Dreiunddreißig

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„Das war wunderbar", sage ich leise, an Julies Schulter gelehnt. Wir waren in einem kleinen Restaurant in der Innenstadt und haben dort zu Abend gegessen. Mittlerweile ist es dunkel geworden und wir befinden uns auf dem Nachhauseweg.

Der Weg führt uns über eine kleine Brücke. Ich lehne mich schon die ganze Zeit an Julie und genieße einfach nur ihre Nähe. Jetzt können wir endlich ungehindert zusammen sein, sie ist ihren verhassten Ehemann los. Beide haben auf die Rechtsmittelfrist verhindert, die Scheidung ist jetzt bereits rechtskräftig.

Plötzlich bleibt Julie stehen. Sie hält mich fest an sich gedrückt und flüstert: „Ich liebe dich, Kleine." Sanft schiebt sie mich eine Armlänge von sich und kramt in ihrer Jackentasche herum. Neugierig sehe ich auf ihre Hand, in der sie jetzt eine kleine, schwarze Schachtel hält.

Nach wenigen Momenten ist mir klar, was darin ist. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und meine Knie werden weich. Ich lehne mich ans Geländer der Brücke und halte mich daran fest, um nicht hinzufallen.

„Weißt du..." Sie öffnet die Schachtel und meine Vorahnung bestätigt sich. In der Schachtel liegt ein goldener Ring. „Das Teil hat mir Thomas mal gegeben", sagt sie verbittert. Sämtliche meiner Hoffnungen sind wieder zerstört, Julie würde es nicht durchziehen, mir einen Antrag mit dem Ring ihres Exmannes zu machen.

Ich folge ihrem Blick mit meinem. Sie sieht auf den Fluss unter der Brücke hinab. Das Wasser ist ruhig, das Licht der Straßenlaternen spiegelt sich darin. „Und jetzt, wo ich Thomas nicht mehr sehen muss..." Sie nimmt den Ring in die Hand und dreht ihn zwischen den Fingern. „Will ich diesen Ring auch nicht mehr sehen." Sie holt aus und wirft den Ring von der Brücke. Wir beide beobachten, wie er ins Wasser fällt.

Ich habe meine Enttäuschung darüber, dass sie mir keinen Antrag gemacht hat, wieder überwunden. Es wäre schließlich immer noch sehr früh, sich direkt am Tag der Scheidung wieder neu zu verloben. Und wir kennen uns auch noch nicht sehr lange.

Ich schmiege mich an ihre Schulter und atme ihren vertrauten Duft nach Vanille ein, als sie leise fragt: „Alexa?"

„Hm?", entgegne ich verträumt. Ich starre immer noch aufs Wasser hinaus, dorthin, wo soeben Julies Ehering im Wasser versunken ist.

„Ich liebe dich so sehr und deshalb will ich dich was fragen." Sofort ist meine Aufregung wieder zurück. Ich löse mich von ihr und sehe in ihre wunderschönen, stahlgrauen Augen. Ich werde mich nie daran gewöhnen, wie hübsch Julie trotz der langen Narbe auf ihrer Stirn ist, egal, wie lange wir zusammen sein werden.

Sie kramt wieder in der Tasche herum und zieht eine zweite Schachtel heraus. Schüchtern lächelt sie mich an und fragt: „Möchtest du mit mir eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen?"

Mein erster Impuls ist es, bei dieser Ausdrucksweise loszulachen. Es ist einfach so typisch Julie, solche Begriffe zu verwenden. Mit breitem Grinsen sehe ich auf den silbernen Ring hinab, der in der Schachtel liegt. Er ist bei weitem nicht so hochwertig wie der, den Julie soeben im Wasser versenkt hat, aber trotzdem freue ich mich jetzt schon so sehr darüber. Ich glaube, ich war noch nie so glücklich.

„Was denn?", fragt Julie eingeschnappt, als ich immer noch keine Antwort gebe und sie nur dümmlich angrinse. „Tut mir leid, dass es uns in Deutschland als gleichgeschlechtliches Paar nicht möglich ist, eine Ehe zu schließen."

„Ach Julie...", murmele ich und greife nach ihrer Hand. Ein einziges Wort trennt mich jetzt noch davon, mit Julie verlobt zu sein.

„Und? Was ist jetzt?", fragt sie ungeduldig und wedelt mit der Schachtel vor mir herum.

Ich lächele sie an. „Ja, Julie. Ja, ich will."

***

Ende

Ich danke euch allen für's Lesen, Bewerten und Kommentieren dieser Geschichte.

JulietWhere stories live. Discover now