Neunzehn

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Mama schweigt. Ihr Gesichtsausdruck ist wie eingefroren. Mittlerweile ist Papa in den Flur gekommen und sieht ebenfalls wortlos zu mir und Julie hinüber. Sogar Valerie hat sich aus ihrem Zimmer bewegt.

„Wie süß!", quiekt plötzlich Eva, die gerade aus dem Wohnzimmer kommt. Julie löst sich von mir und sieht zu Eva, die augenblicklich knallrot anläuft. „Sorry", murmelt sie und zieht ihren Kopf zwischen die Schultern. Julie beginnt zu lachen.

„Deine Schwester ist niedlich, Alexa", sagt Julie und streicht ihr Haar aus der Stirn. „Können wir reinkommen?" Mama löst sich zuerst aus ihrer Starre und geht aus dem Weg, um uns hereinzulassen. Sie sagt gar nichts, und Papa glotzt Julie immer noch an als wäre sie ein Alien oder so. Julie lächelt ihn an, sie sieht einfach wunderschön aus. Eigentlich kann man sie gar nicht hassen.

Ich ziehe Julie an ihnen vorbei ins Wohnzimmer. Wie erwartet hat Mama für sechs Leute gedeckt, sie hat damit gerechnet, ich würde Simon mitbringen. Eva folgt uns als Erste, dann Valerie und Mama. Wir haben uns bereits gesetzt, als mein Vater auch endlich hereinkommt. Er sieht sehr verwirrt aus, genau wie Mama. Valerie und Eva verteilen bereits Kaffee und Kuchen, wofür sich Julie mit einem kurzen Nicken bedankt. Keiner sagt etwas.

„Und wie geht es Simon?", fragt Papa plötzlich in die Stille hinein.

„Gut", antworte ich knapp. Ich zittere, warum fragt er denn jetzt was über Simon und nicht Julie? Unter dem Tisch greife ich nach ihrer Hand, die sie ergreift und sanft drückt. Sie schenkt mir ein zuversichtliches Lächeln.

Eva ist diejenige, die das Gespräch auf meine neue Beziehung lenkt. „Wie lange kennt ihr euch schon?" Ihr ist anzusehen, dass sie vor Aufregung beinahe platzt und eigentlich noch viel mehr Fragen hat.

„Nicht lange", sagt Julie, noch bevor mir überhaupt irgendwas einfällt, was ich sagen könnte. Ich bin froh, dass sie das Reden übernimmt, ich bin viel zu nervös.

„Ist Alexa deine erste Freundin?" Wenn es nach Eva ginge, würde sie sicher dutzende von Fragen ohne Unterbrechung stellen, aber sie reißt sich zusammen und lässt Julie Zeit, zu antworten.

„Nein, aber die allerschönste", sagt sie und sofort werde ich rot und meine Wangen kribbeln. Das passiert jedes Mal, wenn sie mir Komplimente macht. Lächelnd beugt sie sich zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Lippen.

Julie ist geduldig und beantwortet Evas Fragen. Eva freut sich eindeutig für uns, aber aus Valerie werde ich nicht ganz schlau. Sie zeigt keinerlei Reaktion, weder positiv noch negativ. Davon werde ich wieder unruhig, ich habe das Gefühl, wissen zu müssen, was sie von Julie und mir denkt.

Mama und Papa ist es sichtlich unangenehm, darüber zu reden, dass meine neue Liebe eine Frau ist, aber sie sagen auch nichts dagegen. Es ist immer noch besser, als dafür gehasst zu werden.

Weil sie nicht über das Thema Beziehungen reden will, spreche ich Mama darauf an, wie gut der Kuchen schmeckt. Sie entspannt sich wieder und erzählt, wo sie das Rezept gefunden hat. Papa konzentriert sich ebenfalls auf dieses Gespräch und nicht auf das von Eva und Julie.

Abends verabschieden Julie und ich uns wieder. Sie geht schon zum Auto, während mich Mama noch zurückhält. „Alexa, ich möchte ehrlich mit dir sein." Mir rutscht das Herz in die Hose. Über den Nachmittag hinweg schien es, als würde sie sich für uns freuen. „Ich hätte mich mehr gefreut, wärest du noch mit Simon zusammen." Autsch. Es tut weh, das von der eigenen Mutter gesagt zu bekommen. Sie beeilt sich, weiterzureden. „Aber wenn du Julie liebst, dann unterstütze ich dich. Und dein Vater auch."

Mit einer Mischung aus Weinen und Lachen gehe ich zum Auto. „Hey, alles gut, Alexa?", fragt mich Julie und beugt sich über die Mittelkonsole hinweg zu mir, um die Tränen von meiner Wange zu wischen.

„Ja...", murmele ich und muss grinsen. „Weißt du was, Julie?" Sie sieht mich fragend an. „Ich liebe dich."

„Ach, Kleine...", lächelt sie und küsst mich.

JulietWhere stories live. Discover now