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11.06.2023, 08:15

Nun ja, den Wecker um 6 Uhr habe ich eventuell überhört und den 10 Minuten später auch. Nur der Ton meines Handys konnte mich dann doch aus dem Schlaf reißen. So hab ich mich vor einer halben Stunde auf den Weg zur Wache gemacht und bin tatsächlich noch einigermaßen pünktlich gekommen, um Markus abzulösen. Jetzt sitze ich mit Dustin im NEF, auf dem Weg zum Bäcker. So viel zu checken hatten wir tatsächlich nicht und es ging relativ schnell, weil Markus und Thomas so wenige Einsätze hatten, dass sie 5 Stunden geschlafen haben.

„Boar, weißt du was Mega wäre? So ein belegtes Brötchen mit Käse, Salat, Gurken und Remo. Ich hab heute nur einen Apfel gegessen." philosophiert Dustin, welcher echt gute Laune hat. Der Einsatz heute Nacht zieht seine Spuren - vor allem im Gesicht. „Lange Nacht was?" „Mhm... Ölspur..." murmele ich vor mich hin und gucke auf meinem Handy. Liam hat geschrieben. Hey, hab gedacht, dass wir uns am Samstag treffen können (wenn du keinen Dienst hast) und dein Versprechen in die Tat umsetzen können ;) Das klingt ja gut. Meine Laune verbessert sich schlagartig und ich tippe eine schnelle Antwort, nachdem ich in Gedanken meinen Dienstplan durchgegangen bin. Freitag, Samstag und Sonntag habe ich frei. Das hört sich gut an! Ich freue mich :). „Na, was grinst du denn so auf einmal? Willst du mir was mitteilen?" „Guck auf die Straße und nicht zu mir!" mecker ich Dustin aus Spaß an.

Nach 5 Minuten halten wir bei der Bäckerei unseres Vertrauens und bestaunen vom Fenster aus die leckeren Brötchen und Kuchen. „Da hab ich doch noch bessere Laune Alex! Komm, das ist ja krass, was die jeden Tag so raushauen! Finde ich gut." Dustin schnappt sich meine Hand und zieht mich in die Bäckerei. Wir bestellen jeder ein belegtes Brötchen und einen Kaffee (Ja ich weiß, dass es auf der Wache auch welchen gibt, aber der hier ist halt besser). Dann machen wir uns auch schon wieder auf den Weg zum Fahrzeug, als uns eine Frau entgegen gelaufen kommt. „Entschuldigen Sie, aber wir brauchen Ihre Hilfe." Ich gucke Dust an. Wir werfen unsere Brötchentüten in die Fahrerkabine und schnappen uns das Material, was wir hinten drin haben. „Hetkamp, ich bin Notarzt, was ist passiert?" frage ich die aufgebrachte Frau. „Ich habe eine junge Dame gefunden, welche mit einem Mädchen auf dem Boden hockt. Das Mädchen hat die Hand in einem Gullideckel eingeklemmt und kommt da nicht mehr raus. Die beiden scheinen so, als könnten sie kein Deutsch. Kommen Sie jetzt schnell!" Sie läuft ein Stück voraus; Dust und ich hinterher.

Wir kommen nach ca. 50 m hinter einer Ecke an einem Gulli an. Dort sitzen tatsächlich zwei Mädchen auf dem Boden. Die jüngere weint stark und die ältere versucht sie zu beruhigen. Klingt wie Französisch. Ich knie mich zu den beiden runter. „Hey, do you speak English?" Die ältere von den beiden schüttelte leicht den Kopf. „Français" flüstert sie leise und streicht der jüngeren über den Kopf. Ach shit okay... Ich überlege kurz. Die Hand sieht - soweit ich das sehen kann - schon etwas angeschwollen aus. Mit unserer Brechstange dürften Dustin und ich das auch aufbekommen. „Wir brauchen hier einmal nen RTW, aber die Feuerwehr erstmal nicht. Ich mache das mit der Kommunikation." gebe ich Dustin die Anweisung und wende mich wieder an die beiden Mädchen. „Je suis Alex. Je travaille dans le service de secour et j'aimerais vous aider." Sie blicken mich erschrocken an. „Je m'appelle Fleur et voici ma sœur Lola. Sa main lui fait mal et elle ne peut plus la bouger correctement. S'il vous plaît, aidez" Ich nicke. „D'accord, je peux jeter un oeil à ça?" Ich rutsche auf die andere Seite von Fleur und leuchte mit meiner Taschenlampe einmal in den Gulli. Tatsächlich scheint die Hand stark angeschwollen zu sein und an den Seiten sind auch blutige Risse zu sehen. „Quel âge avez-vous tous les deux?" frage ich um beide auf andere Gedanken zu bringen, während der RTW unterwegs ist. Ohne Erziehungsberechtigte dürfen wir sowieso nichts machen. „J'ai 14 ans et Lola 9 ans" Ich lächle und streiche Lola, welche kurz vor einer Hyperventilation steht, sanft über den Rücken zur Beruhigung. „Où sont vos parents ou autres tuteurs légaux?" „Ils sont de retour dans un café en train de manger. Nous essayions de retirer quelque chose de la voiture lorsque la clé est tombée. Là-dedans. Lola voulait récupérer la clé, mais ensuite... sa main..." Ich nicke verständnisvoll und rufe Dustin zu mir. „Kannst du mir einmal einen Zugang geben und dann guck bitte im Café um die Ecke nach, ob du die Eltern zu den beiden findest. Ich warte mit denen auf den RTW." Gesagt, getan. Langsam und verständlich erkläre ich Lola, dass ich ihr einen Zugang legen möchte, um die Schmerzen zu erleichtern. Fleur hilft mir ein bisschen dabei, ihr Englisch ist nicht wirklich gut, aber jedenfalls verstehen wir uns in einem Frenglisch Mix.

Einmal Retter, immer RetterWhere stories live. Discover now