7 | Juni 2019

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Michaels Bewusstsein kehrte in seinen Körper zurück, als warme Finger über seinen Rücken strichen. Sie wanderten hinauf zu seinem Haaransatz, um seine braunen Strähnen zu liebkosen, dann tanzten sie hinab zu seinem Gürtel, der trotz der späten Stunde noch in seiner Jeans steckte. Um die seltene aber äußerst zärtliche Berührung noch einen Moment auszukosten, hielt er seine Augen geschlossen und versuchte verzweifelt nicht laut zu seufzen, als die Hand sich an seinen Hinterkopf legte und dort kleine Kreise auf seiner Kopfhaut malte. Als sie sich zurückzog, konnte er ein enttäuschtes Stöhnen allerdings nicht mehr zurückhalten.

„Mhhhh", seine Wimpern klebten vom Schlaf zusammen, sodass er einige Male blinzeln musste, bevor er das wunderschöne Gesicht mit den dunklen Augen, das nur knapp vor seinem schwebte, wirklich sehen konnte. Im Hintergrund lief gerade der Abspann des Films, den sich die beiden hatten ansehen wollen. Mist, er hatte die kostbare Zeit mit ihm verschlafen.

Christian lächelte ihn an, entblößte dabei leicht seine Zähne. „Na Dornröschen?"

„Wie spät ist es?", fragte Michael heiser und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Die linke Hälfte kribbelte und juckte von dem groben Stoff des Zierkissens, auf dem er gelegen hatte.

„Halb 11", sagte der dunkelhaarige Mann, der nach Michaels Geschmack viel zu selten auf seiner Couch saß und mit ihm fernsah oder besser, in dessen Gegenwart er generell viel zu selten sein durfte.

„Du, ich mache mich dann auf den Heimweg."

„Mhhhh", entfuhr es Michael wieder. Es war jedes Mal das Gleiche. Er wollte nie bleiben. Nach ihrem holprigen Start konnte er es ihm nicht übel nehmen und was danach mit Simon passiert war, hatte ihr Verhältnis erst recht auf ein Fundament gestellt, das kaum das Gewicht ihrer Beziehung zu tragen vermochte. Es hatte sich stattdessen eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt, die Michael zwar akzeptierte, aber über die er nicht glücklich war. Dennoch war er froh um jeden der kleinen Augenblicke, die sie zusammen verbrachten, denn seine Gefühle für ihn waren komplex.

„Brauchst Du noch etwas?", fragte Christian und stand auf. Sein Blick war im Dämmerlicht der Wohnung nur schwer zu deuten, doch Michaels Herz stolperte unglücklich, als er sich zum Gehen schickte. Das konnte es noch nicht gewesen sein für heute. Bitte nicht.

„Rauchst Du noch eine mit mir?", fragte er mit belegter Stimme und versuchte Christians Blick zu erhaschen.

„Na klar", sagte dieser sanft.

Die Zigarette am Fenster des französischen Balkons in Michaels Wohnung war zu ihrem Abschiedsritual geworden und obwohl, Michael die meist sehr stille Zweisamkeit genoss, kam er nicht umhin, sich vor diesen Momenten zu fürchten, denn sobald sie vorüber waren, ließen sie ihn allein und kalt zurück. Die Wärme verabschiedete sich dann zusammen mit dem schwarzhaarigen Mann und kehrte erst bei ihrem nächsten Treffen zurück.

Michael schaffte es erst, seine steifen Beine in Richtung des Balkons zu lenken, als Christian bereits davorstand und seine Lippen um den Filter einer seiner geliebten Zigarillos zu legen. Wie er diese Marke rauchen konnte, war Michael zwar schleierhaft, aber er mochte den leicht süßen Geruch des Rauchs. Er hob seine eigene, frische Schachtel vom Esstisch auf, riss das Plastik ab und nahm sich ebenfalls eine Zigarette heraus.

Christian ließ das Feuerzeug schnappen und entzündete seinen Zigarillo, während die Flamme ein warmes Licht auf sein Gesicht warf und die markanten Züge seines Kinns weicher wurden. Für die Dauer eines Herzschlags stand er einfach nur da und nahm das Bild dieses Mannes, der sein Leben seit Monaten auf den Kopf stellte, in sich auf. Er beschäftigte sich damit, jedes Detail wahrzunehmen, um dem Drang zu widerstehen, ihn dort auf der Stelle zu küssen und sich an ihn zu schmiegen.

Love and DestroyWhere stories live. Discover now