UMZUG

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NATHANS POV


Hey Jon, heute war es echt anstrengend. Ich habe einen neuen Patienten und er heißt Paul Williams. -gesendet um 23:14 Uhr [fehlgeschlagen]


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„Schatz?", rief ich durch die Wohnung, nachdem ich erschöpft meine Schuhe ausgezogen habe. Komplett mit meinen Nerven am Ende, lief ich geradewegs in meine Freundin Hayley rein. Wir waren mittlerweile mehrere Jahre zusammen und sind vor zwei Jahren zusammengezogen. Jedoch tauchte sie wohlbemerkt nur halbnackt vor mir auf und versuchte sich mit unserer Bettdecke einzuhüllen. Dabei entgingen mir nicht die roten Spuren und diversen Knutschflecken. Sie sah ziemlich geschockt, verwirrt und durchgenommen aus. Wortwörtlich. Doch von mir kamen die nicht – wir beide waren viel zu beschäftigt mit unseren Jobs, um in letzter Zeit Spaß haben zu können. Mein Herz rutschte mir in die Hose.

„Ich glaube wir müssen reden, Nathan", murmelte sie und trat nervös auf der Stelle. Plötzlich ertönte hinter ihr ein leichtes Poltern und ein Mann, um die 30, stolperte in das Wohnzimmer und wirkte ein wenig daneben. Auch er hatte sich nur ein Handtuch um seinen Torso gewickelt und Hinweise von einem wilden Abend sprangen mir in mein Auge. Offensichtlicher ging es nicht, oder?

„Baby, wer ist das? Dein Bruder?", fragte er misstrauisch und blickte mich komisch an. Hayley und ich zogen scharf die Luft ein. Sie blickte ihn fassungslos an und ich verzog angewidert meine Nase. Im Moment war mir alles andere egal, Hauptsache sie machten sich schleunigst vom Acker. Ich wollte sie nicht mehr sehen. Ich wollte sie nicht mehr in unserer Wohnung sehen. Auch wenn unsere Beziehung im Moment nicht die glücklichste war, hätte ich Fremdgehen niemals von ihr erwartet.

„Alle beide raus hier! Was fällt dir ein hier mit mir zu leben und eine Liebe vorzutäuschen, wenn du mir dann hintergehst? Es ist aus und jetzt verpiss' dich. Ich will dich und dieses unglaubliche Arschloch niemals wiedersehen!", rief ich und ehe ich mich versah, nahm dieser Penner die Hand meiner nun-Ex und sie liefen, ohne sich noch einmal umzudrehen, aus der Wohnung. Da haben sie wohl vergessen, dass sie halbnackt durch die Straßen rennen müssten. Karma arbeitete heute wenigstens ein kleines bisschen.

Ich versuchte den schmerzenden Gesichtsausdruck von Hayley zu verdrängen und scheiterte misslich, meine Gedanken wieder zu sammeln. Kopfschüttelnd lief ich in unser gemeinsames Schlafzimmer und distanzierte mich mental von der schockierenden Situation.

Ohne groß nachzudenken, riss ich das widerliche Bettlacken vom Bett, stopfte es in den Mülleimer und kämpfte gegen den Gedanken, den Stoff in Brand zu setzen. Es roch zum Glück nur nach Hayley und mir – ein kleiner Stich durchfuhr mein Herz.

Ich habe sie wirklich geliebt und dass es so drastisch enden musste, war einfach nur... traurig. Auch konnte ich mich nicht daran erinnern, dass ich selbst an dieser Situation schuld sei. Immer habe ich sie gut behandelt, wertgeschätzt und respektiert. Ich konnte nichts dafür, dass meine Arbeit so viel Zeit beanspruchte und hätte mich für eine ruhigere Position bewerben können. Aber sie war es, die mich motiviert hat und mir versprach, dass sich die Hektik bald legen würde und wir unserer Routine als Paar bald wieder nachgehen könnten. Ich schüttelte meinen Kopf. Ich sollte jetzt nicht daran denken.

Um mich zu beschäftigen, nahm ich schnell Umzugskartons in die Hand, die überall in der Wohnung verteilt waren. Hayley und ich wollten demnächst eigentlich umziehen, sodass mir jetzt ein schneller Umzug erleichtert werden würde. Eine neu-gemietete Wohnung unter meinem Namen die ich benutzen könnte, stand schon frei und die Schlüssel lagen auf meinem Schreibtisch.

Ich musste bei den Gedanken an sie nun ein wenig würgen; ich habe sie sowieso nie wirklich geliebt. Anscheinend war sie nur auf das Geld meiner Familie aus versuchte ich mir einzureden, scheiterte jedoch kläglich. Sie liebte mich und ich liebte sie, das war ein nicht zu ändernder Fakt.


Schließlich brachte ich um 05:00 Uhr morgens mein wichtigstes Hab und Gut ins Auto und überprüfte, ob ich noch etwas vergessen habe. Schlüssel, Handy, Arbeitstasche, Wechselklamotten und mein Kulturbeutel. Als ich mir sicher war, dass ich nichts Wichtiges vergessen habe, fuhr ich zu meinem neuen Wohnort. Die Adresse war Hayley zum Glück unbekannt, da es eine Überraschung werden sollte. Wie schnell sich die Zeiten geändert haben.

Ein letztes Mal rief ich den Chat zwischen Hayley und mir auf. Die letzten Nachrichten trieben mir Tränen in die Augen, doch ich rieb mir kurz über meine Augen und fing an zu tippen.


Falls du deine Sachen noch haben willst, hast du nicht mehr lange Zeit. Die Möbelpacker kommen morgen und wenn bis dahin nichts weg ist, ist das dein Problem. Hoffentlich sehe ich dich nie wieder mehr.

[Sind Sie sich sicher, dass sie „Hayley <3" löschen und blockieren wollen?]

Ich schloss meine neue Wohnung auf und bestätigte die Meldung. 




So schnell kann eine Trennung wohl passieren. 

- am 20.09.2021 überarbeitet

Nathan |  ✓Where stories live. Discover now