n e u n z e h n

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"Oh Gott, Anna."

Ich sah alles unscharf. Über mich beugte sich ein blonder Kopf, Sunny.

Neben mir piepte irgendetwas in regelmäßigen Abständen. Es war eines dieser Herzschlag-keine-Ahnung-was-Teile, die man in fast jedem Film sieht.

Über mir hing eine grelle Neonröhre. Sie blendete mich.

Ich lag in einem Krankenhausbett.

"Anna? Hörst du mich.", meinte Sunny & rüttelte an meinem Handgelenk. Neben ihr standen Erik & Sarah & sahen mich besorgt an.

Ich wollte ja sagen, doch mein Mund war trocken, wie als hätte ich seit Ewigkeiten nichts mehr getrunken. Alles was ich hervor brachte war ein Krächzen, wie ein sterbender Rabe. Also nickte ich nur.

"Ich bin so froh. Wir haben dich so vermisst."

Sunny fiel mir um den Hals.

"Ich hole mal einen Arzt & Annas Eltern.", meinte Erik als er durch die weiße Tür in einen langen Flur verschwand.

Auf dem grauen hässlichen Nachtkästchen neben mir stand ein Straus von lila Rosen. Ich roch sie nicht. Das war komisch. Sie standen so nahe bei mir, doch da war nichts, das nach Rosen duftete. Ich musste an Lucas denken, wie er Shakespeare zitiert hatte.

Lucas. Er fehlte. Wo war er.

"Wo ist Lucas?", meine Stimme war nicht lauter als der gedämpfte Lärm der Autos, die draußen vorbei fuhren.

Sunny löste sich von mir & sah mich lange einfach nur an.

"Anna, es tut mir so leid.", ihre Augen glänzten, wie als würde sie gleich weinen. "Anna. Lucas...er...er ist tot."

Ich sah sie entgeistert an. Wie konnte sie über so etwas Witze machen. Was war bloß los mit ihr.

"Was redest du für einen Scheiß. Er ist nicht tot. Ich bin die, die die Mauer nach unten gefallen ist. Nicht er. Er war oben gestanden. Wo ist Lucas? Ernsthaft jetzt."

Sarah sah mich verwirrt & beunruhigt an: "Anna, von was redest du da?"

"Von Silvester, von was den sonst."

"Es ist noch ein Monat bis Silvester. Es ist immernoch 2015."

"Lucas ist tot. Ihr habt einem Auto die Vorfahrt genommen, an dem Tag an dem wir auf dem Dach waren. Lucas hat sich einen Halswirbel & zwei Rückenwirbel gebrochen & hatte starke Hirnblutungen. Trotzdem lebte er noch. Am Leben gehalten von Maschinen. Eigentlich war er schon Tod. 5 Tage nach dem Unfall hatten seine Eltern beschlossen die Maschinen abzustellen. Anna, es-"

Ich warf die weiße Decke von mir runter.

Das konnte nicht sein. Er war nicht Tod. Ich hab doch vorher noch mit ihm Bier Pong gespielt. Das durfte nicht sein. Lucas war nicht tot. Oh Gott.

Lucas war tot. Wieso? Wieso? Jeder hatte eine Chance verdient. Wieso haben seine Eltern ihm keine gegeben? Wieso haben seine Eltern ihren eigenen Sohn getötet? Wie konnten sie das tun? Ich musste zu ihnen. Wie konnten sie das Lucas antun?

Ich wollte aufstehen. Ich wollte meine Füße auf den Boden legen, doch es ging nicht. Ich konnte meine Füße nicht bewegen. Ich versuchte es noch mal. Es ging nicht. Ich bekam Panik. Ich konnte meine Beine nicht bewegen.

Ich fing an zu schreien.

Wach auf. Das ist nur ein Albtraum. Scheiße. Wach. Endlich. Auf. Das kann nicht real sein.

Heiße Tränen rollten mir die Wangen nach unten.

Ich wollte nach meinen Haaren greifen, an ihnen ziehen, um endlich aufzuwachen aus diesem schrecklichen Traum.

Aber da war nichts. Da waren nicht meine braunen Haare. Da war nur Haut. Ich hatte eine Glatze.

Ich schrei lauter.

Ich rief nach Lucas.

Eine Ärztin zusammen mit meinen Eltern, meinem Bruder & Erik stürmten ins Zimmer.

Ich schlug um mich, als die Ärztin mir eine Spritze gab.

Mein Vater & Erik drückten mich aufs Bett zurück. Ich schrie. Das konnte alles nicht wahr sein.

& dann wurde aufeinmal alles dunkler & alles langsamer. Alles war aufeinmal so friedlich & ich hatte ganz vergessen warum ich mich gerade noch so aufgeregt hatte. Ich wollte einfach nur noch schlafen & das tat ich dann auch.

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