Im Wolfsbau

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Seine Mutter war sofort losgerannt und sein Vater hatte Bogen und Köcher mit Pfeilen geschultert, als Tiames losgelaufen war, um sich in dem Wolfsbau zu verstecken. Er hatte den Bau vor ein paar Monaten entdeckt, als er mit seinem Vater auf der Pirsch gewesen war, und seither kam er öfter her, wenn er allein sein wollte.

Tiames hatte wenige Gemeinsamkeiten mit seinen Altersgenossen im Dorf. Er war fremd. Er war anders. Nicht wirklich ein Mensch – und doch auch kein Elf. Wenn die übrigen Jungs aus dem Dorf balgten, ließen sie ihn außen vor, fast so, als fürchteten sie, dass sein zarter Körper zerbrechen könnte. Wenn sie spielten, fragten sie ihn fast nie, ob er sich zu ihnen gesellen wollte, aber Tiames hatte oft gehört, wie sie hinter seinem Rücken über ihn tuschelten. Selbst bei den Mädchen hatte er schon mitbekommen, wie sie darüber rätselten, ob denn wirklich ALLES an ihm so klein und zart war. Wenn einige ihn mit ihren Blicken musterten, errötete Tiames und dann fingen sie an, hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln und zu kichern.

Mehr als einmal war er den Tränen nahe zu seinen Eltern gelaufen und sein Vater hatte ihn dann immer mit auf die Pirsch genommen. Hier im Wald fühlte er sich zu Hause. Geborgen und verstanden. Hier lachte niemand über ihn. Hier war sein flinker, gewandter Körper ihm schon oft von Vorteil gewesen, wenn er sich an eine Jagdbeute anschlich und sein Vater hatte ihm früh den Umgang mit dem Bogen beigebracht.

Tiames saß oft in dem Wolfsbau und dachte nach. Über die Menschen, das Dorf, den Wald und vor allem sich selbst. Er wusste, dass er elfisches Blut in seinen Adern hatte, aber noch nie hatte er einen leibhaftigen Elfen gesehen. Und so dachte er oft darüber nach, wie sie wohl waren. Wie sonst sollte er jemals verstehen, wohin er gehörte und wer er war?

Doch nun saß er in dem Wolfsbau, zusammengekauert in dem hintersten Winkel des Baus und die Gedanken drehten sich nur um die Orks und um seine Eltern. Er hatte diese Kreaturen gesehen und er befürchtete, dass sie seinen Vater töten würden, wenn es zu einem Kampf kam.

Kurz nachdem er von der Hütte losgelaufen war, hatte er geglaubt, eine Frauenstimme schreien zu hören. Sie hatte ihn an die Stimme seiner Mutter erinnert – doch dann war der Wald still gewesen. Er hatte überlegt, zurückzulaufen, doch er hatte Vater versprochen, sich zu verstecken. Und was hätte er tun sollen? Sein Vater wäre sicher schneller zur Stelle gewesen und außerdem war es ohnehin unwahrscheinlich, dass seiner Mutter etwas zugestoßen war. Von der Hütte zum Dorf brauchte man nicht lange und die Orks waren noch weit entfernt gewesen. Aber was, wenn es mehr von ihnen im Wald gab?

Tiames hatte Angst.

Tiames - der WaldläuferWhere stories live. Discover now