ERRÖTEN

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NATHANS POV


Liebe, wie sich so etwas anfühlt? „Man sollte Geborgenheit, Zuneigung und Sicherheit spüren, egal bei wem". Das waren deine Worte als du noch mit mir geredet hast und mich geliebt hast, wie ein großer Bruder das tun sollte. Damit hast du jedes gottverdammte Geschlecht gemeint und dazu zählte auch Homosexualität. Wieso hast du es trotzdem nicht akzeptiert? Wieso hast du nicht mich akzeptiert? Ich hasse dich.


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‚Wieso nervten mich ausgerechnet heute alle?', fragte ich mich, verdrehte genervt meine Augen und verschränkte trotzig meine Arme.

„Was ist mit meinem Patienten, habe ich etwas falsch gemacht?", harkte ich nach und innerlich stieß ich einen hysterischen Schrei heraus, da ich insgeheim schon wusste worüber er mit mir sprechen wollte.

„Das Krankenhaus ist wegen der Aufnahme der Verletzten völlig überfüllt und da du dich eigentlich intensiv um Williams kümmern müsstest... Könntest du ihn für einen kurzen Zeitraum bei dir aufnehmen? Dabei kannst du praktisch von Zuhause aus arbeiten und dich auf seine Besserung konzentrieren. Ich würde dir natürlich noch etwas auf dein Gehalt daraufsetzen – das Krankenhaus benötigt wirklich dringend diesen Platz für andere Patienten. Also Nathan, kann ich auf dich zählen?", ratterte Ron hinunter während er eifrig auf sein Klemmbrett etwas hinkritzelte.

Mit einem neutralen Gesichtsausdruck nickte ich und auf die Wanduhr blickend, bemerkte ich, dass meine Schicht sowieso zu Ende war.

„Bin für den heutigen Tag sowieso schon durch. Ich bringe Williams lieber morgen zu mir und dann werde ich sehen, ob diese Mission klappen wird oder nicht", nuschelte ich und drückte mich an meinem Chef vorbei, der mich jedoch am Handgelenk zurückhielt.

„Danke. Ich und das Team schätzen es wirklich."


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Zuhause angekommen lief ich schnurstracks Richtung Schlafzimmer und schmiss mich auf das Bett. Die ungewohnte Stille dröhnte in meinen Ohren und ich fing an, nachzudenken. Mein Leben war momentan ein einziges Chaos und niemals hätte ich gedacht, dass ich mich in so einer Situation vorfinden würde. Wer wollte schon freiwillig in meiner Haut stecken?

Langsam hob ich mein Kopf und blickte auf die Kartons, die sich zum Teil bis hoch zur Decke türmten. Unmotiviert ließ ich mein Kopf wieder auf das Kissen fallen und atmete tief durch. Kurz bevor ich jedoch wegdöste, rappelte ich mich auf und packte die erste Kiste aus. Sie konnten sich schließlich nicht von sich selber ausräumen und morgen würde ich schon meinen ersten Gast erwarten. Was würde Paul wohl denken, wenn er in einer leeren Wohnung mit einem fremden Mann vorübergehend leben müsste? Vor allem, wenn es so kahl und unwillkommen aussah wie jetzt.

In den ersten Kartons befanden sich Fotos. Ich öffnete die Pappbox und lief damit in das Wohnzimmer, wo ich mich auf das Sofa setzte. Auf dem ersten Bild war eine glückliche fünfköpfige Familie abgebildet. Alle strahlten um die Wette und man konnte wortwörtlich die Familienliebe spüren die einst wohl da war. Traurig lächelte ich wegen den aufkommenden Erinnerungen und nostalgischen Gefühlen, legte aber die Kiste tief unter das Sofa und hoffte, dass ich diese Erinnerung so schnell wie möglich wieder verdrängen konnte.

Im nächsten Umzugskarton waren meine Kleidungsstücke. Ich musste zugegeben, dass ich zu viele Klamotten hatte. Allerdings war es schade, dass ich aufgrund meines Berufes kaum die Gelegenheiten hatte, diese oft in meiner Freizeit zu tragen. Mein Kleidungsstil glich, anstatt Businessanzüge und Spießer-Kleidung, der heutigen Jugendrichtung. Ich schob meine Einkaufssucht auf die Konsequenzen von Fast Fashion.

Nathan |  ✓Where stories live. Discover now