Kapitel 16

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Der Jüngling wälzte sich unruhig in seinem vorübergehenden Bett. Jedes Mal wenn er sich umdrehte, knarzte das alte Holz. Da er immer noch nicht einschlafen konnte, beschloss er einfach, bis am Morgen aufzubleiben.

So bin ich dann wenigstens fit. Vorsichtig hob er seinen Kopf. Hinter einem Stahlträger lugte er hervor und sah, dass der große, starke Mann mit der Glatze tief und fest schlief. Auch die Asiatin dürfte sich noch im Land der Träume befinden. Der Junge versuchte wieder in seine ursprüngliche Position zurückzukehren, doch es klappte nicht lautlos. Das fast schon quietschende Geräusch des Holzes ließ ihn kurz erstarren. Als er sich sicher war, dass er niemanden aufgeweckt hatte, bewegte er sich erneut, diesmal noch langsamer. Die blauen Flecke im Gesicht schmerzten, als er sich auf sein Kissen legte. Plötzlich hörte er eine Stimme.

„Reiß es wie ein Pflaster ab."

Zunächst dachte er, es gäbe hier einen Lautsprecher, von dem der Satz gekommen war. Es gibt hier echt nichts, was ich mir nicht vorstellen könnte. Den Leuten von der Assassin GmbH traue ich alles zu. Doch es war nichts dergleichen. Kein Trick, oder eine Aufgabe, die sie ihnen stellen wollten. Es war lediglich die Asiatin, die von der anderen Seite des Raums zu ihm sprach. In der Dunkelheit hatte er nicht bemerkt, dass sie ebenfalls die Augen aufgeschlossen hatte. Er war erleichtert.

„Wie meinst du das?", flüsterte er zu ihr.

„Ich habe gesehen, dass du aufstehen wolltest, aber dein Bett bereitet dir offenbar Probleme." „Du findest, das hier ist ein Bett? Das ist eine Holzbank mit einer dünnen Decke als Matratze! Also entweder bist du ein ausnahmsloser Optimist, oder du hast noch nie in einem Bett geschlafen, aber das ist eine unwürdige Bezeichnung", zischte er wütend. Dann bemerkte er, dass er etwas zu forsch gewesen.

„Entschuldige, ich bin nicht wegen dir böse. Es kotzt mich einfach nur an, dass wir hier wie Dreck behandelt werden. Die sollen doch froh sein, wenn sie neue Kandidaten bekommen, oder? Ohne uns, würden die bald nicht mehr existieren." Es herrschte kurze Zeit Stille. Der Jüngling schaute nochmals zu seinem Nachbarn. Er schläft noch.

„Ich verstehe dich. Ich finde es hier auch nicht schön, aber ich glaube, dass ist eine Art Aufnahmeritual, und alle anderen vor uns, mussten das bestimmt auch machen."

„Ich hoffe zutiefst, du hast recht. Noch eine Nacht und ich flipp aus." Wieder knarzte Holz, als sich der Mann bewegte. Das erinnerte die Asiatin an ihren Rat.

„Ach ja, das mit dem Pflaster. Wenn du wirklich aufstehen willst, dann mach es ganz schnell, wie beim Abreißen eines Pflasters. Dann hört man dich nur ein Mal kurz, und nicht zehn Mal lang." „Das hast du damit gemeint. Verstehe. Nein, eigentlich will ich gar nicht aufstehen. Ich wollte mich nur anders hinlegen. Aber das habe ich jetzt geschafft."

Die Konversation schien beendet zu sein, also sagte keiner mehr etwas. Langsam wurde er wieder müde, doch er wusste, dass er trotzdem nicht einschlafen würde. Deshalb hielt er sich wach. Die Minuten vergingen, aber sie kamen ihm vor, wie Stunden. Wann werden wir denn endlich geholt? Er hatte sein Zeitgefühl verloren. Langsam meldete sich sein Magen mit einem Knurren. Jetzt konnte er nicht einmal mehr dösen.

Ich habe Hunger und sicher schon seit 20 Stunden nichts mehr gegessen. Wann hört das hier auf? Um sich abzulenken, beschloss er, das Gespräch mit der jungen Frau wieder aufzugreifen. Da er seit längerer Zeit die Augen nicht mehr geöffnet hatte, musste er sich zuerst an die Dunkelheit gewöhnen. Momente verstrichen und er sah nun, dass sie, wie er auch, noch wach war.

„Mir ist aufgefallen, dass ich deinen Namen gar nicht kenne", meinte er.

„Ich heiße Akira", antwortete sie etwas verschlafen. Anscheinend hatte er sie beim Einnicken gestört.

„Das ist ein schöner Name. Von woher stammt er?"

„Aus Japan."

„Das bedeutet, du bist Japanerin." Sie musste kichern.

„Nein, ich selbst bin hier geboren und aufgewachsen, aber meine Großeltern kommen aus Japan."

„Verzeihung. Ich wollte dich nicht nur anhand deines Äußeren beurteilen und kategorisieren." Er wurde rot. Zum Glück ist es so finster, dass sie nicht sie sehen kann, wie verlegen ich bin. Hoffentlich nimmt sie es mir nicht übel.

„Kein Problem. Du kannst es ja nicht wissen." Dankbar nickte er. Je länger sie sprachen, desto sympathischer fand er sie. Außerdem dachte er nicht mehr an sein Hungergefühl, was sich als positiv erwies. Beide lachten viel, achteten aber immer darauf, dass sie ihren Schlafgefährten nicht aufweckten.

„Wie heißt du eigentlich?", fragte Akira.

„Ich bin...", fing er an, doch er wurde von etwas unterbrochen. Und dieses etwas war niemand geringer als die Frau, die ihn zu seinem ersten Mord gezwungen hatte. Als er sich daran erinnerte, wich ihm die Farbe aus dem Gesicht und ihm wurde schlecht.

„Hopp, hopp. Aufstehen!", rief sie ihn den stockdunklen Raum, der durch das Aufmachen der Tür heller wurde. Der Mann, der als einziger noch geschlafen hatte, schreckte hoch und blickte verschlafen zu der Frau in der Lederjacke. Diese klatsche in die Hände, und forderte ihn nochmals auf, sich zu erheben. Dann wandte sie sich zu Akira und ihrem Gesprächspartner.

„Oh, wie ich sehe seid ihr schon auf! Tja, das Kaffeekränzchen ist beendet. Und jetzt bewegt eure Hintern hier raus!", brüllte sie. Schnurstracks waren alle auf ihren Beinen, und gingen einer nach dem anderen hinaus.

Die ist ja heute noch mieser gelaunt als sonst. Gott möge mir beistehen, dass sie nicht meine Ausbilderin wird...


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