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NATHANS POV


Wurdest du einmal so sehr verletzt, dass du sterben wolltest? Einfach alles beenden: sei es an Überdosis, eine Schnittwunde an der Hauptader oder doch vielleicht einen Sprung in die Tiefe? Verletzt einen Brief an all deine Liebsten geschrieben und mit Tränen in den Augen nach einer Erlösung gesehnt. Aber du kannst dich nicht überwinden, zu groß ist die Angst, dass sie deinen Namen in den Dreck ziehen und du in Vergessenheit gerätst. -gesendet um 19:09 Uhr [fehlgeschlagen]


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Nachdenkend stand ich vor dem Fenster welches zum Balkon führte. Sollte ich mein Leben riskieren und zu ihm gehen oder ihn doch lieber in Ruhe lassen? Wieder einmal konnte ich mich nicht entscheiden und blickte gedankenverloren auf den Boden und driftete ab, denn kurz darauf wurde mein Gedankenfaden von einem kalten Luftzug unterbrochen. Gänsehaut breitete sich rasch auf meinem Körper aus und verdutzt blickte ich hoch und sah geradewegs in das Gesicht von Paul. Er wiederum schaute nur kühl in meine Augen und fragte abwertend: "Ist irgendetwas? Wenn nicht, gehe zur Seite. Ich muss hier durch."

Sprachlos starrte ich ihn an und verlor mich in seinen Augen. Etwas, was nun regelmäßig mit mir passierte. Sie wirkten so kühl, aber ich konnte mir denken, dass er irgendwie etwas im Moment fühlen müsste. Egal ob Wut, Trauer, Hoffnungslosigkeit oder sonst etwas. Seine Laune änderte sich viel zu schnell und man konnte es schwer auf Gleichgültigkeit zurückschließen.

Nachdem ich immer noch nichts erwidert habe, schob er mich genervt zur Seite und ging in die Küche. Dort legte er das Geschirr in die Spülmaschine und stützte sich mit beiden Händen über die Küchentheke. Er schloss seine Augen und atmete tief ein.

Irgendetwas müsste sich an dieser Situation verändern, das stand fest. Ein unangenehmes Schweigen legte sich über uns und nach einer Weile räusperte ich mich und sagte: „Wie wäre es, wenn wir ein bisschen shoppen gehen? Du hast nicht gerade viel zugesendet bekommen und du kannst dich ja nicht ständig in einer Jogginghose und einem T-Shirt herumtreiben. Es ist bald Winter und meine Klamotten würden dir definitiv nicht passen."

Angespannt knetete ich meine Hände und konnte meine Nervosität nicht weiter unterdrücken. Schnell ließ ich meine Hände an meine Seiten fallen und blickte erneut auf den Boden. Wie konnte ich diesen Kratzer nicht bemerken?

Paul war einfach so eine Person, der ohne Schwierigkeiten einen relativ schnell einschüchtern konnte. Zumal war er locker um die 1,90m groß und vollbepackt mit Muskeln. Wie würde er mit einem kleinen Welpen auf dem Arm aussehen? Oh mein Gott, was war nur los mit mir?

Unerwartet brummelte Paul zustimmend ein „Okay." Okay?! Das war alles was er zu sagen hatte? Kein ‚Ja, Dankeschön Spatz! Ich liebe dich für deine Gastfreundlichkeit und würde dich glatt heiraten!'. Immerhin besser als seine Antworten davor. Na danke aber.

„Gut, dann mache dich schonmal fertig. Ich suche währenddessen nach einer Jacke, die dir eventuell doch passen könnte", murmelte ich und verschwand in unser Zimmer. Hm, eigentlich ein recht schöner Gedanke.

Ich durchstöberte meine Schränke und stieß auf eine Jacke, die mir viel zu groß war. Ich kniff meine Augen zusammen und überlegte wem Jacke wohl gehören konnte. Eigentlich kaufte ich mir immer passende Kleidung ein. Als ich schließlich bemerkte, wem die gehörte, stiegen mir Tränen in die Augen und überfordert wischte ich mir über mein Gesicht. Ein Gefühlschaos nach dem anderen; wieso konnte man mich nicht verschonen?


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„Wir bleiben zusammen, okay? Ich kaufe dir die Sachen und du kannst sie mir irgendwann wieder zurückzahlen", rief ich ihm hinterher und schloss währenddessen das Auto ab. Allerdings bezweifelte ich, dass er was gehört hat, denn er verschwand schon längst in ein Geschäft und machte sich auf die Suche nach neuen Kleidungsstücken.

Nathan |  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt