16 | Januar 2020

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Michael summte leise die Melodie des Songs, der aus den Boxen seines Sound Systems dudelte, während er das Fleisch in der Pfanne wendete. Der Reis köchelte nebenbei; das Gemüse war im Dampfgarer und die Soße würde er direkt in der Pfanne angießen.

Zufrieden mit sich selbst nahm er den Rotwein aus dem kleinen Weinregal, das ihm Felix geschenkt hatte und entkorkte die Flasche, überlegte kurz, ob er ihn zum Dekantieren umfüllen sollte. Nein, das war den Aufwand nicht wert. Stattdessen stellte er die Flasche geöffnet auf der Anrichte ab; den Wein ein wenig atmen zu lassen, würde zumindest nicht schaden – auch wenn es in der Flasche fast nicht zu merken war, für sein Gefühl war es gut. Überhaupt war er seit Österreich deutlich weniger pingelig; der Wein in Plastikbechern verfolgte ihn noch immer.

Er freute sich auf den Abend, denn Christian hatte sich zum Essen angekündigt. Anstatt wie so oft beim Lieferservice zu bestellen oder sich beim Italiener verköstigen zu lassen, hatte er sich entschieden selbst zu kochen. Auch wenn er nicht viel Übung hatte, ab und an hatte er Spaß daran. Im Alltag fehlte ihm meist die Zeit dazu, doch heute gab er sich Mühe.

Zufrieden mit sich deckte er den Tisch, als ein Klingeln ihn aus seiner Vorfreude riss. Stirnrunzelnd wischte er sich noch einmal die Hände an dem Geschirrhandtuch ab, das er in eine der Schlaufen seiner Hose gesteckt hatte und schlich zu Tür. Christian hatte seinen Schlüssel behalten, als er wieder ausgezogen war; wer klingelte denn? 

Doch hoffentlich nicht wieder die junge Studentin, die im Herbst die Wohnung über ihm bezogen hatte und in letzter Zeit überraschend oft Mehl, Zucker oder Eier von ihm lieh. Bei ihrem ersten Besuch hatte er leider den Fehler gemacht, sie auf ein Glas Wein einzuladen und jetzt wurde er sie nicht mehr los.

Möglichst leise tapste er zu Tür und spähte durch den Spion; doch statt ihrer dunklen Locken, sah er glatte blonde Haare. Phillip.

Er schluckte; was wollte der denn hier?

Zögerlich legte er seine Hand auf die Klinke. Auf keinen Fall hatte er Lust, mit ihm zu sprechen, aber er konnte ihn nicht einfach ignorieren. Christian müsste ebenfalls gleich hier sein.

Vielleicht ging es ja schnell und der ungebetene Gast verließ die Wohnung rechtzeitig wieder.

Als die Tür aufschwang, blickte Phillip zu ihm auf. So wie er dort stand, sah er elend aus. Die Schultern hingen schwer nach unten, in seinem Gesicht standen Scham und Schmerz.

„Phillip", sprach Michael ihn wenig geistreich an. Was wollte er? Warum stand er plötzlich vor seiner Tür?

„Kann ich kurz reinkommen?", fragte der Blonde leise, spielte dabei verlegen mit dem Saum seiner Jacke.

Michael konnte das Fleisch riechen, nach dem er dringend sehen sollte. Also nickte er wortlos, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück ins Innere der Wohnung. Die Höflichkeit, Phillip in seine Wohnung zu bitten oder sogar zu warten, bis er seine Schuhe ausgezogen hatte, konnte er nicht aufbringen.

Obwohl er wusste, dass Phillip mit sich zu kämpfen hatte, hatte er keine Sympathien mehr für ihn übrig. Es hatte wohl nicht gereicht, dass er aus Christians Haus ausgezogen war, um sich aus dessen Leben zu halten. Christian war sein Exfreund verdammt, nicht sein Therapeut oder sein Vater. Auch wenn die beiden viel verband, ein wenig Anstand gehörte dazu.

Michael seufzte. Na ja, vielleicht war er nicht der Richtige, um darüber zu urteilen. Aber er hatte dazugelernt. Phillip anscheinend nicht.

Zurück am Herd nahm er das Fleisch aus der Pfanne, um es auf einen Teller in den vorgeheizten Backofen zu stellen. Hinter ihm räusperte sich Phillip, lenkte ihn ab.

Love and DestroyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt