CP 3: Mein verfluchtes Spiegelbild

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Ich weiß nicht, wie lange es her ist, seit ich das letzte Mal geschlafen habe. Jede Nacht liege ich wach und starre das grelle weiß der Decke an, während ich versuche, die schrecklichen Bilder aus meinem Kopf zu verbannen.

Es begann alles vor ein paar Monaten, als ich bemerkte, dass etwas Seltsames mit meinem Spiegelbild passierte.

Am Anfang glaubte ich, es wäre nur meine Einbildung. Ich sah in den Spiegel und dachte, mein Spiegelbild hätte sich für einen Bruchteil einer Sekunde bewegt.
Aber jedes Mal, wenn ich genauer hinsah, war alles normal.

Doch mit der Zeit wurde es schlimmer.

Mein Spiegelbild begann damit, mich anzustarren. Unabhängig meiner eigenen Bewegungen, folgte der irre Blick meines Spiegelbildes mir auf Schritt und Tritt.

Das schlimmste daran war jedoch das verzerrte Grinsen, das seine Mundwinkel zu zerreißen drohte.

Mit der Zeit gewöhnte ich mich an den Blick in den Spiegel. Trotz der Erscheinung, die an das Wesen aus einem Horrorfilm erinnerte, tat diese mir die folgenden Monate nicht's - sie war ganz einfach nur da, und lauerte grinsend in der Stille meiner Wohnung, eingesperrt im Spiegel.

Ich versuchte, es zu ignorieren und redete mir ein, es handle sich um eine Einbildung. Doch selbst wenn ich nicht direkt vor dem Spiegel stand, konnte ich es sehen.

Wer hätte mir schon geglaubt?
Ich zweifelte doch selbst daran, und wusste nicht zwischen wahr und falsch zu unterscheiden.

Aber ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken. Jedes Mal, wenn ich in einen Spiegel sah, fühlte ich mich beobachtet und verfolgt.

Es war, als ob mein Spiegelbild ein Eigenleben entwickelt hätte und mich nicht mehr in Ruhe ließ.

Eines Nachts, als ich wieder einmal wach in meinem Bett lag, hörte ich ein leises Kratzen an meiner Schlafzimmertür.

Ich setzte mich auf und lauschte angestrengt und müde. Das Kratzen wurde lauter und schneller, als ob etwas versuchte, in mein Zimmer zu gelangen. Ich stand auf und ging langsam zur Tür, mein Herz pochte in meiner Brust.

Ich öffnete die Tür und sah in den Flur.

Nichts.

Ich dachte, ich müsse wohl eingeschlafen sein und geträumt haben.

Aber als ich mich zurück in Richtung meines Bettes umdrehte, sah ich es. Mein Spiegelbild stand an meinem Bett und grinste mir bösartig entgegen.

Es hob seinen Arm, der so lang war, dass seine Hand den Boden nur knapp nicht berührte und deutete schließlich hinter mich. Ich drehte mich instinktiv um und sah, wie eine dunkle Gestalt auf mich zurannte.

Ich schrie auf und rannte aus dem Zimmer, aber die Gestalt folgte mir weiterhin, gewillt mich in die Klauen zu bekommen.
Ich rannte die Treppe hinunter und stürzte. Sofort entglitt mir ein schmerzhafter Schrei, gefolgt von einem schwer atmigen Knurren, mit dem ich versuchte den Schmerz meiner gebrochenen Rippen zu überspielen.

Ich schleppte mich zur Haustür, fühlte mich dem Sieg nah. Doch erneut holte die Realität mich ein.

Der Türknauf, er war weg.

Verzweifelt und mit aller Kraft, stieß ich mich mit meinem Körper gegen die verschlossene Tür, die sich trotz meiner Bemühungen kein Stück bewegte.

Ich drehte mich um und sah, wie die Gestalt immer näher kam.
Sie hatte keine Gesichtszüge, nur zwei leere, schwarze Löcher, an der Stelle, an der ihre Augen hätten sein sollen.

Ich wusste, dass ich keine Chance hatte. Ich wusste, dass ich alles versucht hatte. Ich wusste, dass mein Schicksal mich eingeholt hatte und ich nun sterben würde.

Erneut drehte mich um und sah in den Spiegel, der im Flur hing.

Mein Spiegelbild grinste mich immer noch bösartig an und hob erneut den langen Arm, der schließlich aus dem Spiegel trat.
Es schien, als ob es mir helfen wollte.

Die Zeit drängte, die Optionen waren beschissen. Doch schließlich entschied ich mich dafür, die Hand meines Spiegelbildes zu ergreifen, in der Hoffnung, dem Tod dadurch entfliehen zu können.

In diesem Moment spürte ich, wie etwas Kaltes und Böses mich ergriff und in tiefen Weiten des Spiegel zog.

Ich weiß nicht, wie lange ich in diesem verdrehten Spiegelbild gefangen war.
Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit.
Ich sah schreckliche Dinge, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ich sah Menschen, die von ihren eigenen Spiegelbildern angegriffen und getötet wurden. Ich sah dunkle Gestalten, die aus Spiegeln krochen und unschuldige Opfer in die Dunkelheit zogen.

Kinder, Frauen, Männer, sie machten vor niemanden Halt.

Das Geschehen brannte sich tief in meinen Verstand ein. Nie werde ich all die unschuldigen Seelen vergessen, die auf so brutale Art und Weise abgeschlachtet wurden, und das von ihren eigenen Spiegelbildern.

Irgendwann gelang es mir schließlich, mich aus den Fängen des Spiegel zu befreien.

Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe, doch offen gesagt, spielt das keine große Rolle - Ich war am Leben, alles andere war egal.

Und so wachte ich auf weichem Boden auf, während das grelle weiß der Wände meine Augen vor eine erneute Herausforderung stellte.

Eingewickelt in einer Zwangsjacke, starrte ich breit grinsend in die Augen einiger Doktoren, die sich in sicherem Abstand hinter einer Plexiglasscheibe befanden.

"Wie geht es uns denn heute?", ertönte die Stimme von einem der Doktoren über einen kleinen, in der Wand eingelassenen Lautsprecher.

Ich verstand nicht, und überlegte wie ich dem mir fremden Mann hinter der Scheibe antworten sollte. Doch so sehr ich mich bemühte, die Worte in meinem Kopf auszusprechen, gelang es mir nicht.

Langsam führte ich meine Hand an meinen Mund, woraufhin die Realität mich auf den Boden der Tatsachen warf.

Ein Grinsen, für das ich nicht verantwortlich war, zog sich breit über mein Gesicht.

"Therapie-Status nach wie vor unverändert. Fahren fort mit Stufe 4 Hormonen.", erklärte einer der Doktoren einem Mann, der das gesagte aufschrieb.

Meine Augen weiteten sich. Ich verstand nicht, glaubte zu träumen! Unfähig dazu, mich mitzuteilen, lag mein Leben in den Händen der Wissenschaftler, die mit aller Macht versuchten mir Heilung zu versprechen.

Doch wusste ich, dass ich nicht krank war. Dies war nichts, was sich mit reiner Logik und Wissenschaft erklären ließ.

Seit nun bereits zwei Stunden schreibe ich das Geschehen mit meinem Blut schon an die Wände meiner Gummizelle. Der Platz wird allmählich knapp, also wird es Zeit sich zu verabschieden.

Mir ist schwindelig.
Wie viel Blut habe ich verloren?

Werde ich den Fängen meines Spiegelbildes je entkommen?

Passt auf euch auf. Und egal was ihr tut, meidet den Blick in die Spiegel. Sie warten auf euch!


66: A Treasury Of CreepyPastasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt