Kapitel 8

4.1K 289 15
                                    

Riley! Hallo? Riley, hörst du mich?"

Von einem kräftigen Ruckeln und einer bekannten Stimme, die ihr die ganze Zeit ins Gesicht schrie, wurde die Frau wieder in die Realität geholt. Ihr brummte der Schädel und als sie die Augen aufschlug, blendete sie das strahlende Licht der Sonne, die schon hoch am Himmel stand. Vorsichtig bewegte sie ihre Hand und ribbelte sich die Augen. „Scheiße, was willst du von mir?" Sie wusste sofort, wer mit ihr gesprochen hatte, und es passte ihr so gar nicht, dass man sie so unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte. Es war Holly.

Ein hibbeliges, immer fröhlich und besorgtes, junges Mädchen, das als zukünftige Auftragskillerin ausgebildet werden würde, wenn sie ein gewisses Alter erreicht hatte. „Daddy sagt, dass man so nicht sprechen soll!", beschwerte sie sich.

„Daddy hat dich aber auch sicher nicht gebeten, mich zu suchen und aufzuwecken", schnaubte die auf der Parkbank liegende Riley zurück. Jetzt hatte sie die Zehnjährige beleidigt, was man nicht zuletzt an ihrem Gesichtsausdruck erkennen konnte. Im Moment war das der Frau aber egal, sie hatte anderwärtig Probleme zu lösen, zum Beispiel, wie sie sich jemals wieder aufrichten sollte, ohne dabei einen Schwindelanfall zu bekommen. Mit ihrem rechten Arm stützte sich, während sie, mit der linken Hand am Nacken fassend, versuchte, ihr Gleichgewicht zu sammeln. Schließlich schaffte sie es.

Erleichtert streckte sie ihren Rücken und sie spürte, wie die Wirbel allmählich begannen, an ihre Plätze zurückzuspringen. Nun bemerkte sie auch ihr verbundenes Handgelenk, als ein stechender Schmerz ihren Körper durchfuhr. Während Riley probierte, eine halbwegs angenehme Position zu finden, berührten ihre Beine eine Glasflasche, die daraufhin mit den anderen sich am Boden befindenden Flaschen zusammenprallte und es laut klirrte. Ohne Holly eines Blickes zu würdigen, befahl sie ihr, ihr hoch zu helfen.

„Ich mach's, aber dafür brauch ich natürlich eine Entschädigung", sagte die kleine Blonde. War das ihr Ernst? Mir geht's total dreckig, und sie will Geld? Dieses Mädchen ist zwar freundlich und fürsorglich, aber sicher nicht unschuldig. So hinterhältig hätte ich sie nicht eingeschätzt. Stille Wasser sind tief.

„Wie viel willst du?", war die einzige Antwort, die Holly darauf bekam. Etwas erstaunt meinte sie: „50 Dollar."

„50 Dollar! Wer bin ich? Oprah Winfrey? Du kriegst 10 und jetzt hilf mir, oder ich verpfeif dich bei deinem Vater", forderte die Braunhaarige.

„Aber das ist nicht fair."

Wild protestierend schlug sie mit ihrem linken Fuß ein Loch in die trockene Erde.

„Nichts ist fair im Leben, Baby. So ist das nun mal. Komm jetzt", erwiderte Riley und streckte ihr einen Arm entgegen. Widerwillig half sie ihr auf. Erst mal auf den Beinen ging es der Frau in der schwarzen Lederjacke schon besser. Die frische Luft tat ihr gut.

Tief einatmen, und ausatmen. Das Hochgefühl verschwand jedoch bald wieder und ihr wurde schlecht. Sie hatte sich gerade noch schnell genug auf die Bank hingekniet, um sich mit dem Kopf über diese zu strecken und sich dahinter ins Gras zu übergeben. Mit beiden Händen hielt sie sich, soweit es ihre Wunde zuließ, fest an der Lehne an und nach mehrmaligem Würgen, war ihr ganzer Mageninhalt auf dem verwelkten Grün verteilt. Erschöpft wischte sie sich den Mund ab und wandte sich wieder Holly zu. Anhand ihrer Mimik konnte Riley sofort herauslesen, was sie wollte.

„Du bekommst 15." Hollys Blick veränderte sich nicht.

„Gut, dann eben 20, aber dafür musst du mich den ganzen Weg stützen."

Von einer Sekunde auf die andere strahlte das blonde Mädchen wie ein Honigkuchenpferd. Langsam gingen sie voran und nachdem sie einige Straßen überquert hatten, fing Riley eine neue Konversation an, um den ewigen Monolog über Hollys Wochenende nicht mehr hören zu müssen.

„Sag mal, warum warst du denn hier in der Gegend? Weiß Rufus überhaupt davon?"

„Nein, aber ich musste dich holen."

„Wie kann ich das verstehen?"

„Naja, George hat die Diskussion von euch und deinen stürmischen Abgang gehört, und gewusst, dass du da bist, aber dann ist da nur noch James gewesen, der keine Ahnung davon hatte, was passiert war, und da Ms. Foster viel zu tun hatte, und keiner sonst im Haus war, hat sie mich beauftragt."

Das war so klar, dass sie mal wieder viel zu viel zu tun hatte. Typisch.

„Und Rufus?"

„Der arbeitet grad an einem Fall."

Am helllichten Tag jemanden umzulegen ist ziemlich riskant, aber gehört nun mal zum Job dazu. Alles hat seine Vor- und Nachteile.

„Außerdem hat Ms. Foster mich geschickt, damit du nicht alles vom Einführungstag verpasst."

„Was?!", gab Riley geschockt von sich. Das war heute? Hatte Megan nicht gesagt, es wäre erst in ein paar Tagen?

„Ja, heute ist der 1.", antwortete sie. Ich war drei Tage lang weg? War doch nicht so 'ne gute Idee, hochprozentigen Alkohol mit Schmerztabletten zu mixen.

Langsam erinnerte sie sich wieder an den Grund für ihren exzessiven Konsum von Bier und Rum.

„Was meintest du mit ‚nicht alles verpassen'", fragte die Frau.

„Naja, begonnen hat das Ganze um 8 Uhr, und da es jetzt zirka 1 Uhr ist, hast du noch exakt 15 Minuten."

Entsetzt fasste sie sich an die Stirn.

Ich muss unbedingt so schnell wie möglich zur alten Fabrik! Megan ist sowieso schon genervt, und auch wenn ich mich mit jeder Faser meines Körpers dagegen sträube, einen naiven Besserwisser auszubilden, was grundsätzlich an ein Wunder grenzt, sollte ich zur Einführungszeremonie kommen, wenn ich meinen Job nicht verlieren will.

Wie ausgewechselt löste sich die braunhaarige, junge Frau von Holly und rannte so geschwind, als würde ihr Leben davon abhängen. In gewisser Weise tat es das auch.


AuftragskillerDonde viven las historias. Descúbrelo ahora