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#5

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Blair

Gedankenverloren saß ich auf unserer Couch und kraulte unsere fette Katze Maggie hinter den Ohren. Ihr dunkles Fell wärmte mich, während ich auf den Fernseher starrte, ohne zu realisieren, was gerade eigentlich lief.

Der erste Tag der Berufsschule war vorbei und er war ganz anders gewesen, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Denn nie hatte ich gedacht, dass ich mit Damian in eine Klasse kam.

Ich war so froh gewesen, ihn wieder zu sehen, dass ich für einen kurzen Augenblick doch tatsächlich vergessen hatte, dass Damian mir ja eigentlich die Freundschaft gekündigt hatte. Seine Nähe war immer noch so vertraut und ich hatte ihn vermisst. 

Doch schnell hatte ich gemerkt, dass er meine Nähe anscheinend nicht als genauso erfrischend empfunden hatte. Er war nicht so locker und fröhlich wie ich es in Erinnerung hatte. Es schien so, als wäre die Energie aus ihm gewichen. Es hatte fast so gewirkt, als ob er sich nicht einmal gefreut hatte, mich zu sehen. 

Ich wollte mich gerne mit Damian aussprechen und hatte heute auch versucht, es zu tun. Aber dieser Noah war die ganze Zeit dazwischen gekommen. Er wirkte eigentlich echt nett. Mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen war er auch ganz schnuckelig. Und seine Lache... Die war wirklich mehr als unterhaltsam und lustig.

"Na, du kleine Streberin!" Bastian schmiss sich neben mir in die Kissen des Sofas, was Maggie dazu brachte, ihre Krallen in mich zu stemmen, um von meinem Schoß runter zu springen.

"Au, kannst du nicht ein bisschen vorsichtiger sein?", fragte ich ihn genervt und rieb mir über die Beine.

"Ach, hab' dich doch nicht so", winkte mein Bruder ab. "Na, wie war's? Erzähl schon!"

Ich stöhnte genervt, weil ich absolut nicht in Redelaune war - wie mein Bruder aber anscheinend. Maggie kam wieder angetrottet und ließ sich auf meine Füße plumpsen.

"Es war okay. Damian war auch da, wir sind in einer Klasse."

"Damian und du seid jetzt in einer Klasse?" Bastian sah mich überrascht an, bevor er zum Grinsen anfing. "Dann könnt ihr euch jetzt nicht mehr totschweigen." 

"Das machen wir doch gar nicht", verteidigte ich mich. Ich hatte Bastian nichts davon erzählt, dass Damian keinen Kontakt mehr mit mir haben wollte und anscheinend hatte auch Damian kein Wort über die Situation zwischen uns verloren. Aber es war Bastian natürlich aufgefallen, dass wir auf einmal nichts mehr miteinander unternommen hatten. "Wir sind einfach irgendwie unterschiedliche Wege gegangen, so etwas passiert", versuchte ich mich herauszureden und dabei möglichst gleichgültig zu klingen. 

Bastian zuckte nur mit den Schultern, schnappte sich die Fernbedienung und begann, durch die Programme zu zappen. Normalerweise hätte ich ihn für diese Frechheit zur Sau gemacht, aber gerade eben interessierte es mich eh nicht, was im Fernseher lief.

Ich starrte schon wieder vor mich hin und dachte an nichts und doch wieder alles. Hauptsächlich aber an Damian. Und dann auch wieder nicht.

Als Mama kurz darauf ins Wohnzimmer rief und fragte, ob ich ihr beim Kochen helfen wollte, stand ich gehorsam auf, nachdem ich Maggie vorsichtig von meinen Füßen geschubst hatte. Auch hier würde ich mich normalerweise beschweren, dass immer ich, aber nie Bastian gefragt wurde, aber ein wenig Ablenkung würde mir gut tun.

Und nach dem Essen würde ich bestimmt nicht mehr über Damian grübeln. Er hatte doch noch nie einen Großteil meiner Gedanken beansprucht, wieso also sollte er es jetzt tun?

***

Damian

"Was ist los, Damian? Hast du keinen Appetit?"

Seit zehn Minuten stocherte ich wortlos in meinem Abendessen herum und grübelte. Da ich normalerweise tonnenweise am Fressen war und nonstop mit meiner Mutter redete, war ihr der Kontrast sofort aufgefallen. 

"Keine Ahnung", murmelte ich und versuchte einen Happen zu essen. Es war einfach nur tragisch, wie miserabel ich mich gerade fühlte, nur weil ich verliebt war. Sollte das nicht eigentlich etwas Positives sein? Einem mehr Energie geben? Mehr Lebensfreude? 

"Erzähl deiner alten Mutter, was dir auf dem Herzen liegt", versuchte sie sich grinsend und brachte mich damit auch zum Grinsen. 

"Blair ist in der gleichen Klasse wie ich", sagte ich niedergeschlagen, nachdem ich einige Sekunden überlegte, ob ich meine Mama in meine aktuellen Probleme einweihen sollte. Sie wusste von Blair und mir. Sie wusste eigentlich alles über mich, deswegen fiel es mir nicht schwer, mit ihr darüber zu reden.

"Oh." Sie sah mich mit einem betroffenen Ausdruck an. "Hast du das gewusst?"

Ich schüttelte den Kopf und stopfte noch etwas Hähnchenbrust in mein Maul. Das schmeckte echt lecker, wäre also schade, wenn ich es nicht essen würde, nur weil ich mal wieder Trübsal blies.

Meine Mama sagte erst nichts, aß schweigend weiter, trank etwas von ihrem Wasser. Dann legte sie ihr Besteck zur Seite und sah mich an. "Ich verstehe, dass das für dich hart sein muss. Aber mein Damian setzt sich nicht einfach passiv hin und heult."

"Hey, ich habe nicht geweint!", fiel ich ihr sofort ins Wort. Sie hob nur eine Augenbraue. 

Was...? Ich hatte nicht geweint! Ehrlich!

"Ich habe kein Weichei erzogen, sondern einen starken jungen Mann, der nicht aufgibt, sich nicht geschlagen gibt und der Herausforderungen annimmt. Ich sage nicht, dass du jemals Blairs Herz gewinnen wirst." Autsch. "Aber lass dich davon nicht kaputt machen." Sie griff über den Tisch und legte ihre Hand an meine Wange.

Es war lange her, dass meine Mama so einen Pep-Talk für mich halten musste, ich hatte bis jetzt alles in meinem Leben ziemlich gut im Griff gehabt. Aber gerade eben war es einfach notwendig gewesen und ich liebte sie dafür, immer hinter mir zu stehen. Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie kurz, bevor sie sie wieder zu sich zog. 

"Du hast ja Recht, Mama. Aber... Es ist schwer, die Kräfte dafür zu finden, sich aufzurappeln. Ich bin völlig ausgelaugt." Nach gerade einmal einem Tag in Blairs Nähe. Wie würde es wohl nach den drei Wochen aussehen?

"Irgendwo wirst du die Kräfte schon auftreiben. Glaub mir." Sie lächelte mich ein wenig wehmütig an. Damals, als mein Vater von einem Tag auf den anderen einfach abgehauen war und meine Mutter mit einem kleinen zweijährigen Rotzlöffel alleine gelassen hatte, war sie am Boden zerstört gewesen. Aber auch sie hatte irgendwo die nötige Energie auftreiben können, um durchzuhalten.

Meine Situation war natürlich nicht wirklich vergleichbar, aber sie wusste trotzdem, wovon sie sprach. Sie wusste, dass man Liebeskummer und Herzschmerz überwinden konnte.

Ich nickte, aß weiter und dachte darüber nach, ob ich das wirklich durchziehen könnte. Aber eigentlich gab es keine Wahl. Ich MUSSTE das durchziehen.

Wir aßen zu Ende, ich half noch mit dem Abräumen und ging dann in mein Zimmer. Erst wollte ich ein Album von 'Mumford & Son's' anschmeißen, doch das wurde mir dann doch ein wenig zu sentimental. Stattdessen brauchte ich eine ordentliche Ladung Rock.

Als ich mich auf mein Bett schmiss und meinen Laptop hervorholte, war ich schon voll dabei zu überlegen, wie ich meinen 'Kampf' gegen Blair gewinnen könnte. Traurig zu sein, würde mir rein gar nichts bringen. Einfach so zu tun, als wäre nichts passiert, war auch keine Option.

Ich konnte nur ich selber sein und Blair wie alle anderen behandeln – die nötige Distanz wahren, mich aber nicht verstellen. Ich würde nicht versuchen, sie zurück zu gewinnen, denn das war eh unmöglich. Aber ich konnte ihr wenigstens zeigen, zu was sie Nein gesagt hatte, dachte ich schmunzelnd. 

Ich musste den Eindruck erwecken, dass ich über sie hinweg war. Dass ich keinerlei romantische Gefühle für sie hegte. Dass sie mir nicht mehr bedeutete als eine gute Freundin. Genau, ich müsste eigentlich sie friendzonen. Dann wäre ich womöglich sicher davor, total zu zerbrechen.

Relativ zufrieden mit meinem Plan rollte ich vom Bett runter, machte meine Playstation an und schrieb Bastian, ob er mit mir eine Runde Fifa zocken wollte. Ein wenig Spaß, ein paar Siege und ein wenig Ablenkung – genau das, was ich jetzt gebrauchen konnte.


From Friendzone With Love (Wattys2016-Gewinner)Where stories live. Discover now