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17.06.2023, 09:12

Mit pochendem Gefühl im Kopf wache ich auf. Keine Ahnung, was ich mir da alles reingeballert habe. War anscheinend aber mal nötig. Mit leichtem Stöhnen richte ich mich auf und sehe, dass ich im Wohnzimmer auf einer Matratze liege. Neben mir liegt Levi, Arm in Arm mit Julie und neben mir liegt Finn mit einem jungen Mann im Arm. Hat er einen Freund? Warum hat er das noch nie erzählt? Komisch... Mama reißt mich aus meinen Gedanken. Sie steht in der Tür und hat eine Schürze um. „Na, auch mal wach? Papa hat schon frisches Obst und Brötchen geholt." Ich grinse. Es ist wie früher und es hat sich auch ein Glück nichts verändert. „Ich komme... Hast du was gegen Kopfschmerzen hier?" Sie grinst und nickt rüber zum Badezimmer. Ich gehe zwischen Bierflaschen und Chipstüten durch und sehe das Ausmaß des Chaos, das wir veranstaltet haben, erstmal richtig. Überall liegen Luftschlangen, Tüten, Pappteller, Gabeln, Messer, sowie lauter Flaschen, darunter auch Alkohol. Ich schlurfe ins Bad und mache mich frisch. Eine Dusche, was für eine Wohltat. Danach sind die Kopfschmerzen tatsächlich nicht mehr so schlimm und ich ziehe irgendwelche Klamotten von Finn an, welche ich in seinem Zimmer gefunden habe.

Als ich in die Küche komme, scheint die Sonne durch den hellen Raum und die Vögel zwitschern draußen im Garten. Sowas haben wir ja in der Großstadt leider nicht. Hier in der Stadt ist das normal, natürlich auch, wenn man - sowie meine Eltern - etwas weiter draußen wohnt. „Na dann, greif mal zu. Ich hab extra Körnerbrötchen für dich gekauft." Auch das hat sich nach fast 8 Jahren nicht verändert. Papa ist genau wie früher. Mama setzt sich zu mir und wir fangen schweigend an zu essen. Plötzlich macht mein Handy PLING und ich gucke schnell drauf. Eine neue Nachricht von Liam. Hey Alex, ich hoffe es steht bei der Verabredung heute Abend. Ich würde dich um 19 Uhr abholen, wenn es passt :) Ich kenne da ne gute Pizzeria in Köln. Mein Grinsen wird breiter. „Na, wer schreibt dir denn, dass du so gute Laune hast?" will Mama sofort wissen. Mütter... die merken aber auch sofort alles. „Ach, nur ein Freund. Alles gut, mach dir keine Sorgen, ich habe keine Freundin. Nach der einen Sache brauche ich erstmal niemanden." Doch ich stocke... War ich mir da so sicher? Brauche ich wirklich niemanden oder ist da doch jemand? Ich weiß es doch auch nicht. „Na dann, du kannst aber immer mit mir reden Schatz ja?" Ich nicke und esse schweigend mein Croissant weiter.

17.06.2023, 14:03

„Komm mal wieder ja?" Levi, der noch sichtlich angetrunken ist, liegt in meinen Armen und hält mich fest. „Ja klar, oder du kommst mal zu mir." Ich gucke hilfesuchend zu Finn, welcher dann versucht die Klette von mir zu entfernen. „Wir besuchen dich mal wieder in Kölle. Muss dir noch was erzählen, aber das können wir auch am Telefon machen." Ich nicke Finn zu und krame dann meinen Autoschlüssel aus der Tasche. Eigentlich dürfte ich kein Auto fahren, aber mir geht es wieder gut und ich fühle mich sehr gut. „Mach's gut Alex, wir sehen uns bald wieder ja? Spätestens im August, da machen wir eine Fahrradtour am Rhein entlang und haben zwei Tage Stopp in Köln." Mama umarmt mich und schnell wird daraus eine Gruppenumarmung.

20 Minuten später bin ich wieder auf der Autobahn in Richtung Köln. Es läuft Lovers on the Sun und meine Stimmung ist perfekt. Ich habe heute Abend eine schöne Verabredung und meine Brüder haben beide eine/n Partner/in gefunden. Ich denke, dass es das ist, worüber Finn mit mir sprechen will. Schlimm ist das nicht. Im Gegenteil, ich finde es so schön, dass Finn endlich jemanden gefunden hat. Wäre da nur jemand für mich. Naja, im Prinzip ist da ja jemand für mich, nur denke ich, dass die Person überhaupt nichts für mich empfindet. Ach ist das kompliziert...

Eineinhalb Stunden und zwei Wutanfälle später parke ich mein Auto dreist vor der Hauseinfahrt. Wenn die Feuerwehr daher muss, bin jawohl ich der erste, der sein Auto da weg fährt und das mitbekommt, wenn es dann nicht sogar schon weg ist, weil die FF unterstützen muss. Ich habe noch ungefähr drei Stunden Zeit, bevor Liam hier aufkreuzt. In meinem Zimmer lege ich die Sachen raus, die ich später anziehe. Hemd, Jeans und Jacke, falls es später wird. Dazu meine neuen Schuhe und schon steht das Outfit. Na toll, jetzt sind es trotzdem noch zweieinhalb Stunden. Ein bisschen räume ich noch auf, falls wir uns nach dem Pizzaessen noch irgendwo hinsetzen wollen und ich stelle zwei Biere kalt. Als ich meinen Balkon aufräume, sehe ich meinen Nachbarn draußen auf dem Balkon nebenan. Er guckt meinem Treiben zu und grinst. „Na, bekommt da jemand Frauenbesuch?" Ich verdrehe die Augen. „Und wenn es so wäre? Was dann?" Herr Professor Doktor Meier geht mir mit seinen komischen Theorien über eine perfekte Bevölkerung mächtig auf den Keks. Er ist Ende 50 und Physikprofessor bzw. Professor in Sozialwissenschaften an einer Universität und will, dass es einen geregelten Ablauf für alles gibt. Seine Lieblingsbeschäftigung? Andere Nachbarn beobachten und nerven. Nachdem ich hier eingezogen bin, hat er mich eine Woche später gefragt, ob ich im Rotlichtmilieu arbeiten würde, weil ich nachts immer weg sein würde. Dann musste ich ihm ca. ne Stunde erklären, dass ich Notarzt bin und auch nachts arbeite. Anstrengend. Naja, mit der Antwort bzw. Gegenfrage gibt er sich zufrieden und ignoriert mich. Ein bisschen Zeit ist noch übrig und ich beschließe einen Tag mit Lily zu planen, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Was können wir denn mal machen? Wir beide lieben die Harry Potter Filme. Das klingt doch perfekt. Ein Harry Potter Marathon. Alle Filme zusammen dauern 19 Stunden. Das kriegen wir hin. Am besten machen wir das, wenn Tobi wieder da ist. Wir drei haben uns damals bei der Mottowoche beim Abi als das goldene Trio verkleidet. Seit dem Tag ist das irgendwie hängen geblieben und von ehemaligen Mitschülern werden wir teilweise nur noch mit Harry, Ron oder Hermine angesprochen. Ist aber nicht so schlimm.

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