Kapitel 28

1.7K 160 12
                                    

Megan! Warte mal, Megan!", rief ihr die braunhaarige Frau hinterher. Endlich blieb sie auf dem Treppenabsatz stehen, und Riley konnte sie einholen.

„Ich hab da noch ein paar Fragen zu einem Auftrag. Hier zum Beispiel steht keine Adresse." Die Jüngere deutete auf einen Zettel und hielt ihn hoch.

„Tut mir leid, Riley. Ich habe jetzt keine Zeit. Ich muss selbst einen Auftrag erledigen." Sie drehte sich um, und ging die Stufen hinunter. Das Holz unter ihr knarzte leicht. Riley folgte Megan.

„Ich dachte, als Direktorin muss man nur Papierkram erledigen?"

„Das ist ein Spezialauftrag und ich muss alles vorbereiten." Sie waren im ersten Stock angelangt und Chefin stolzierte in ihr Büro. Ihre ehemalige Schülerin wich ihr dabei nicht von der Seite.

„Solltest du dich nicht lieber von Jack verabschieden?" Auf diesen Namen reagierte sie im Moment allergisch. Er lässt mich einfach im Stich.

„Du meinst Jason? Darauf verzichte ich liebend gerne." Man sah der Frau an, dass sie traurig war. Megan fühlte mit ihr mit, doch sie verbarg es hinter ihrem strengen Blick.

„An deiner Stelle würde ich es schon tun. Immerhin wirst du ihn zum letzten Mal sehen." Riley verstand nicht. Was meint sie damit? Um sie nicht in Ungewissheit zu lassen, erzählte sie dem Schützling von ihrem Vorhaben.

„Was? Das geht doch nicht! Du kannst ihn doch nicht umbringen!", entgegnete ihr Riley.

„Es fällt mir selber schwer, aber die Geheimhaltung und Diskretion der Assassin GmbH haben höchste Priorität." Derzeit konnte sie mit Jack zwar nicht gut Kirschen essen, aber sie würde nie wollen, dass er stirbt. Ohne ihn wäre ich wieder allein. Ich will das nicht nochmal. Das muss ein schrecklicher Alptraum sein, aus dem ich gleich erwachen werde. Na komm, wach auf. Wach auf!

„Riley, es tut mir leid. Aber so sind nun mal die Regeln." Es ist kein Traum, das ist real. Das hier ist alles real. Eine kleine Träne rann ihre Wange hinunter. Sie schniefte und wischte dabei den Tropfen weg.

„Du hast ihm vorgegaukelt, er wäre frei, wenn er nur danach fragen würde, aber in Wahrheit wolltest du ihn loswerden!" Megan trat hinter ihren Schreibtisch und nahm Platz.

„Setz dich mal", sagte sie und deutete auf die kleine Couch an der Wand, doch Riley blieb stehen.

„Gut, wie du willst. Es ist ziemlich kompliziert und vielleicht in deinen Augen unverständlich, aber es ist bloß das Beste für uns alle. Und außerdem wollte ich Jack niemals loswerden. Er war immer ordentlich in seinem Job und zielstrebig, aber ich kann ihn zu nichts zwingen."

„Und die Konsequenz dafür ist der Tod?" Megan seufzte.

„Es bleibt mir einfach keine andere Wahl. Sobald er aus diesem Gebäude mit dem Namen Jason Coleman geht, ist er offiziell als nicht vertrauenswürdig einzustufen. Zudem hat er internes Wissen über unsere Organisation. Er war ja auch drei Jahre lang hier tätig." Riley weinte innerlich. Man hat immer eine Wahl.

„Das stimmt nicht. Er ist der vertrauenswürdigste Mensch, den ich kenne. Wenn man ihn darum bittet, dann würde er niemals ein Geheimnis weitererzählen. Er hält seine Versprechen."

„Das reicht aber leider nicht aus. Ich verrate dir mal eine alte Weisheit." Riley versuchte, sich zu beruhigen und zu zuhören.

„Ein Geheimnis zwischen zwei Personen ist erst dann wirklich sicher, wenn einer von ihnen tot ist. Dann kann er es nicht mehr ausplaudern."

„Aber bei Jack ist da anderes", verzweifelt suchte sie nach den richtigen Worten, „Wenn du ihm schon nicht vertraust, dann wenigstens mir. Ich sage die Wahrheit, wenn ich behaupte, dass Jack nichts über seine Vergangenheit preisgeben und auch nicht mehr wieder kommen wird." Letzteres tat ihr im Herzen weh. Er wird nicht wiederkommen. Wir werden uns nie wieder sehen.

„Das heißt, du bürgst für ihn und sein zukünftiges Verhalten?" Die Antwort fiel ihr leicht. „Ja."

AuftragskillerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt