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09.06.2023, 09:24

Schnell renne ich zur Tür. „Frau Schneider?! Können Sie mich verstehen?" rufe ich. Die Tür ist abgeschlossen. Aus ihrer Wohnung höre ich ein leises Geräusch, welches ich nicht näher definieren kann. „Frau Schneider? Was ist passiert?" Jetzt ist alles still. Schnell entscheide ich mich für die erstbeste Variante und ramme die Tür mit meiner Schulter ein. Ein Glück ist diese schon alt, sodass es nicht wirklich schmerzhaft ist. Frau Schneider liegt in ihrem Wohnzimmer neben dem Sofa. Sie hat eine Platzwunde am Kopf und sie hat die Augen zu. Schnell renne ich zu ihr und fühle ihren Puls. Noch da. Ein Glück. Mein Handy! Sofort wähle ich - nachdem ich Frau Schneider in die stabile Seitenlage gelegt habe - den Notruf und schildere dem Leitstellendisponenten die Lage. Dieser verspricht sofort einen Rettungswagen zu schicken. Ich überprüfe die ganze Zeit die Vitalfunktionen und bleibe bei meiner Nachbarin. Sie ist immer noch bewusstlos, aber stabil.

Endlich höre ich von draußen Martinshörner. Ich lasse Frau Schneider kurz alleine und laufe raus, um den Rettungskräften - die sich als Jacky und Florian rausstellen - den Weg zu zeigen. Ich lasse die beiden erstmal ihre Arbeit machen und kontaktiere in der Zwischenzeit die Tochter von Frau Schneider. Diese verspricht mir, sich sofort auf den Weg zu machen. Hoffentlich fährt sie langsam...

Das hat sie tatsächlich gemacht und trifft 10 Minuten später an unserem Häuserblock ein. Nadine Schneider wirkt zwar ziemlich aufgewühlt, aber sehr gefasst. „Okay, kann ich denn mitfahren?" fragt sie mich, nachdem meine Erlebnisse geschildert habe. „Ja, ich denke dagegen ist nichts einzuwenden. Sie können vorne einsteigen." Ich lasse meine Kollegen mal die Arbeit machen und ziehe mich zurück. Schließlich wollte ich ursprünglich einkaufen und meinen leeren Kühlschrank auffüllen.

Diesen Weg trete ich - nachdem der RTW abgefahren ist und Nadine Schneider sich für die Erste Hilfe bedankt hat - auch an. Zum Supermarkt ist es nicht weit und ich gehe den kurzen Weg zu Fuß. Die Sonne strahlt und die Temperaturen sind angenehm. Einer der Gründe, warum ich nach Köln gezogen bin, war, weil es so schöne Wohnungen am Rhein gibt, mit einem Ufer im Garten. Verständlich, dass es auch manchmal Hochwasser geben könnte, aber das wäre es mir wert. Leider hat es nur für eine kleine Wohnung in der Innenstadt gereicht, was aber auch nicht schlimm ist, da dort die Geschäfte einfach näher sind.

Am Supermarkt angekommen, schnappe ich mir einen Einkaufswagen und gehe durch die Gänge. Was koche ich denn die nächsten Tage mal? Gute Frage...

Schlussendlich entscheide ich mich für Wraps, weil man die noch morgen essen kann. Dazu Salat und Eis. Obst und Gemüse darf auch nicht fehlen, wir wollen uns ja gesund ernähren. „Mit Karte bitte". An der Kasse bezahle ich und gehe den Weg zurück nach Hause. Dort angekommen räume ich die Sachen weg und setze mich auf den Balkon. Von dort aus hat man eine gute Sicht auf den Kölner Dom und die Menschen, die dort unterwegs sind. Ich liebe es einfach dort zu sitzen und Menschen zu beobachten. Zu dieser Uhrzeit sind die meisten Leute arbeiten oder in der Schule. Nur vereinzelt laufen ältere Herrschaften über den Bürgersteig und bleiben kurz stehen um sich die zwei Kirschblütenbäume anzugucken, die schöne rosa Blüten haben. Mein MacBook steht auf dem Holztisch, den Franco und ich aus vier Weinkisten gebaut haben. Ich nehme es und lasse mich auf das Sofa fallen, welches neben einer Palme steht. Diese steht in einem Topf am Rand des Geländers. Ich mag meinen Balkon an meiner Wohnung am liebsten. Die Tür ist in der Mitte, dann rechts das Sofa und in der Mitte der Holztisch. Links liegen Kissen und daneben eine Hängematte. Dahinter sind auch noch Blumen. Vorne rechts am Geländer steht ein Grill und vorne in der Mitte noch ein Tisch mit zwei Stühlen. Mehr brauche ich nicht, ich bin ja alleine. Auf meinem MacBook gucke ich mir eine Serie an und mache zwischendurch noch etwas zu essen. Die Sonne scheint heute schön und draußen sind viele Menschen unterwegs. Zwei Stunden später klingelt mein Handy. Ich erschrecke mich total, weil ich so vertieft in die Serie war. Auf dem Display erscheint der Name Franco. „Ja, was gibt's?" frage ich, nachdem ich das Telefonat angenommen habe. „Hallo Alex, ich hätte so ne kleine Angelegenheit hier zuhause." Was hat er jetzt schon wieder gemacht? „Ja?" Erwartungsvoll warte ich auf das, was jetzt kommt. „Nun ja, also wie du weißt ist Marisa ja im Urlaub und sie hat den Zweitschlüssel für das Haus dabei. Ich war gestern morgen so im Stress, dass ich die Tür zugezogen habe und den Schlüssel drinnen vergessen habe..." murmelt Franco in sein Handy. Ich kann nicht anders und muss anfangen zu lachen. Seine Verlobte ist in Frankreich um ihre Verwandten zu besuchen. Sowas kann auch nur Franco passieren. Typisch! „Ich komme vorbei, ist nirgends ne Tür auf?" frage ich und schnappe mir meinen Autoschlüssel. „Ne, aber oben ist ein Fenster auf Kipp, ich hab nur keine Leiter." nuschelt er und mir ist klar, dass er total rot im Gesicht ist. „Okay, ich komme vorbei, warte nur eben kurz." Ich nehme mein Auto, welches vor der Tür steht (ein schwarzer Volvo XC60) und fahre los. Vor meinem Auge habe ich eine bestimmte Richtung. Nicht in Richtung Neustadt-Süd, sondern in Richtung Ehrenfeld, wo ich an einem großen Gebäude halte. War ja klar, dass keiner von uns beiden ne Leiter hat. Ich kenne Francos Haus sehr gut und weiß, dass es vom Boden zum ersten Stock gute 5 Meter sind, jedenfalls bis zum ersten Fenster. Ich stelle meinen Motor ab und gehe auf das Gebäude zu. Hier bin ich sehr sehr gerne. Die Freiwillige Feuerwehr Ehrenfeld. Ja, tatsächlich bin ich neben meiner Tätigkeit als Notarzt in meiner Freizeit bei der Feuerwehr aktiv. Meine Freunde aus anderen Berufen würden sagen Du bist ja durch und durch im Blaulichtsektor. Aber sie haben ja Recht damit und ich will es auch gar nicht bestreiten. Ich schließe das Gerätehaus auf und schreibe auf die Tafel „LF unterwegs um F.Fabiano zu helfen. In 20 Minuten wieder da". Dies müssen wir tun, falls ein Einsatz kommt. Ist ja selbstverständlich. Ich lege meine Uniform auf den Beifahrersitz, mache das Tor auf und fahre das Löschfahrzeug aus der Halle raus. Schließlich - nachdem ich das Tor zugemacht habe - komme ich bei Francos Haus an. Er steht grinsend davor. „Hätte ich mir ja denken können. Typisch du! Aber danke, dass du helfen kommst. Siehst du das Fenster da oben? Das ist auf Kipp." Ich nicke und steige aufs Dach. Franco steht unten, mit Arbeitshandschuhen (keine Ahnung, wo er die jetzt her hat) und wartet darauf, die Leiter unten anzunehmen. „Achtung!" Rufe ich und lasse die Dreiteilige Schiebeleiter nach unten ab. Dort nimmt Franco sie an und eine Minute später steht sie angelehnt an der Hauswand dort. „Okay, halt du am besten fest und ich steige hoch. Dann mache ich dir unten die Tür auf." meine ich und steige (natürlich in Uniform und mit Helm) die Leiter hoch. Inzwischen sind schon einige Nachbarn aus ihren Häusern gekommen, die das rote Auto draußen gesehen haben.

Einmal Retter, immer RetterWhere stories live. Discover now