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Ohne es zu merken, hatte ich die Suite erreicht, und als hätte mein Körper es noch vor meinem Geist verstanden, pochte mein Herz schneller. Zaghaft klopfte ich an die Tür. Einen kurzen Augenblick später wurde sie geöffnet und Cassiel stand vor mir. Er trug nichts als ein weißes Handtuch um die Hüften geschlungen, sein Haar war nass und zurückgekämmt. Offensichtlich kam er gerade aus der Dusche. Auf seiner nackten Brust glitzerten ein paar Wassertropfen und es kostete mich Anstrengung, den Blick davon abzuwenden und ihm ins Gesicht zu sehen. Sein Blick war hart.

„Du bist zu spät", informierte er mich.

„Was?", stieß ich hervor. „Nein!"

Ich hatte bei Nova die ganze Zeit auf die Uhr geachtet, eben um genau das zu verhindern. Ich hatte mich um kurz nach fünf auf den Weg gemacht, der nur eine halbe Stunde dauerte, und war mir sicher, dass ich sogar überpünktlich war. So erwischte mich der Vorwurf eiskalt – und erst an Cassiels hochgezogener Augenbraue merkte ich, dass meine Antwort mehr als unhöflich gewesen und ich zu weit gegangen war.

Er packte mich am Arm und zog mich in seine Suite. Nicht direkt grob, aber zu energisch, um sanft zu sein. Ich stolperte über meine eigenen Füße, doch er hielt mich fest und so prallte ich gegen seine Brust. Die Tür fiel hinter uns ins Schloss.

„Ich helf dir mal auf die Sprünge", sagte er in scharfem Ton. Er trat einen Schritt zurück und brachte so wieder ein paar Zentimeter Abstand zwischen uns, hielt mich jedoch noch immer am Arm fest. „Weil du neu bist und ich heute einen guten Tag habe. Wenn ich dir sage, dass du einen Fehler gemacht hast, dann lautet deine Antwort nicht Nein, sondern ist bestenfalls die Bitte nach einer angemessenen Bestrafung, wenigstens aber ein demütiges Senken der Lider und Schweigsamkeit. Hast du das verstanden?"

Ich schluckte. Mein Blick fiel auf die Wanduhr hinter ihm und Hitze schoss mir in die Wangen: Der Zeiger stand auf halb sieben. Wie war das möglich?

Betreten schlug ich die Augen nieder. „Ihr habt recht", flüsterte ich. „Es tut mir leid. Ich habe anscheinend die Zeit vergessen."

„Erspar mir deine Ausreden", herrschte er mich an.

Er ging in Richtung der Sitzgruppe und ich folgte ihm – notgedrungen, da er mich noch immer festhielt und mit sich zog. Vor den Sofas angekommen fiel mein Blick auf das Tischchen – und das Herz rutschte mir in die Hose.

Cassiel bemerkte mein entsetztes Gesicht. Ein fieses Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Ganz recht, du solltest auch Angst haben", sagte er. „Dachtest du, ich würde untätig hier sitzen und warten, während du mich versetzt? Ich habe die Zeit genutzt, um unseren Abend vorzubereiten. Eigentlich hatte ich ja was anderes, netteres mit dir geplant, aber angesichts der Umstände wird das warten müssen. Deine Erziehung hat natürlich Vorrang."

Mein Blick huschte über all die Gegenstände, die dort lagen. Stahl und Leder. Eine Peitsche, eine Zange, ein paar Klemmen. Und einiges, das ich nicht zuordnen konnte. Ich war mir sicher, dass Cassiel mir die Hälfte der Dinge am Morgen nicht gezeigt hatte, aber natürlich konnte ich ihn nicht fragen. Ich hatte schon genug Fehler gemacht, davon abgesehen war meine Kehle ohnehin wie zugeschnürt. Selbst, wenn ich es gewollt hätte: Ich hätte keinen Pieps hervorgebracht.

„Zieh dich aus", befahl er, ehe ich noch länger über das ganze Werkzeug nachdenken konnte. Ich gehorchte sofort und schlüpfte aus den dünnen Sachen.

„Und jetzt auf die Knie mit dir."

Auch das musste er nicht zweimal sagen. Ich sah zu Boden und versuchte zu ignorieren, dass mir das Herz schier aus der Brust sprang.

Cassiel ging an mir vorbei zu dem Beistelltisch, und auch wenn ich nicht sehen konnte, was er tat, erkannte ich an dem leisen Klimpern, das er etwas vom Tisch nahm.

Es dauerte einen kurzen Moment, Sekunden, die mir wie Stunden vorkamen. Dann trat er vor mich und blieb dort stehen.

„Sieh mich an, Lumi."

Ich gehorchte und hob schüchtern den Blick. Cassiel sah auf mich herab, doch meine Aufmerksamkeit blieb an dem Gegenstand hängen, den er in seinen Händen hielt. Mit fast schon wissenschaftlicher Neugierde betrachtete er das Werkzeug, das wie ein gigantischer Angelhaken aussah, nur dass an seinem gebogenen Ende keine scharfe Spitze, sondern eine Kugel prangte. Er wendete es in den Händen hin und her, ein andächtiges Lächeln auf den Lippen, als sähe er es zum ersten Mal, was natürlich Blödsinn war. Er musste wissen, was es war. Er wusste genau, was er tat.

Nur ich wusste das nicht. Und obwohl mir nicht klar war, was dieses Gerät sollte, was es mit mir tun würde, hatte ich eine dunkle Ahnung, ein ungutes Gefühl, dass das, was mich in den nächsten Stunden erwarten würde, nichts Angenehmes sein würde.

Ein wölfisches Grinsen stahl sich auf Cassiels Lippen.

„Eigentlich hatte ich dieses Schmuckstück erst sehr viel später einsetzen wollen", erklärte er mir mit seiner tiefen, ruhigen Stimme. „Ich wollte dich ja nicht gleich verschrecken. Aber jetzt denke ich, es ist genau der richtige Zeitpunkt dafür. Ich werde heute Nacht sehr viel Spaß mit dir haben, Lumi. Beug dich nach vorne, streck deine Arme aus und leg deine Stirn an den Boden."

Above the Winter Skies [Dark Romantasy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt