Kapitel 4

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Ein Klingeln zerriss die Stille. Isobel streckte hoch und sah sich hektisch um. Das leise Schluchzen verschwand augenblicklich. Auch Jason schien etwas verwundert zu sein und versuchte, die Quelle des Klingelns ausfindig zu machen. Bis er sie fand vergingen einige Sekunden und er griff mit seiner Hand in die Innenseite seines neugekauften Anzugs bis er ein kleines Gerät herauszog, sein Handy. Das war mittlerweile wieder verstummt und so sah er in seine Anrufliste hinein.

Officer Wanderbuild. Nicht mal jetzt kann mich die Arbeit in Ruhe lassen. Etwas verärgert, aber besinnt, sagte er: „Ich ruf schnell zurück. Ist es in Ordnung, wenn ich dich allein lasse oder soll ich irgendwen verdonnern, bei dir zu bleiben?" Sie schüttelte traurig den Kopf. Glaub mir, wir beide dachten, es wäre Derek. Ich bin auch frustriert. Mit tiefsten Mitgefühl in den Augen verließ er den Raum und begab sich nach draußen. Als er die Tür öffnete kam ihm die Kälte entgegen. Kurz rieb er sich die Hände und wählte dann die Nummer. Sofort hob er ab.

„Wanderbuild" knurrte sein Chef in den Hörer

„Agent Coleman, hier. Sie wollten mich sprechen?"

„Ah, Coleman! Ich muss Ihnen etwas mitteilen", kam es aus der anderen Leitung.

„Sir, so sehr ich meine Arbeit liebe, aber ich muss leider ablehnen. Ich bin auf einer Hochzeit und hier läuft es grade drunter und drüber. Das können Sie sich gar nicht vorstellen!"

Er fasste sich an die Stirn, weil ihm klar wurde, wie sehr diese Feier im Chaos enden würde, wenn Derek nicht langsam aufkreuze.

„Oh, und wie ich es mir gerade vorstellen kann, Coleman", er machte eine kurze Pause und klang deutlich weniger fröhlich, „Dies hat auch nichts mit Ihrer Leistung zu tun, nein, es ist etwas Privates. Es geht um Ihren Freund, Mr. Hennessey."

***

Tot. Das war das Letzte, was er erwartet hatte. Jason wich die Farbe aus dem Gesicht. Er musste schlucken. Tot, entblößt, verstümmelt. Welcher sadistische Mensch tut so etwas? In seinem Job war er es gewohnt, Leichen zu betrachten und den Tatort abzusuchen, doch das überschritt jegliche Vorstellungskraft. Seit er sich vor sieben Jahren entschieden hatte, Polizist zu werden und für Gerechtigkeit zu kämpfen, wollte er solche Misshandlungen verhindern.

Laut Polizeibericht wurde Derek nackt in seinem Kellerabteil gefunden. Seine Arme wiesen Hämatome auf, ein Anzeichen von Fesseln und Knebeln. Seine Finger wurden ihm abgetrennt und die Haut an seinen Fußsohlen abgezogen. Enthauptet lag er auf dem Bauch, sodass die offenen Wunden durch außen einwirkende Kräfte gut zu erkennen waren. Nur anhand eines Leberflecks am linken Unterarm, konnte Derek von seinem Nachbar identifiziert werden. Den Schädel selbst fand man bislang noch nicht.

Ein grauenhaftes Bild ergab sich in Jasons Kopf als er sich den Tatort anhand der Informationen vorstellte und für einen Moment fing er an, zu würgen. Doch er riss sich zusammen und ging kreidebleich in den kleinen Vorraum, in dem noch immer die schluchzende Isobel saß. Sein Blick verriet ihr, dass nichts Gutes bevorstehen konnte. Sehr abwesend setzte er sich wieder zu ihr auf die Couch und lehnte sich nach hinten.

Während er seinen Kopf langsam zu ihr wandte, stammelte er: „Er ist tot." Bestürzt sahen sie sich an. Er ersparte Isobel alle Details.

Allein die Tatsache, dass ihr zukünftiger Mann niemals hier sein würde, bei ihr, sie umarmt, küsst, und heiratet, verschlug ihr den Atem. Sie stand kurz davor ohnmächtig zu werden. Beide Hände vors Gesicht haltend, begann sie fürchterlich und hemmungslos zu weinen. Selbst Jason konnte in diesem Moment der Trauer seine Tränen nicht zurückhalten, so angestrengt er es auch versuchte. Er war außer sich, konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Ein Anruf genügte, um diesen Tag zu dem Schlimmsten seines Lebens zu machen, zumindest zu einem der Schlimmsten.

AuftragskillerWhere stories live. Discover now