Kapitel 6

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Mit eiligen Schritten lief Kasumi Furuya durch die Vereinigung. Mit einem Handy am Ohr sprach sie mit der Zweigstellenleitung von China. So erfuhr sie, das nicht nur Japan in neue Unruhen verwickelt war. In China hatten sich vor einigen Tagen ein paar Adelige aufgelehnt und waren kurz darauf von einigen Jägern vernichtet worden. Ähnliche Nachrichten hatte Kasumi auch von Deutschland, Frankreich und Indien gehört. Dabei hatte sie vor einigen Tagen nur eine Rundnachricht bezüglich Harukas Namen geschrieben. Der kleine Gast hatte sich nämlich an ihren Vornamen erinnert. Leider war das auch schon alles, aber die Leiterin der japansichen Zweigstelle wollte sich diese Chance nicht entgehen lassen. So hatte sie jede Stelle von jedem Land angeschrieben, ob diese ein Reinblüterin mit dem Vornamen 'Haruka' kennen würden. Doch die Resonanz war ernüchternd. Niemand hatte je von so einem Mädchen gehört. Hätte sich Kasumi eigentlich auch denken können, immerhin klang der Name viel zu japanisch, als das dieses Mädchen aus einem anderen Land stammen könnte. Aber dennoch war es ein Versuch wert gewesen.
Von einigen Ländern hatte die Braunhaarige auch nur eine knappe Mail zurück bekommen. Leider gab es nämlich auch zwischen den Zweigstellen immer wieder Probleme und Konflikte. Dabei kämpften doch alle für ein gemeinsames Ziel. Kasumi verstand es bis heute nicht, hatte es aber aufgegeben sich darüber aufzuregen. Jetzt musste sie sich sowieso erstmal um ihre eigenen Probleme kümmern. Heute morgen hatte sie eine beunruhigene Nachricht aus Nagoya erhalten. In dieser Stadt war in den letzten zwei Wochen immer wieder zu Überfällen von Vampiren gekommen. Letzte Nacht wurde eine ganze Einheit an Vampirjägern getötet worden, die eigentlich nur die Menschen dort beschützen wollten. Solch eine agressive Vorgehensweise gab es schon seit einigen Jahren nicht mehr. Gerne würde Kasumi einige ihrer Leute dort vorbei schicken, doch im Moment war das Hauptquatier in Japan unterbesetzt. Hime lag immernoch im Krankenflügel. Zwar hatte sie ihr Bewusstsein wiedererlangt doch war sie immernoch viel zu geschwächt um überhaupt etwas zu unternehmen. Daphne ebenso. Ihre Wunden waren verheilt, aber auch Vampire brauchten einen Moment der Ruhe und alleine wollte sie ihre Kollegin dort auch nicht hinschicken. Es war zum Verrückt werden. Sie musste sich dringend etwas einfallen lassen.
Auf den Fluren kam ihr schließlich Damian entgegen. Ihn konnte sie noch weniger entbehren. Er war der einzige in der ganzen Vereinigung, dem Haruka vertraute.
"Wie siehts aus? Erinnert sich Haruka noch an etwas Neues?" Damian schüttelte den Kopf.
"Nein, bis jetzt wissen wir nur von ihrer Vorliebe für Erdbeeren und ihren Vornamen. Nicht mal das Blut, welches jeden Tag neben ihren Essen steht, rührt sie an. So werden ihre Wunden wohl weiterhin nur mittelmäßig heilen."
"Wunden?" fragte Kasumi verwundert. Damian seufzte als Antwort.
"Der kleine Tollpatsch hat sich gestern mit dem Brotmesser in den Finger geschnitten. Heute morgen hat sie die Gabel fallen lassen und ist drauf getreten. Außerdem ist sie aus dem Bett gefallen und hat sich den Kopf aufgeschlagen." zählte Damian einige Sachen auf. Haruka war wohl wirklich ungeschickt. Wie konnte eine Reinblüterin nur so ungeschickt sein?
"Und hast du etwas Neues herausgefunden?" stellte Damian die Gegenfrage. Kasumi schüttelte den Kopf, erzählte ihm aber von den Unruhen. Auch die Sache mit Nagoya verschwieg sie ihm nicht. Doch auch er wusste keine gute Lösung.
"Die Einzige, die im Moment zur Verfügung steht, ist Kyoko. Die meisten unserer anderen Mitarbeiter sind entweder im Dienst, verletzt oder tot." seuzfte sie, während sie gemeinsam mit Damian zur Kantine ging. Kasumi hatte heute noch gar nichts gegessen, und so schlugen ihr die ganzen schlechten Nachrichten noch mehr auf den Magen. Damian schien allerdings nur etwas für Haruka holen zu wollen. Als der Koch ihm ein kleines Tablet mit einem Erdbeerkuchenstück entgegenreichte, wandte dieser sich nochmal an seine Chefin.
"Frag doch eine andere Zweigstelle, ob sie dir ein paar Jäger schicken können. Immerhin sind Aria und Jace auch in Frankreich und helfen dort aus."
Kasumi nickte. Das war eine sehr gute Idee. Sie bedankte sich bei Damian und ging zurück in ihr Büro.

Zwei Stunden später atmete sie erleichtert auf. Nachdem sie die gefühlt 100. Zweigstelle angerufen hatte, wurde ihre Bitte endlich erhört. Viele wollten Japan nicht helfen weil es das gefährlichste Land ware oder weil sie selber zu wenig Mitarbeiter hatten. Ein Leiter sagte sogar, das er seinen Mitarbeitern nicht zumuten konnte, eine neue Sprache zu lernen. Sowas lächerliches. Erst als sie mit dem Leiter der Zweistelle in Deutschland sprach, hatte sie eine zusage bekommen. Zwar konnte er ihr zur zwei Leute schicken, aber Kasumi war für jede Hilfe dankbar. Leider befanden sich die beiden verfügbaren Leute noch auf einer Mission. In frühestens einer Woche würden sie eintreffen, bis dahin mussten sie die Zeit überbrücken. Mittlerweile überschlugen sich die Ereignisse. Seitdem sie Haruka gefunden hatten, gab es immer mehr Tumulte und viele Adelige lehnten sich auf. Es gab leider nicht viele Jäger, die es mit solchen Vampiren aufnehmen konnten und so musste sie schon eine Menge Verluste wegstecken. Oft quälten sie die Gedanken, ob sie als Leitung der japanischen Zweigstelle nicht vielleicht versagt hatte. Als sie ihr Amt angetreten war, gab es viele Proteste. Die meisten waren der Meinung, Kasumi sei zu jung dafür. Doch schon kurz darauf hatte sie gezeigt, das sie die Richtige war. Eine Woche nach dem Antritt ihres Amtes, war in einer japanischen Kleinstadt eine große Katastropfe passiert. Dort hatte sich eine Adelige Familie niedergelassen und die Stadt für sich beansprucht. Als Steuern verlangten sie Blut von den Menschen. Doch Kasumi hatte das Problem gelöst. Zwei Wochen hatte es gedauert, bis die Stadt wieder unter der Kontrolle der Menschen stand. Einige Adelige wurden vernichtet, andere von der Königlichen Familie der Vampire weggesperrt. Was aus denen geworden ist, wusste die Braunhaarige bis heute nicht. Doch mittlerweile war alles anders. Selbst den König der Vampire, der sonst immer mit der Vereinigung kooperierte, war nicht mehr zu erreichen. Niemand wusste, wo dieser sich momentan befand und den Rest seiner Familie kannte keiner. Egal welche Vampire ausgefragt wurden, sie herhielten immer wieder dieselbe Antwort. Der König war verschwunden. Natürlich spielten sich dadurch viele Vampire auf. Sie glaubten, sie können nun die Macht an sich reisen, die Menschheit unterwerfen oder gar zerstören. Doch das würde Kasumi niemals zulassen. Sie wollte eine Welt voller Harmonie. Eine Welt, in der sowohl Vampire wie auch Menschen miteinander Leben können. Natürlich wusste die Chefin, das dies noch viel zu sehr ein Wuschgedanke war, aber der Glaube an ihren Wunsch gab ihr Kraft.
"Kasumi!" rief ihr jemand entgegen. Sie sah sich um und sah einen ihrer Jäger auf sie zustolpern.
"Was ist?" fragte sie, und ließ sich dabei nicht anmerken, worüber sie angestrengt nachgedacht hatte.
"Schlechte Neuigkeiten. Eine Familie wurde in der Stadt tot aufgefunden. Ihre Leichen waren blutleer." Kasumis Augen weiteten sich. Das durfte doch nicht war sein. Ein Vampirangriff solcher Größe, hier in Toyko?! Natürlich kam es schon mal vor, das sich auch hier Vampire an Menschen vergriffen, aber dies waren meistens unerfahrene, verwandelte Vampire, die keine Kontrolle hatten. Diese töteten ihre Opfer aber nicht. Mussten sie ja auch nicht, den ihr Biss war ja nicht giftig. Blutleere Leichen konnten deswegen nur ein Zeichen für einen adeliegen Vampir sein. Aber war es wirklich nur einer?! Was sollte sie tun?! Ihre Pflicht war es, der Sache nachzugehen. Gerade Toyko sollte doch ein Zufluchtsort für die Harmonie-Suchenden sein. Doch sie hatte keine Leute um nach diesem Vampir suchen zu lassen.
"Kasumi!" holte ihr Untergebener sie aus ihren Gedanken zurück. "Wir müssen etwas machen." Sie nickte zustimmend und sah den Jungen Mann vor sich an. Er war gewiss nicht dafür ausgebildet gegen einen Adeligen zu kämpfen. Vor allem, da er das Trainig erst seit kurzem absolvierte. Da blieb also eigentlich nur noch Kyoko, aber alleine wollte sie diese auch nicht auf die Mission schicken. Kasumi hatte eine Regel aufgestellt, das kein Jäger je wieder allein auf eine Mission gehen sollte. Immer wurden mindestens zwei Leute geschickt, wenn möglich oder notwenig sogar mehr. Teamarbeit war für die Zweigstellen-Leiterin sehr wichtig. Aber gab es überhaupt noch jemanden, den sie mit Kyoko schicken könnte?! Nachdenklich verabschiedete sie sich von ihrem Informanten, mit den Worten, das sie sich etwas überlegen würde. Eigentlich blieb nur noch Damian übrig. Aber dieser war für Haruka zuständig. Zumal er der Einzige im ganzen Gebäude war, dem sie vertraute. Das war eine schwirige Sache.
"Wir könnten uns nachts für ein paar Stunden auf die Suche nach diesem Adeligen machen." sprach plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit. Kasumi fuhr erschrocken zusammen. Sie war so damit beschäftigt gewesen, darüber nachzudenken was sie machen sollte, das sie Kyoko gar nicht bemerkt hatte, die rechts neben ihr an der Wand lehnte. Offensichtlich hatte sie das ganze Gespräch von vorhin mitbekommen.
"Wen meinst du mit 'wir'?" fragte Kasumi, nachdem sie sich zur Vampirin umgedreht hatte.
"Na Damian und ich. Er ist doch der Einzige im Moment, der noch zu Verfügung steht. Hab ich Recht?" Natürlich hatte Kyoko den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber die Braunhaarige hatte auch nichts anderes erwartet von Daphnes Schülerin. Auch wenn die kleine Vampirin oft viel zu überdreht rüberkam, war sie eine ausgezeichnete Jägerin. Nicht zuletzt weil sie sich relativ schnell mit ihrem Leben als Vampirin angefreundet hatte. Soviel wusste Kasumi von Daphnes Erzählungen.
"Du hast Recht. Jedoch muss Damian auf Haruka aufpassen." sagte Kasumi langsam. Kyoko nickte verständlich, fing aber dann wieder an zu sprechen.
"Genau deswegen sagte ich ja, das wir das nachts machen. Soweit ich weiß geht Damian ab einen gewissen Zeitpunkt doch sowieso auf sein Zimmer. Ich weiß, das wäre eine enorme Belastung für den Jungen, aber fürs erste bleibt uns wohl nichts anderes übrig. Ich werd schon auf ihn aufpassen. Was sagst du?" Kasumi ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Der Vorschlag war der Beste, den sie bis jetzt gehört hatte. Trozdem wollte sie Damian eigentlich nicht sowas zusetzen. Immerhin würde er dann noch weniger Schlaf bekommen, als sowieso schon. Wie lange würde er das wohl aushalten?! Zwei, drei Tage, vielleicht eine Woche aber danach wäre auch er am Ende seiner Kräfte. Wahrscheinlich jedenfalls. Die Braunhaarige wollte es nicht riskieren.
"Ich werde mich mit Damian unterhalten." meinte Kasumi nach einiger Zeit. Kyoko schien diese Antwort erstmal auszureichen, denn sie ging den Gang weiter entlang und ließ sie allein. Die Leiterin würde nun erstmal Harukas Zimmer aufsuchen, denn dort fand sie den jungen Jäger wahrscheinlich. Sie musste einfach wissen, wie er darüber dachte. Auch wenn sie jetzt schon wusste, das er ohne nachzudenken zusagen würde. Er war jetzt schon so lange auf keiner Mission mehr gewesen. Da würde er sogar Kyokos Anwesenheit tollerieren.

Mit einem Seufzen klopfte sie an das gesuchte Zimmer. Die Tür schwang auf und Damian stand vor ihr.
"Kann ich dich kurz sprechen?" fragte Kasumi und Damian folgte ihr mit einem Nicken vor die Tür. Nachdem diese sorgfälltig geschlossen war, erzählte sie ihm die ganze Sache. Er hörte wie immer aufmerksam zu. Wie erwartet war er Feuer und Flamme die Mission anzunehmen. Die Braunhaarige fragte jedoch, wie das dann mit Haruka wäre und ließ ihn auch von Kyokos Vorschlag wissen. Diesen fand er natürlich auch gut. Was hatte sie auch anderes erwartet?! Er beteuerte ihr, das er noch nie viel Schlaf gebraucht hatte, aber Kasumi konnte er nicht täuschen. Sie wusste, das er alles erzählen würde, um endlich mal wieder auf eine Mission zu gehen.
"Ich kann ja mitkommen." hörten sie plötzlich ein zartes Stimmchen von der Seite. Überrascht und erschrocken sahen beide zu Haruka, die die Tür einen Spalt geöffnet hatte.
"Du kannst nicht mitkommen Haruka. Dafür bist du nicht geeignet." rief Damian sofort empört. "Im Moment bist du nichts weiter als ein kleines, schwaches Mädchen. Du wirst nichts ausrichten können und nur ein Klotz am Bein sein." Auch wenn es hart klang, im Grunde hatte er Recht. Doch Haruka schüttelte den Kopf.
"Ich möchte auch helfen.." sagte sie dann leise. Ihre roten Augen ruhten weiterhin auf Damian, der ziemlich verunsichert zu sein schien. Kasumi wusste allerdings nicht wieso. Sonst war er doch auch sehr überzeugend darin, anderen klar zu machen was er wollte. Haruka trat aus der Tür und hielt sich an seiner Jacke fest.
"Diese Welt.. ist mir zu gruselig, wenn ich alleine bin." flüsterte sie. Ein hilfesuchender Blick des Jägers suchten Kasumis Augen. Aber was sollte sie nun machen?! Haruka würde sowieso nicht auf sie hören. Wegsperren konnte man sie auch nicht. Das würde gegen die Regeln der Vereinigung verstoßen.
"Nein! Du kannst Damian nicht begleiten. Er hat das vorhin schon ganz gut in Worte gefasst. Das was Damian macht, ist lebensgefährlich und wir wollen nicht, das dir was passiert. Also bitte warte im Zimmer, bis Damian wieder da ist." Doch Haruka schüttelte empört den Kopf. So zuckte die Chefin mit der Schulter und warf ihrem Kameraden einen entschuldigenden Blick zu. Dieser beugte sich runter, sodass er mit Haruka auf Augenhöhe stand.
"Warte brav auf mich und ich bringe dir wieder leckere Bonbons von dem Laden von neulich mit, okay?" Daraufhin lächelte Haruka und nickte wieder. Sie schloss die Tür und man hörte, wie sie zum Bett tippelte. Damian und Kasumi hingegen machten sich auf den Weg zum Besprechungsraum.
"Hätte nicht gedacht, das sie so auf Süßigkeiten abfährt."
"Sicher ist es das Blut, was darin enthalten ist." antwortete Damian. "Immerhin sind das alles Blutbonbons gewesen. Nur sie weiß noch nicht mal das sie ein Vampir ist. Deswegen schmeckt sie wohl auch aus den Bonbons noch nicht heraus, was darin wirklich enthalten ist. Doch das kommt uns nur zu Gute. Immerhin nimmt sie so wenigstens minimal etwas Blut zu sich. Auch wenn es nicht reicht um ihre Wunden zu schließen, ist sie nicht mehr ganz so leblos wie vorher." Kasumi lächelte. Ehe Damian sich versah, hatte er sich also mit seinem kleinen Schützling befasst. Das waren ausnahmsweise mal erfreuhliche Dinge. Immerhin hatte sie diesem Jungen gerade deshalb die Aufgabe gegeben. Inständig hoffte sie, so könnte sie ihn von seinem Hass gegenüber Vampire befreien. Anscheinend war er tatsächlich auf den richtigen Weg.
"Kyoko dann zu Abend am Haupttor auf dich." rief Kasumi noch, bevor sie sich von ihm verabschiedete. Jetzt musste sie erstmal der Trainingsschule einen Besuch abstatten. Sollte tatsächlich noch mehr Chaos ausbrechen, brauchte sie mehr fähige Leute. Somit blieb ihr gar nichts anderes übrig als die Jäger in ihrer Ausbildung zu beobachten. Hoffentlich waren dieses Jahr auch ein paar herausragende Kämpfer dabei.
Mit diesen Gedanken ging sie durch die Gänge der Vereinigung. Schnelle Schritte trugen sie zum Keller mit einer verschlossenen Tür. Mit einem Schlüssel, der um ihren Hals baumelte, konnte sie die Tür öffnen. Der Geheimgang, der unter ganz Toyko hindurchführte, für einen Notfall. Bis auf Kasumi wusste noch niemand davon, und sie hoffte inständig, das es auch so bleiben würde.

Schicksal der Nacht [Pausiert]Where stories live. Discover now