Vierzehn

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„Julie? Ich dachte, sie wäre eine Fra..." Ihm bleibt das Wort im Halse stecken, als er begreift, was das bedeutet. Der Kloß in meinem Hals scheint noch größer zu werden und Tränen drücken hinter meinen Augäpfeln. Ich kann sie nicht mehr zurückhalten und beginne zu weinen.

Simon steht auf, um mich in den Arm zu nehmen. „Hey, alles ist gut...", murmelt er leer und streichelt über meinen Kopf. Minutenlang sitzen wir stumm da, bis meine Tränen wieder versiegt sind. Ich sehe zu ihm auf.

„Danke", flüstere ich und weiß selber nicht, wofür ich eigentlich danke. Vielleicht dafür, dass er nicht wütend geworden ist oder das als ekelhaft bezeichnet hat.

„Ist doch klar, Al." Er streicht mit dem Daumen über mein Kinn.

„Und du bist nicht sauer?", frage ich kleinlaut. Er lacht leise und setzt sich wieder hin.

„Warum sollte ich?" Ich merke, dass Simon selbst total verzweifelt ist, aber mich trotzdem noch trösten will. Trotz dieser Umstände ist er immer noch ein wahrer Gentleman. „Wenn du auf Frauen stehst, kann ich da auch nichts dran ändern." Sein Tonfall klingt traurig.

„Dann sind wir nicht mehr zusammen?" Herzlichen Glückwunsch, noch ein Punkt für die Liste mit den dämlichsten Fragen der Welt.

„Sieht so aus, oder?" Noch nie habe ich mich in Gegenwart von Simon so nervös gefühlt, nicht mal bei unserem ersten Date. Ich frage mich, woran er gerade denkt.

„Bist du sauer?", frage ich in die Stille.

Er schüttelt den Kopf und starrt wortlos auf den Tisch, bevor er den Blick wieder hebt und mich ansieht. „Hey, was ist los?", fragt er mich. „Ich bin nicht sauer, warum sollte ich es auch sein?" Mein Atem geht schwer, obwohl mit dem Geständnis ein großes Gewicht von meinen Schultern gefallen ist.

„Was weiß ich..." Aus einem mir unbekannten Grund kann ich nicht begreifen, dass Simon das einfach so hinnimmt. Schließlich habe ich ihn gerade für eine Frau verlassen. Auch wenn Simon immer schon so liebevoll und aufmerksam war, kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass er nach den drei Jahren, in denen wir zusammen waren, meine neue Liebe direkt akzeptiert.

Erst jetzt fällt mir sein trauriger Blick auf und ich kann meine Erwartungen mit der Realität abgleichen. Er nimmt es nicht einfach so hin, er ist traurig. Ich weiß nicht, ob das gut ist oder ob ein Wutanfall besser gewesen wäre.

Meine eigenen Gedanken werden mir zu viel. Ich bin damit total überfordert, was gerade in meinem Leben los ist. Erschöpft lasse ich den Kopf auf den Tisch sinken. Die Pizza liegt unangerührt und mittlerweile kalt auf dem Teller, daneben die Rose mit der Notiz.

Ich lege sie in Simons Hand. Die Worte, die ich dann sage, hätten eher von ihm selbst stammen können. „Du solltest jemand anderen finden, dem du die hier geben kannst."

Er dreht die Blume unentschlossen zwischen seinen Fingern. „Danke, Al", sagt er und ich höre ihm an, dass er nahe dran ist zu weinen. „Du bist die Beste." Er streicht mir noch einmal über die Hand.

Ich will nichts anderes mehr als zu Julie zu gehen. Sie soll mich in den Arm nehmen, mich küssen und mir sagen, dass es nicht so schlimm ist. Dass ich zwar Simons Liebe verloren habe, aber wir beide dafür ewig zusammen bleiben können.

Mein Leben ist ein einziges Chaos. Obwohl... nein, eigentlich sollte es sich geklärt haben. Schließlich sind Simon und ich nicht mehr zusammen, vor ihm habe ich keine Geheimnisse und Julie kann ich jetzt reinen Gewissens sagen, dass sie meine einzige Liebe ist.

Ich greife nach meinem Handy und wähle Julies Nummer. Wenn ich sie schon nicht sehen oder spüren kann, will ich wenigstens ihre Stimme hören. Simon räumt unterdessen schweigend die Küche auf.

Endlich geht Julie ran. „Kleine, ist was passiert?", fragt sie besorgt. Beim Klang ihrer Stimme hätte ich fast vor Erleichterung geweint. „Kleine? Alexa, bist du da?"

„Ich hab's ihm gesagt", hauche ich mit zittriger Stimme. „Julie, ich hab's ihm gesagt. Ich habe Simon von uns beiden erzählt."

JulietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt