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#1

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Damian

Gut gelaunt und vor mich hin pfeifend verließ ich den Verlag und steckte die Hände in meine Jackentaschen, um sie vor der winterlichen Kälte zu schützen.

"Thank God, it's Friday", murmelte ich, während ich zur Bushaltestelle schlenderte.

Freitagabend war mein absoluter Lieblingszeitpunkt der Woche. Man hatte gerade fünf Tage geschuftet, sich hemmungslos als Azubi ausnutzen lassen und sich die Seele aus dem Leib geackert, dafür stand jetzt das Wochenende vor der Tür. Es war noch ganz frisch, voller Verheißungen, voller Vorfreude. Und man konnte es mit gutem Gewissen genießen.

Mein Handy vibrierte und ich holte es hervor, nur um zu sehen, dass mein bester Kumpel Sebastian mir für heute Abend zugesagt hatte. Zufrieden steckte ich mein Handy wieder weg und hielt Ausschau nach meinem Bus.

Ich wollte mir unbedingt bald ein Auto zulegen, aber dafür müsste ich erst einmal Geld scheißen. Als Azubi wurde man definitiv nicht reich.

Wenigstens war ich seit einigen Monaten in meinem zweiten Lehrjahr und verdiente ein wenig mehr. Aber im Grunde machte es mir nicht so viel aus. Ich liebte meine Ausbildung, ich liebte die Marketingabteilung, in der ich arbeitete, ich liebte die Firma – den Verlag 'Desmond' – und ich liebte meine Kollegen.

Naja, nicht alle, aber fast.

"Na, wartet der kleine Damian auf den Schulbus?", rief mir eine wohlbekannte Stimme zu und ich verdrehte genervt, aber schmunzelnd, die Augen.

"Bin ich froh, dass ich deinen hässlichen Arsch die nächsten drei Wochen nicht sehen muss, Lucas!", rief ich meinem Kollegen aus dem Lektorat und Kumpel über die Schulter zu.

Mit meinen neunzehn Jahren war ich der jüngste Angestellte in der Firma, und daran wurde ich nur zu oft erinnert. Besonders Lucas und Carl – aus der IT-Abteilung – ärgerten mich wegen meines Alters. Aber insgeheim liebten sie mich, davon war ich überzeugt. Alle liebten mich eigentlich.

"Stimmt, viel Spaß in der Berufsschule!" Lucas winkte mir zu und ging mit hochgeklapptem Mantelkragen zum Firmenparkplatz. Ich sah ihm kopfschüttelnd hinterher.

Berufsschule.

Montag ging der Zirkus wieder los.

Man nehme dreißig unreife, dämliche und spätpubertierende Teenager, einen inkompetenten, unsicheren Lehrer und eine hässliche Schule mitten im Umbau – und das Chaos war perfekt.

Das einzig Gute war, dass ich ein kluges Köpfchen war. Und solange ich nicht mit irgendwelchen Idioten irgendwelche bescheuerten Gruppenarbeiten machen musste, würde ich die Wochen schon überleben.

Der Bus kam in dem Moment. Ich ließ erst die Leute aussteigen, dann betrat ich selber das Wal-ähnliche Fahrzeug. Ausnahmsweise war mal ein Platz frei und ich setzte mich ans Fenster. Es war fast dunkel draußen, trotzdem hielt ich meinen Blick nach außen gerichtet und betrachtete die Fahrzeuge neben uns und die Menschen auf dem Bürgersteig. Plötzlich fixierte mein Blick ein Spiegelbild in der Fensterscheibe und mein Herzschlag setzte aus.

Langsam drehte ich den Kopf zu dem Mädchen, dessen Blick ich in der Reflektion aufgefangen hatte, und die ein wenig weiter vorne stand und mich beobachtete. Erleichtert seufzte ich auf.

Das war nicht Blair.

Das war einfach ein anderes blondes, hübsches Mädchen.

Sie lächelte mir schüchtern zu, da ich sie noch immer ansah. Ich lächelte knapp zurück und wandte mich dann wieder desinteressiert weg.

From Friendzone With Love (Wattys2016-Gewinner)Where stories live. Discover now