22.2 Jahr 2: Reine Weihnacht

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Im Spiegel stand eine schrecklich blasse Frau, die unzufrieden an ihrem Kleid herumzupfte

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Im Spiegel stand eine schrecklich blasse Frau, die unzufrieden an ihrem Kleid herumzupfte. Das Kleid war wunderschön, keine Frage, lavendelfarben mit einem weiten Rückenausschnitt und langen, mit Spitze besetzten Ärmeln, die manchmal über ihre dünnen Finger fielen. Der Saum am Ende des Kleids war gerafft und kitzelte bei jeder Bewegung an ihren Knöcheln, die in unbequemen schwarzen Schuhen stecken, lange Absätze und ein halbes Dutzend Schleifen zur Verzierung.

Narzissa Black - sie hatte sich so an ihren Namen gewöhnt, es kam ihr seltsam vor, dass sie ihn bald ändern würde. Narzissa Malfoy würde sie dann heißen. Sie würde die Verbindung zu ihrer Familie nicht komplett verlieren, sie wäre auch nach der Eheschließung immer noch eine Black, aber es würde nie wieder so sein, wie es früher war. Sie, Andy und Bella würden nie wieder durch die Hallen von Black Manor laufen und Verstecken mit den Hauselfen spielen, sie würde nicht mehr mit ihren Schwestern in einem großen Bett liegen und den neusten Tratsch und Klatsch austauschen, sie würde nie wieder davon träumen, wie es wohl wäre, am Altar in die glücklichen Gesichter von Bellatrix und Andromeda zu schauen. Ob sie wohl Andromeda je wiedersehen würde? Seit sie im letzten Jahr verkündet hatte, diesen Muggelgeborenen heiraten zu wollen, hatte sie kein Wort mit ihrer Schwester wechseln können. Andy war noch an dem Abend verschwunden und aus dem Stammbaum gebrannt worden - ein Werk von Tante Walburga, kein Zweifel.

Narzissa betrachtete ihr Gesicht im Spiegel, die hohe Stirn, die feine Nase und die grauen Augen. Sie lächelte, aber es sah wie eine Grimasse aus. Was war nur aus ihrer Familie geworden? Eine Schwester war verschwunden, die andere psychotisch, der Erbe der Blacks war ein Gryffindor, um Merlins Willen, und ihre Mutter hatte einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen. Wenn es so weiter mit den Blacks ging, dann wären sie den Platz an der Spitze der Heiligen Achtundzwanzig bald los. Die Hierarchie der Reinblüter war ein seit Jahrhunderten unerschüttertes Konstrukt, jeder war sich seines Platzes mehr als bewusst. Sie und Bellatrix hatten bereits ihren Soll als Töchter des Nebenzweigs erfüllt und sich mit Männern aus anderen Reinblutfamilien verbunden, aber wenn sie sich Sirius und Regulus ansah, dann war sie sich nicht sicher, ob die Herrschaft der Blacks eine weitere Generation anhalten würde. Bereits jetzt gab es Gerüchte und Geflüster darüber, dass sie ihren Thron verlieren würden. Daralis Fawley und Perelope Avery hatten sich ausgiebig bei der letzten Zusammenkunft der Familien darüber unterhalten und obwohl es Narzissa in den Fingern gekitzelt hatte, diesen beiden gierigen Wurm-Frauen ein paar Flüche aus dem Arsenal der Blacks auf den Hals zu hetzen, hatte sie sich beherrscht. Denn sie hatten doch Recht, nicht wahr? Mit den Blacks ging es langsam bergab.

Ein Klopfen an der Tür ließ sie endlich von ihrem Spiegelbild absehen. Dunkelrotes Licht fiel durch einen Spalt der Vorhänge in das Gästezimmer in Malfoy Manor. „Herein", sagte Narzissa, glättete geistesabwesend die nicht vorhandenen Falten auf ihrem Kleid.

Ein hochgewachsener Mann in dunklen Roben trat ein. Abraxas Malfoy war ein respektabler Mann, mit intelligenten, dunklen Augen und weißblonden Haaren, die zu einem dünnen Pferdeschwanz gebunden seinen breiten Rücken hinabfielen. Er hatte ein glattrasiertes, ebenes Gesicht, mit lediglich einer langen, feinen, silbrigen Narbe, die seine untere Lippe durchschnitt. Narzissa erwischte sich zu oft dabei, wie sie die Narbe anstarrte, zu der ihr Lucius nie gesagt hatte, wie sein Vater dazu gekommen war.

„Mr. Malfoy", sagte Narzissa und beugte den Kopf.

„Bitte, wir gehören fast zur gleichen Familie, ich glaube es ist Zeit, wenn wir die Förmlichkeiten hinter uns lassen. Nenn mich einfach Abraxas."

„Ich werde es versuchen", erwiderte Narzissa, die es schwierig fand, dem Mann in die Augen zu sehen. Sie hatte das Gefühl, er könnte jeden ihrer Gedanken lesen.

Abraxas trat weiter in den Raum, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und blieb vor den geschlossenen Vorhängen stehen. Durch den Spalt lugte er in den Garten. „Die Vorbereitungen laufen wunderbar", sagte er langsam. „Die Lestranges sollten auch jeden Moment eintreffen. Wenn du es wünscht, lasse ich Bellatrix herbringen."

„Das wäre zu freundlich."

„Nicht doch. Ihr gehört zur Familie, nicht wahr?" Abraxas wandte ihr den Kopf zu und lächelte. Wenn sie nicht wissen würde, dass er vor wenigen Jahren einen gigantischen Putsch im Zaubereiministerium verursacht hatte, wodurch der muggelgeborene Minister Nobby Leach zurückgetreten war, dann würde sie sein Lächeln als wärmlich empfinden. Schauspielerische Leistungen hatten ihn damals davor bewahrt, seine Stelle im Zaubergamot zu verlieren und auch heute war sich Narzissa nicht sicher, was echt und was gespielt war.

„Stimmt", sagte sie nur.

„Nun", Abraxas wandte sich wieder zum Fenster, die breiten Schultern durchgedrückt, „es gibt etwas, weswegen ich dich aufgesucht habe, Narzissa. Ich möchte dir ungerne deinen besonderen Abend ruinieren, deswegen wollte ich dich vorwarnen, dass unter den Gästen heute Abend Anhänger des Mannes sein werden, der die magische Welt in Aufruhr bringt. Sicherlich weißt du, wen ich meine."

Narzissa schluckte schwer. Natürlich wusste sie, wer gemeint war, wie auch nicht, wenn ihre eigene Schwester wie ein verliebtes Mädchen über diesen Lord schwärmte, der vorhatte, die Muggel und Schlammblüter aus der Welt zu bannen. Sie stimmte nicht mit dem wahllosen Morden und Schlachten überein, aber auch sie war es leid, dass sie ihre magischen Fähigkeiten vor einem Großteil der Menschen verstecken musste. Wieso musste sie in den Schatten leben, wenn ihre Macht doch alles Licht verschlingen konnte?

„Sie wollen Rekrutieren, nehme ich an?"

„Keiner von ihnen wird es wagen, die Festlichkeiten zu unterbrechen, keine Sorge. Sie haben klare Befehle, kein Aufsehen zu erregen. Allerdings wollte ich dich nicht blindlings in ihre Arme schicken, Narzissa. Ich weiß, dass du Konflikten lieber aus dem Weg gehst."

„Ich vermeide, was zu vermeiden ist, aber ich weiß, wann ich mir die Hände schmutzig machen muss. Danke für deine Warnung, Abraxas. Ich werde mich den Anhängern des Dunklen Lords entgegenstellen und sie herzlich willkommen heißen, wie es sich für die zukünftige Dame der Malfoys gehört."

Kein Schauspieler der Welt hätte das stolze Lächeln Abraxas' nachahmen können. Der Kopf der Malfoys drehte sich zu seiner zukünftigen Schwiegertochter um, ein Glänzen in den grauen Augen. Das dunkelrote Licht der Abendsonne ergoss sich auf ihn, sodass es aussah, als würde er in Flammen stehen. „Du übertriffst all meine Erwartungen, Narzissa. Lucius hätte sich wahrlich keine bessere Frau als dich suchen können. Du wirst dem Namen Malfoy alle Ehre machen, dessen bin ich mir sicher."

„Vielen Dank, Mr. Malfoy", erwiderte sie, bevor sie sich daran hindern konnte.

Ein seltenes Geräusch erfüllte Malfoy Manor; Abraxas lachte und lächelte sie an, wie ein Vater seine Tochter anlächeln würde. „Bleib bei Abraxas, meine Liebe. Wir sind jetzt eine Familie."


The Marauders' TaleWhere stories live. Discover now