28 - Freunde - Julian

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Samstag, 13.04.24 - when the party's over/Billie Eilish -

Sanft blickte ich zu Mia auf und erkannte den Schmerz, der ihr direkt ins Gesicht geschrieben stand. Deshalb setzte ich mich auf ihre rechte Seite und Tom ließ sich links von ihr nieder. Dann bückte sie sich und kramte in ihrer Tasche, bis sie schnell eine Ibuprofen gefunden hatte.

Allein die Form des Schmerzmittels trieb mir schlechte Erinnerungen an unsere Jugend ins Gedächtnis. Damals hatten wir eigentlich so gut wie jeden Schmerz damit bekämpft, in ganz schlimmen Fällen sogar prophylaktisch. Inzwischen wusste ich über die Schäden, die dieser Typ Schmerzmittel hervorrufen konnte, weshalb ich nur im aller nötigsten Notfall zu diesen griff. Deshalb sah ich es auch nur ganz ungern, wie sie die Tablette ohne zu zögern herunterschluckte und etwas Wasser hinterherspülte.

Dann atmete sie einmal hörbar aus und lehnte sich mit dem Rücken an die Holzwand hinter uns. "Geht's wieder ein bisschen?", fragte Tom vorsichtig nach. Sie nickte tapfer, aber es war direkt erkennbar, dass es ihr eindeutig immer noch schlecht ging. Ich schüttelte nur den Kopf. So kamen wir nicht weiter, weshalb ich meinte: "Komm schon, Mia. Uns brauchst du nicht anlügen. Oder vor uns tapfer spielen. Wir haben das beide schonmal durchgemacht."

Ich blickte ihr ins Gesicht, als sie den Blick erneut auf den Boden vor ihren Füßen richtete. Dann erkannte ich die erste Träne in ihren Augen, die ich vorsichtig mit der Rückseite meines Zeigefingers wegwischte. Sie atmete erneut tief durch und schüttelte den Kopf, wie um die Tränen zu vertreiben.

Dann hörte ich wieder ihre Stimme, und war geschockt, wie gebrochen sie klang: "Ich hab einfach Angst. Davor, dass es doch was Richtiges ist. Damals, mit meinem Kreuzband...", sie schluchzte leise, was Tom und mich gleichzeitig dazu veranlasste, die Hand auf ihren Rücken zu legen, "... da hab ich gedacht, dass ich nie wieder spielen kann. Unter anderem deshalb wollte ich auch niedriger spielen. Dass ich nie wieder in so eine Situation komme. Und jetzt sitze ich hier und..." Sie konnte den Satz nicht beenden.

Doch wir verstanden sie auch so sehr gut. Dann flossen die ersten Tränen und ihr Kopf pendelte kraftlos zur Seite. Tom fing sie schnell auf und umarmte sie von der Seite. Diese Umarmung stach mehr als das, was ich vorher an Sorge für sie gespürt hatte. Warum hatte sie sich nicht zu mir gelehnt? Es war doch definitiv klar, dass wir zwei uns näher standen... Wo kamen denn bitte plötzlich diese Gedanken her? Meine beste Freundin weinte und anstatt sie zu trösten, regte ich mich über den Typen auf, der es tat? Was war denn bei mir falsch?

Plus - es lief eigentlich alles genau so, wie es sollte. Tom hatte sie im Arm und strich ihr sanft über die Haare, um sie zu beruhigen. Genau das war doch von Anfang an der Plan gewesen! Woher kamen jetzt diese seltsamen Gefühle? Um die Gedanken loszuwerden, kramte ich in der Seitentasche ihrer Trainingstasche, die immer noch offen stand, nach einem Taschentuch.

Schnell hatte ich eine Packung gefunden und zog eins davon heraus, um es ihr zu reichen. Sie löste sich vorsichtig aus der Umarmung mit Tom und blickte mich verwirrt, aber dankbar an, als sie das Taschentuch annahm und damit ihre Tränen wegwischte. Dann überlegte ich. Es war zwar nicht einfach, als Außenstehender an unsere Mannschaftsärzte heranzukommen. Aber einen Versuch war es auf jeden Fall wert.

So bot ich ihr an: "Wenn du willst, rede ich mal mit unseren Mannschaftsärzten und schaue, dass ich einen Treffen mit dir vereinbare." Sie blickte zu mir hoch. "Das geht?" Ich lächelte besänftigend. "Ich werde es auf jeden Fall versuchen." Ein kleines Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. Endlich. Dann nickte sie zögerlich und meinte: "Das wäre der Hammer, wenn das klappen würde. Ich hatte bislang hier in Köln noch nicht die Zeit, nach einem neuen Arzt zu suchen..."

Tom und ich blickten uns an und lächelten gleichzeitig. Für sie würden wir Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Da war ein Termin bei einem unserer eigenen Ärzte nicht das Riesending. Dann holte Tom tief Luft und sagte: "Okay. Dann schauen Juli und ich mal, dass wir das anleiern. Aber du solltest jetzt erstmal duschen gehen. Und dich ein bisschen feiern lassen. Das war ein Hammer-Spiel, das du da abgeliefert hast. Versuch, dich wenigstens ein bisschen über den Sieg zu freuen, okay? Den habt ihr nämlich auf jeden Fall verdient."

111 km/h  /// Julian Köster ffWhere stories live. Discover now