KAPITEL 21 | Blindes Vertrauen

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Ivan suchte sich seinen Weg durch die Menschenmenge. Die Tage nachdem Nyx ihn besucht hatte, hatte Ivan sich deutlich besser gefühlt. An diesem Tag hatte er von seiner notdürftigen Überbrückungsarbeit freigehabt und hatte sich dazu entschieden, seine Mutter spontan zu besuchen.

Als er bei ihr gewesen war und sie sich unterhalten hatten, hatte er sich getraut ihr anzudeuten, dass er eventuell so etwas wie einen Freund hatte – oder zumindest in einer annähernd Beziehung stand. Er hatte seiner Beziehung mit Nyx noch keinen Namen gegeben, aber er hoffte, dass sie es bald tun würden. Jedoch hatte er bereits bemerkt, dass Nyx unsicher darin war, seine Gefühle auszudrücken und er wollte ihn nicht damit überfordern.

Seine Mutter hatte sich dennoch für ihn gefreut.

Nun war der Abend bereits angebrochen und Ivan befand sich auf dem Weg nach Hause. Er hatte sich entschieden, die letzte Bahnstation zu seiner Wohnung zu Fuß zu gehen. Er hatte schon viel zu viel Zeit tatenlos in seinem zu Hause verbracht.

Ivan kam sogar der Gedanke in den Kopf, sich bei seinen alten Freunden zu melden, die er aufgrund seiner Arbeit als Polizist stets in den Hintergrund gedrängt hatte. Noch ehe Ivan sich entscheiden konnte, wirklich seinen Freunden zu schreiben, wurde er jedoch aufgehalten.

Als er in eine Seitengasse bog, trat ein Mann an seine Seite.

„Guten Tag, Officer Tasca", sagte er und Ivan gefror bei der tiefen, bekannten Stimme sämtliches Blut in den Adern. Er konnte den Mann grunzen hören: „Wobei... Officer sind Sie ja nicht mehr."

Er konnte die Stimme augenblicklich zuordnen. Als er sich zu dem Mann umdrehte, sah er vor sich einen großen, stämmigen Mann stehen. Der Mann hatte eine Glatze, eine alte Narbe zierte sein Haupt und er trug einen Mund- und Nasenschutz. Die Augen waren dunkel und lagen eingesunken in tiefen Schatten. Ivan besaß keinen Micro-Scanner mehr, um sein Gegenüber identifizieren zu können, doch er war sich sehr sicher, dass es ihm ohnehin nichts mehr gebracht hätte. Vor ihm stand niemand anderes als Utopia höchstpersönlich.

„Ut-", setzte er geschockt an und wurde sogleich in seinem Satz abgeschnitten.

„Machen Sie sich keine Sorgen. Ich möchte Ihnen nichts tun, schließlich würde mir das keinen Vorteil verschaffen. Sie sind immerhin kein Polizist mehr. Nur noch ein armseliger Bürger", verhöhnte Utopia ihn.

„Was wollen Sie dann?", zischte Ivan mit vor Wut verzogenem Gesicht.

Er konnte sehen, wie sich ein Lächeln unter der Maske des Mannes formte, ehe er mit ruhiger, aber drohender Stimme fragte: „Wo ist Nyx?"

Ivan hatte es gewusst. Utopia war einzig und allein hinter Nyx her. „Das weiß ich nicht", antwortete Ivan düster. Er musste nicht einmal lügen, denn er wusste wirklich nicht, wo Nyx sich befand. Auch wenn Nyx ihm seine Adresse angeboten hatte, hatte Ivan dieses Angebot bislang nicht angenommen – und mochte es ihn noch so brennend interessieren, wo Nyx wohnte.

„Oh, traut er Ihnen noch immer nicht?", schenkte Utopia ihm falsches Mitleid. Er legte seinen Kopf leicht auf die Seite, zog seine Augenbrauen missbilligend zusammen und fragte: „Sind Sie nicht enttäuscht? Sie geben ihm sein Leben und er gibt Ihnen nicht einmal seine Adresse?"

Ivan biss hörbar seine Zähne aufeinander und zischte: „Er schuldet mir nichts."

„Wie tragisch die Liebe doch ist", sprach Utopia theatralisch.

„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen", blieb Ivan hartnäckig.

„Sie können das Schauspiel beenden, Tasca", entgegnete Utopia hingegen. „Ich habe die alten Artikel gelesen. Talentierter, junger Polizist... und dennoch werden Sie dazu verleitet, solch dumme, emotionale Fehler zu machen", schwatzte der Mann belustigt weiter. Er trat einen Schritt näher an Ivan heran, welchen dieser augenblicklich zurückwich. Utopia hielt in seiner Bewegung inne und lachte leise, eher er fortfuhr: „Nyx hat Sie um seinen Finger gewickelt. Er kann Sie spielen wie eine Marionette. Er hat Ihr Leben ruiniert. Haben Sie nicht das Bedürfnis, dass er bekommt, was er verdient hat?"

UTOPIAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt