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"Du machst Witze", presste ich hervor, während ich Nova dabei zusah, wie sie sich wie eine Schlange eine schmale Stange hinauf und hinabwand. „Das wollen die sehen? Das bekomme ich nie im Leben hin!" Mir wurde allein vom Zusehen schwindelig.

Kopfüber blieb sie etwa einen Meter über dem Boden hängen, das Bein grazil um die Stange gewunden, und grinste mich durch den Vorhang aus Haaren, der ihr ins Gesicht hing, an.

„Keine Sorge, du musst das nicht können." Elegant schwang sie sich wieder nach oben, um dann mit einem sanften Hopser auf dem Parkett zu landen. „Ich wollte nur ein wenig angeben." Ihr Grinsen wurde breiter.

Ich verzog das Gesicht. Sie hatte mich in den Saal gebracht, in dem die abendlichen Vorführungen stattfinden sollten. Eine Bühne stand am Ende des Raumes, verborgen hinter einem schweren roten Vorhang, hinter dem wir uns nun befanden. Auf dieser Bühne war nichts, nur diese gefährliche Stange, an der ich nie und nimmer tanzen könnte. Allein bei dem Versuch würde ich mir sämtliche Knochen brechen.

Hinter dem Vorhang, auf der anderen Seite, waren dutzende Stühle und Tische aufgestellt, außerdem gab es eine Bar. Heute Abend würde dort unser Publikum sitzen, der Vorhang wäre weit geöffnet und die Scheinwerfer würden auf mich strahlen – auf mich und meinen nackten Körper. Der Gedanke daran löste regelrechte Panik in mir aus, deswegen versuchte ich, ihn zu verdrängen. Novas kleine Show eben hatte allerdings nicht dazu beigetragen, dass ich mich beruhigte.

„Du meintest, du willst mir die Angst nehmen", jammerte ich und verbarg das Gesicht in den Händen.

Sie lachte. „Keine Sorge, ich und Malia sind die Einzigen, die Poledance können. Ich schwöre, die meisten machen überhaupt nichts Besonderes. Ich meine, außer Nuria ..." Sie kicherte.

„Warum? Was macht Nuria?"

„Nicht so wichtig", winkte sie ab, „das wirst du sicher irgendwann mal sehen. Mach dir keine Gedanken, es ist alles halb so wild. Ehrlich gesagt glaube ich, dass den Seraphim meine Show sowieso ziemlich egal ist. Die kommen nur, um nackte Haut zu sehen. Du gehst nachher ganz gemütlich in die Garderobe, suchst dir ein hübsches Outift aus und dann wiegst du hier oben ein wenig die Hüften und lässt die Hüllen fallen. Das ist alles."

„Du sagtest, die meisten machen nichts Besonderes ... Wie viele Frauen tanzen denn hier?"

„Wir sind zu zwölft", erklärte Nova. „Die anderen lernst du heute Abend in der Garderobe kennen. Sie sind alle nett, nur von Avah hältst du dich am besten fern, sie ist etwas ... schwierig. Die Show beginnt um acht und endet um zwei. Jede bekommt eine halbe Stunde auf der Bühne."

„Eine halbe Stunde!", stieß ich hervor. Das war ja nichts. Bisher hatte ich keinen Blick in meinen Vertrag geworfen, aber bei unserem Gespräch in der Taverne hatte Cassiel etwas von sechs Stunden täglich gesagt, was mich nun verwirrte.

„Ist das nicht zu wenig? Eine halbe Stunde Arbeit am Tag, dafür darf ich wochenlang umsonst hier wohnen und essen?" Ich konnte es nicht glauben. Ja, ich musste mich ausziehen und ja, es würde mich einiges an Überwindung kosten, aber ich war mir sicher, dass ich mich daran gewöhnen würde. Ich hatte mich schon an so viel schlimmere Dinge gewöhnt.

Nova grinste, doch es sah ein wenig verlegen aus. „Na ja, nicht ganz ..." sagte sie. „Eine halbe Stunde lang bist du auf der Bühne. Deine Schicht geht aber schon sechs Stunden lang."

„Was passiert in der übrigen Zeit?"

„Die Frauen, die nicht tanzen, arbeiten unten. Entweder in der Bar oder im Separee."

„Was bedeutet das?"

„Dass du vor und nach deiner Show die Gäste bedienst", erklärte Nova. „Entweder, du schenkst ihnen den Wein aus und bedienst sie an den Tischen, oder du wirst privat von einem Seraph gebucht. Dafür gibt es die Separees draußen, siehst du?" Sie zog den Samtvorhang einen kleinen Spalt auf und zeigte auf die kleinen Nischen zu beiden Seiten des Saals, winzige Räume mit kleinen Sofas darin, vor die man ebenfalls Vorhänge ziehen konnte.

Ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke. „Wie? Da drin soll ich dann ... was tun? Was bedeutet privat gebucht?" Mein Herz stolperte.

Nova legte mir die Hand auf den Arm. „Keine Sorge, Lumi", sagte sie ruhig. „Das ist alles nicht so wild. Schau dir einfach mal deinen Vertrag an, dort ist alles festgelegt. Die Seraphim dürfen dich nicht anfassen. Private Buchung heißt lediglich, dass du für einen Gast eine kleine persönliche Vorführung gibst, das ist alles. Die dauern eine halbe Stunde, dann kannst du wieder nach draußen."

„Aha", sagte ich. So, wie Nova das sagte, klang es, als wäre alles ganz harmlos, aber das war es nicht. Nackt auf einer Bühne zu tanzen, war schon unangenehm. Aber nackt durch die ganzen Seraphim zu laufen und sie zu bedienen, gar mit einem von ihnen allein in einem winzigen Raum eingesperrt zu werden, klang beängstigend. Nähe klang beängstigend.

„Ichwar vor dem ersten Mal auch sehr aufgeregt", sagte Nova sanft. „Aber es istalles nicht so schlimm. Komm mit, wir gehen jetzt mal zu deinem Zimmer undsehen uns deinen Vertrag an."

Above the Winter Skies [Dark Romantasy]Where stories live. Discover now