ZURÜCKWEISUNG

5.3K 267 18
                                    

NATHANS POV


Hast du jemals geweint? Und mit weinen meine ich nicht nur, Tränen in den Augen zu haben. Sondern so schlimm geweint zu haben, weil deine Welt zusammengebrochen ist. Ich hatte diese Erfahrung schon sehr oft und du warst meistens einer der Gründe. Danke dafür. -gesendet um 06:34 Uhr [fehlgeschlagen]


###


Ich blinzelte und wusste zuerst nicht wo ich mich befand. Mich verwirrten die Sonnenstrahlen die durch den zurückgezogenen Vorhang schienen, da ich normalerweise von meinem Wecker früh morgens geweckt wurde. Meine Augen gewöhnten sich nur mit Mühe an das helle Licht und mir wurde bewusst, dass ich im Bett meiner neuen Wohnung lag. Mit Paul.

Im Schlaf haben wir wohl unsere Schlafposition geändert, da ich nun auf der Seite lag und Paul mich von hinten in die Arme geschlossen hat. Sein Waschbrettbauch presste sich an meinen Rücken und ich erschauderte, da ich jede seiner einzelnen Muskeln perfekt spüren konnte. Seine Haut fühlte sich so rein, geschmeidig und warm an, sodass ich wohlig aufseufzte. Wie schnell ich mich doch an seine Anwesenheit gewöhnt habe.

Ich drehte mich leicht zu ihm, sah hoch und blickte in sein schlafendes Gesicht. Tiefdunkle Augenringe und getrocknete Tränenspuren zierten seine sanften, jedoch maskulinen Gesichtszüge. Er hatte sich wahrscheinlich in den Schlaf geweint, da seine Wimpern verklebter und noch ein wenig feucht waren. Seine Haare lagen zerstreut auf meinem Kopfkissen, dennoch sahen sie auch in diesem Augenblick süß aus. Paul sah normalerweise jünger aus als 29, doch mit einem Schlag nahm er eine ältere Version eines 29-jährigen an, die einem Mann in seinen 30er glich. Dieser Anblick war wahrlich kein besonders schöner und den Grund dafür, würde ich vielleicht niemals erfahren.

Langsam und behutsam befreite ich mich aus seinen Armen, mit der Absicht, ihn nicht aufzuwecken und legte meine Hand zögernd an seine Wange. Ich fuhr sein Gesicht entlang und seufzte unwillkürlich auf. Man sah ihm an, dass er litt. Helfen wollte ich schon im ersten Moment, doch wollte er sich auch helfen lassen? Ich bezweifelte es, dennoch konnte ein Versuch nicht schaden.

Seine samte Haut fühlte sich unter meinen Fingerspitzen gut an und ich wollte mehr davon. Zu lang war es her, als ich mich bei jemanden bedingungslos geborgen gefühlt habe. Es schien unrealistisch, dass ich nach so kurzer Zeit schon so viel von ihm hielt, jedoch konnte ich nichts dagegen machen.

Ich drückte mich näher an seinen warmen Körper und sog seinen besonderen Duft ein. Er roch leicht nach Waschmittel, Aftershave und einem Hauch von seiner eigenen Perfektion. Schnulziger konnte es kaum gehen, nicht wahr? Mein Kopf drückte ich in seine Halsbeuge und genoss seine rasierte Haut an meiner. Mit Sicherheit konnte ich sagen, dass ich mich unglaublich wohl fühlte. Langsam regte sich sein Körper unter mir, welches mir das Aufwecken von Paul signalisierte.

„Ich liebe dich, Jackson Parker", murmelte Paul aus dem Nichts und ich zuckte ein wenig zusammen. Er kam langsam wieder zu sich und versteifte sich augenblicklich. Ich wagte es kaum, mich zu bewegen und ein Stich durchfuhr mein Herz. Hoffentlich lag es nicht an Eifersucht, denn gerade das wäre kein gutes Omen. Ich durfte keine Gefühle für ihn entwickeln, dennoch konnte ich es mir nicht verkneifen, zu denken, dass es Jemanden in seinem Leben gab.

Paul lockerte seinen Griff und entfernte sich ein bisschen, sodass er mir ins Gesicht blicken konnte und seine Augen wurden groß. Ihm entwich die Farbe aus seinem Gesicht und langsam realisierte er die Situation. Als wäre ich ein Fremder, stieß er mich hart weg, sodass ich unsanft auf den Boden landete. Immer noch am Verarbeiten meiner Gefühle, blieb ich fast schon traumatisiert auf den Fußboden sitzen und bereute es, dass ich die Nacht bei ihm verbracht habe. Er war undankbar und wollte nicht hier sein und das zeigte er mir auch ganz deutlich.

Paul erschien an der Bettkante und er blickte zu mir hinunter. „Was. War. Das?!", zischte er und seine Augen funkelten wütend. Wieso war er wütend, wenn eigentlich ich derjenige sein sollte? Mein Puls stieg auf 180 und langsam brannten bei mir alle Sicherungen durch.

„Strenge dein Gehirn doch einmal an! Wer hat mich hier gebeten bei dir zu bleiben und dich nach deinem Albtraum zu beruhigen?", warf ich ihm monoton an den Kopf.

Verdutzt sah er mich an, dachte anscheinend nach und man sah kurz so etwas wie Reue in seinen Augen aufblitzen. Bevor er etwas erwidern konnte, kam ich ihm zuvor: „Schiebe dir doch deine Entschuldigung sonst wo hin! Du bist nicht einmal einen Tag hier und schon gibt es Stress. Ich bin auch nicht besonders überzeugt davon, dass ich mit einem unbekannten Patienten eine Wohnung teilen muss. Also lasse deinen Frust nicht an mir aus, sonst kannst du dir gleich eine neue Unterkunft suchen. Aber wir wollen das beide nicht und ich habe keinen Bock meinen Job zu verlieren, also reiße dich zusammen. Du bist hier nicht der Einzige mit Problemen."

Genervt setzte ich mich vom Fußboden auf und machte mich auf den Weg ins Badezimmer. Ich verschloss die Türe und stützte mich heftig atmend am Waschbecken ab. Wieso war ich nur so aufgebracht, verwirrt und vor allem dumm? Frustriert stöhnte ich auf, legte meinen Kopf in den Nacken und schloss meine brennenden Augen. Mein Leben war einfach nur scheiße kompliziert.

Ich kaute an meinen Lippen und bereute meine Worte nach einer kurzen Reflektion. Sein Schmerz und meine Probleme konnte man überhaupt nicht vergleichen und es war nicht fair ihm gegenüber, sein Trauma gegen ihn zu verwenden.


###


„Hey Paul. Sorry was ich da gesagt habe. Es stimmt alles nicht – okay ein bisschen schon, aber ich bin einfach ausgetickt. Es tut mir wirklich leid", meinte ich kleinlaut und verschämt am Küchentisch. Nachdem ich mich eine Viertelstunde lang im Bad abgeregt habe, stieß ich zum frühstückenden Paul in der Küche. Es war still nach meiner Aussage.

Und jetzt erwarteten alle den Satz: „Ich nehme deine Entschuldigung an, Spätzchen. Aber nur wenn du meine annimmst, Babe" von Paul. Jedoch befanden wir uns hier in der Realität und da lief alles anders ab.

Paul erwiderte, nicht anders zu erwarten, kein Wort und aß ausdruckslos sein Müsli weiter. Nicht mal mit den Wimpern zuckte er, doch man konnte ein wenig bemerken wie er sich bei meinen Worten anspannte.

Ich entschuldigte mich noch mehrmals, bis es ihm anscheinend zu viel wurde und er einfach mit der Müslischüssel aufstand und auf das Balkon ging. Seufzend gab ich auf und ich räumte mein schmutziges Geschirr in die Spülmaschine. Das würden sehr schöne Wochen werden, wenn nicht sogar Monate. Und wie ich mich freute.

Doch eine Frage schwirrte mir schon den ganzen Tag durch den Kopf; wer war Jackson?



Wer ist Jackson? Ein Familienmitglied, ein Freund oder vielleicht ein ehemaliger Liebhaber?

- überarbeitet am 28.09.2021

Nathan |  ✓Where stories live. Discover now