Kapitel 7

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Zwei Stunden war Damian nun schon mit Kyoko durch Toyko unterwegs. Bis jetzt schien alles normal zu sein und so beschlossen die beiden, sich erstmal den Tatort anzusehen. Die Wohnung der Familie lag in einem Hochhaus im sechsten Stock. Das Haus war allerdings schon sehr alt und so besaß es keinen Fahrstuhl. Doch für die sportlichen Jäger war das kein Problem. Es dauerte nicht lange und sie standen vor einer Tür, die durch Absperrband verschlossen war. Eine normale Schere würde allerdings nicht reichen um dieses spezielle Band zu entfernen, dafür war die Vereinigung viel zu vorsichtig. Kyoko holte ihr Handy hervor und ließ von einer kleinen Einrichtung an der linken Türseite, ihre Jäger-ID scannen. Nachdem bestätig wurde, das sie und Damian der Zutritt gestattet waren, folgte der Junge seiner vampirischen Kollegin. Schon nachdem sie nur einen Schritt durch die Tür gegangen waren, bemerkte der Braunhaarige wie Kyoko ihre Nase verzog.
"Hier riecht es eindeutig nach einem Blutbad." erklärte sie Damian, nachdem sie wohl seinen verwunderten Blick gesehen hatte. Er nickte nur und ging an ihr vorbei um sich weiter in der Wohnung umzusehen. Es war eine ganz normale kleine Familienwohnung. Es gab eine Küche und ein Wohnzimmer, ein Bad und anscheinent ein Kinderzimmer. Als Damian die Tür zum besagten Raum öffnete, bekam er einen Schreck. Er hatte zwar gewusst, das der Tatort extra für sie nicht verändert worden war, aber er hatte nicht damit gerechnet, sowas zu sehen. Im Raum standen zwei Betten. Ein Kinderbett und ein Bett in dem Babys schliefen. Im Kinderbett lag die Leiche eines vielleicht fünf-jährigen Kindes. Bis auf der Bisswunde am Hals schien sie keine äußerlichen Verletzungen zu haben. Doch das Grauen war erst im Babybettchen zu sehen. Selbst Damian, der durch seine Arbeit schon so viel gesehen hatte, wurde dabei schlecht. Da hatte sich der Vampir wohl einen Spaß drauß gemacht, das Baby in kleine Stücke zu reißen. Auf dem Kopfkissen lag nur der kleine Kopf. Das kleine Kind hatte noch nicht mal Haare gehabt. Es war wohl gerade erst auf die Welt gekommen. Die Arme und Beine waren am Fußende drapiert, wobei Finger und Zehen fehlten. Diese fand Damian im aufgeschlitzen Magen wieder. Wiederlich.
"Damian, hast du was gefunden?" hörte er die näherkommende Stimme seiner Kollegin. Kyoko betrat das Zimmer und betrachtete das bleiche Gesicht des Jägers. Als sie fragen wollte, was denn los sei, unterbrach er sie.
"Sieh dir das an.." sagte er nur langsam. Mehr Worte konnte er nicht über die Lippen bringen. Das Mädchen mit dem kupferfarbenden Haar erstarrte als sie neben Damian stand. Kyoko war sprachlos, das sah man auch nicht alle Tage.
"Wie..." fing sie an, doch anscheinent wusste auch sie keine Worte für diese Schandtat. Traurig schloss sie die Augen und wante sich ab. Nach ein paar Sekunden kam sie jedoch zurück, mit einem Handtuch in der Hand. Langsam deckte sie das Bettchen zu.
"Ich kann nicht verstehen, warum es Vampire gibt, die soetwas tun..." flüsterte sie. Damian wusste, das sie die Antwort darauf genauso kannte wie er selbst. Dennoch würde es die Situation nicht besser machen. Dieses grausame Beispiel zeigte nur, mit was für einen durchgeknallten Vampir sie es zu tun haben mussten. Ein Vampir, der die Menschheit nur als sein Spielzeug ansah. So jemand musste schnellstens gefunden werden.
"Im Elternschlafzimmer liegen die Leichen von einem Mann und einer Frau." sprach Kyoko über ihre Entdeckungen. "Allerdings kann man an ihnen nichts erkennen. Bis auf die Wunde am Hals versteht sich." Sie sprach langsam. Viel langsamer als sonst. Man merkte, wie betroffen sie war.
"Ich seh mich mal weiter um." sagte sie noch und verschwand aus dem Zimmer. Nachdenklich sah Damian ihr nach. Heute hatte er zum ersten Mal eine ganz andere Seite an seiner sonst so abgedrehten Kollegin gesehen. Sollte das etwa bedeuten, das auch Vampire sowas wie ein Herz besaßen?! Konnte er sich eigentlich nicht vorstellen. Das entsprach so gar nicht seiner Vorstellung. Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. Jetzt war gewiss nicht der richtige Zeitpunkt um sich über soetwas Gedanken zu machen.

Eine halbe Stunde später standen beide wieder draußen auf der Straße. Es war nichts zu finden, was auch nur ansatzweise auf einen bestimmten Vampir hinweisen könnte. Also standen sie fast wieder bei null. Fast. Denn Kyoko hatte im Schlafzimmer der Eltern einen merkwürdigen Geruch entdeckt. Damian half das jedoch wenig, denn immerhin war seine Nase einfach nur eine ganz normale Nase.
"Wir können den Geruch nicht einfach folgen oder?" fragte er hoffnungsvoll. Wie erwartet schüttelte Kyoko den Kopf.
"Hier draußen ist nichts mehr. Aber ich denke er wird uns helfen, den richtigen Vampir zu finden. Vielleicht sollten wir erstmal die Bewohner in der Umgebung fragen, ob ihn etwas ungewöhnliches aufgefallen ist." Damian nickte. Das klang auf jeden Fall nach einem Plan. Was anderes konnten sie momentan sowieso nicht machen. Toyko war groß, wenn auch nicht mehr ganz so groß wie früher. Dennoch groß genug das man sich Tage oder auch Wochen darin verlaufen konnte. Da war es wichtig einige sichere Anhaltspunkte zu finden. Kyoko tippte an und zeigte auf eine Baar schräg gegenüber des Wohnhauses. Red Eyes war eine der bekanntesten Vampirbars in ganz Toyko.
"Ich werde mich zuerst da mal umsehen. Klapper du die normalen Läden ab, Damian." ließ sie verlauten. Das war dem Jäger nur Recht. Natürlich könnte er dank seiner Jäger-ID trozdem da hinein um sich umzusehen, aber erstens war er noch nicht volljährig und zweitens waren Menschen, insbesondere menschliche Jäger, in solchen Bars äußerst unbeliebt. So verschwand Kyoko im besagten Laden und Damian nahm sich als erstes ein kleines Cafe vor. Da es bereits mitten in der Nacht war, hatten nicht mehr viele Geschäfte offen, aber ähnlich wie Harukas Lieblingsladen für Süßigkeiten war dieses Cafe durchgängig geöffnet. Wie erwartet um diese Zeit waren die Bedienungen alles Vampire. Es gab so einige Geschäfte die Nachts Vampire beschäftigten und tagsüber Menschen. Für Kasumi war dies ein positives Zeichen für die Koexistenz. Für Damian war das eher ein Zeichen wie skupellos und geldgierig die Ladenbesitzer waren. Denn so konnten sie 24 Stunden am Tag Umsatz machen. Doch eigentlich war ihm das egal. Mit einigen schnellen Schritten ging er auf eine Kellnerin zu. Diese wollte wohl gerade in Pause gehen, doch als Damian ihr seine Jäger-ID vor die Nase hielt, nickte sie und deutete auf einen Tisch in der Ecke. Er fragte sie über die letzte Nacht aus, in der das Unglück passiert war, aber sie hatte gestern leider keinen Dienst gehabt. Dennoch stand sie auf um eine Kollegin zu holen, die wohl auch gestern schon gearbeitet hatte. Diese erzählte ihr tatsächlich ein paar interessante Sache.
"Gestern Nacht? So zwischen Mitternacht und ein Uhr?" fragte sie und nippte an einem Glas Blutwein. Da Vampire nicht wirklich betrunken werden konnten, durften sie wohl auch während der Arbeit Alkohol zu sich nehmen.
"Also gestern Nacht konnte man zur besagten Zeit einen lauten Streit hören aus dem Haus neben uns. Allerdings habe ich mir nicht viel Gedanken darüber gemacht, in dem Haus streitet sich öfter mal ein Ehepaar." Damian erklärte ihr, welche Leute er meinte.
"Sechster Stock? Ja tatsächlich, genau diese Leute meinte ich. Ich glaube der Ehemann warf seiner Frau immer wieder vor, das er sie betrogen hätte. Doch sie beteuerte ihre Unschuld. Ich glaube, er hat sie sogar schon ein paar Mal verprügelt, aber sicher bin ich mir da nicht." Der Braunhaarige erkundigte, warum sie das nicht der normalen, örtlichen Polizei gemeldet habe.
"Das habe ich gemacht." war ihre Antwort. "Sogar mehr als einmal, aber du solltest doch wissen das viele Polizisten nichts darauf geben, wenn ein Vampir ihnen etwas erzählt." Das stimmte allerdings. Warum das so war, wusste Damian nicht, aber er konnte sich vorstellen das sie neidisch auf die Vereinigung waren. Seit diese nämlich ins Leben gerufen wurde, waren normale Polizisten eher nutzlos und kümmerten sich nur noch um kleinere Verbrechen. Nicht das Menschen keine Morde begangen oder wertvolle Sachen stahlen, aber oft wurde das nicht aufgedeckt. Kein Wunder bei den ganzen Personalmangel unter dem das Gewerbe litt. Heutzutage wollte nun mal niemand mehr Polizist werden. Die beliebtesten Jobs bei den Jugendlichen waren Jäger, kurz darauf gefolgt von Feuerwehrmann. Die wurden nämlich tatsächlich noch ziemlich oft gebracht. Es gab schon etliche Familien die aus Paranoia mit einer brennenden Kerze durchs Haus liefen um Vampire zu verscheuchen und dabei eine Gardine oder Tischdecke erwischten. Alles nur weil sich mal herumgesprochen hatte, das Vampire das Feuer führchteten. Das war natürlich totaler Quatsch.
"Gestern konnte man allerdings noch eine zweite Männerstimme hören." erzählte die Kellnerin weiter.
"Konntest du verstehen, was sie gesagt haben?" fragte Damian und ernete ein kopfschütteln der Vampirin.
"Leider kaum. Das Baby von denen hat so laut geschrien, das es mir sogar noch heute in den Ohren klingelte. Allerdings schien es um irgendwelche Schulden zu gehen. Tut mir leid das ich nicht mehr sagen kann." Damian nickte und stand auf. Um der Zweigstelle keine Schande zu bereiten, bedankte er sich und verließ das Restaurant. Er sah sich um und nahm sich vor, nachzusehen welche Bewohner des Hauses, in dem die Wohnung lag, noch wach waren. Angestrengt sah er dem großem Haus entgegen und entdeckte vier Wohnungen, in denen noch Licht brannte. Eine im ersten, eine in dritten, und zwei im siebten Stock. So machte der Junge sich wieder auf den Weg ins Haus hinein.

Schicksal der Nacht [Pausiert]Where stories live. Discover now