahlzeiten morgens und abends wurde sie kurz besucht und kalt gemustert.

Früher hatten die Schwestern sich immer zugerufen, hatten an der Kerkertüre Gespräche geführt, sich gegenseitig vorgesungen, oder Geschichten erfunden. Doch es war und blieb nur ein einziger kleiner Raum in dem man jede für sich und vollkommen alleine lebte oder besser gesagt, vor sich hinvegetierte.
Man konnte hier weder tanzen, noch lachen, noch herumlaufen.
Die Welt war eng und immer enger geworden, still und immer Stiller, als ihre Schwestern dann der Reihe nach starben. Und für sie wurden die neuen Regeln dann nun sogar besonders hart.

Ursa hatte sich früher nie um ihre Töchter gekümmert, doch nun hatte sie wohl erkannt, dass sie ja nur noch diese eine besaß. Jedoch, Gemma sah sie schon lange nicht mehr als ihre Mutter an.
Sie war eine Herrin.
Ja.
Die grausame Herrin Ursa of Jayy, Vorsteherin und Beschließerin dieses hohen Hauses.
Das aber nur noch, solange der Herr noch leben würde. Severin Jayy, dem man aber schon seit über einem Jahr eine schwere Krankheit nachsagte, an der er mehr und mehr zerbrach.
Die Götter bestraften ihn.

Nun, er hätte sie ja auch einfach akzeptieren können, aber das kam für diesen harten Mann wohl nicht in Frage.
Denn das Leben eines Mädchens zählte in dieser ungerechten Welt von Iddhee, nun mal rein gar nichts, wenn es da nicht auch noch einen Bruder hatte, welcher der Erbe des Hauses und ihr Beschützer sein konnte, bis sie dann ehrenvoll in eine andere edle Familie einheiratete.

Doch das war bei einer bruderlosen jungen Frau natürlich völlig unmöglich.
Sie zu verheiraten, gar auch noch gut...
Sie wurden nur immer und ewig daran gemessen, wie viele starke Brüder sie hatte. Aber hatte sie keinen einzigen, dann war ihr Leben wertlos.
Ja... Wenn es nach ihrer Mutter ginge, würde sie wohl nun für immer in diesem Kerker sitzen bleiben, der mit wenigen schlichten Möbeln ausgestattet war, aber nun zumindest einige Büchern zu ihrer Unterhaltung bot.
Doch Gemma wünschte sich nur noch jeden Tag verzweifelter ihre Freiheit oder den Tod.

Die Braut der Magier #Wattys2023Where stories live. Discover now