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12.06.2023, 09:20

In 10 Minuten von hier bis in die Stadt. Dürfte Rekordzeit werden. Ich habe doch tatsächlich wieder mal den Wecker überhört. Naja... lag vielleicht an den süßen Träumen heute Nacht... Lasse ich das wirklich zu? Ich muss... aber ich werde mir wahrscheinlich selber damit wehtun... Jetzt erstmal los in die Stadt. Normalerweise bin ich die Pünktlichkeit in Person, aber seit geraumer Zeit nicht mehr. Liegt wahrscheinlich an der Person und meinen Gedanken...

Mit zwei Minuten Verspätung platze ich in das Café, welches ein kleiner Geheimtipp ist. Hinter ein paar Ecken versteckt in der Stadt, aber dafür so gemütlich. Man sitzt hier nicht auf Stühlen, sondern auf Sitzsäcken. Die Lichter sind gedämmt und es gibt so viele Bücher hier. Ich habe zusammen mit Finn definitiv die Liebe zum Lesen von unserem Vater geerbt, Levi hingegen kommt eher nach unserer Mutter. Sportlich und Naturverbunden.

„Hey Alex!" „Lily, hey." Ich umarme sie zur Begrüßung und setze mich dann auch in einen Sitzsack. „Wie geht's dir?" Ihre Standartfrage. Typisch. Also antworte ich mit meiner Standartantwort. „Muss ja, bei dir?" Sie lächelt mich an, aber irgendwas ist anders an ihr. Sie wirkt blasser als sonst und sie ist ungeschminkt. „Geht so, Arbeit halt..." Ich weiß, dass Lily schon lange unglücklich in ihrem Job ist und keinen Spaß mehr an der Arbeit hat. „Was möchtest du trinken? Ich lad dich heute mal ein." Das lässt sie sich nicht zweimal sagen und blättert sofort die Speisekarte durch. „Hm... einen Cappuccino und ein Avocado-Tomaten-Toast." Sie mag Avocado? Seit wann? Neulich hat sie es noch gehasst. „Was möchten Sie?" fragt der Kellner eine Zeit später. Ich gebe unsere Bestellung auf und mustere Lily, welche in Gedanken nach draußen starrt. Sie ist sehr blass und wenn ich mich nicht täusche... Ja! Das müsste passen und würde auch Sinn ergeben. Jackpot! Das will sie mir heute bestimmt sagen. „Hier ist einmal Ihre Bestellung" Ich danke dem Kellner und stelle Lily ihr Essen mit Cappuccino hin. „Alex, ich bin eben auf Toilette... Bin gleich wieder da." Sie springt auf und läuft - wenn nicht sogar rennt - zur Toilette. Als Notarzt kommt mir das schon ein bisschen komisch vor, vor allem weil ich ahne, warum sie mich heute hier hin bestellt hat. Ich nehme mir vor, nach 5 Minuten gucken zu gehen. Wie ich Lily kenne wird sie eh sagen, dass sie keine Hilfe von mir braucht. Typisch meine beste Freundin.

Als sie nach 5 Minuten immer noch nicht da ist, gehe ich Richtung Toiletten um nach ihr zu gucken.

Aus der Damentoilette vernehme ich leise Würggeräusche. „Lily?" Ich trete langsam ein. „Alex ich..." Weiter kommt sie nicht, da sie sich übergeben muss. „Kann ich reinkommen?" Von ihr kommt kein „Ja" oder „Nein", weshalb ich einfach die Tür aufmache, welche sie nicht zugeschlossen hat. Dort sehe ich Lily, halb auf dem Boden liegen, leichenblass im Gesicht und sich übergeben. „Hey..." Ich knie mich neben sie und binde hilflos ihre Haare zusammen. Verdammte Knoten! Bei der Feuerwehr echt gerne, aber bei Frauen mit Haarbändern? Nein danke.

Ich warte ein bisschen, bis sich Lily wieder beruhigt hat. Dann hole ich schnell eine Flasche Wasser. „Hier, trink mal ein bisschen und spül dir den Mund aus hm?" Ich reiche ihr ein Tuch und stütze sie leicht, in dem ich mich hinter sie setze. „Danke... das war echt scheiße." murmelt sie zwischen zwei Schlücken. „Du Lily..." beginne ich leise und streiche ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich weiß Alex... Ich wollte es dir heute sagen... Aber ich denke du weißt es eh schon..." flüstert sie leise, mit Tränen in den Augen. „Hey... du weißt, dass ich Arzt bin... Ich merke das in den meisten Fällen sofort hm." Sie nickt. „Wie weit bist du denn?" Sie schluchzt leise. „Im dritten Monat... Aber ich weiß es erst seit zwei Wochen..." Ich nehme sie in den Arm. „Du schaffst das. Du bist nicht alleine ja? Hast du schon mit Maik darüber gesprochen?" Nun laufen ihr erneut Tränen die Wange runter. Ich streiche ihr sanft den Rücken hoch und runter, bis sie sich beruhigt hat. Eigentlich ist mir schon klar, was sie so aufgeregt hat. „Er... er hat mich direkt danach stehen gelassen... einfach so" Shit! Ich halte sie einfach im Arm und wiege sie sanft hin und her. Langsam beruhigt sie sich und wird ruhiger. „Maik ist ein Arschloch. Wir kriegen das auch ohne ihn hin ja? Ich bin immer für dich da und Tobi auch." Tobi ist mein anderer bester Freund. Mit ihm ist unser Trio ( Lily, Tobi und ich ) komplett. Leider ist er grade auf einer Weltreise und kommt in ein paar Wochen wieder, aber ich denke, dass wir noch genug Monate Zeit haben. „Na komm, lass mal wieder zurück. Sonst ist der Kaffee gleich kalt." Langsam helfe ich Lily hoch wir gehen zusammen wieder zu unserem Platz. Das Essen ist noch da und der Kaffee ist auch noch warm. „Dann lang mal ordentlich zu." munter ich sie auf und wir fangen schweigend an zu Essen.

Einmal Retter, immer RetterWhere stories live. Discover now