vierundzwanzig

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Meine Laune war spürbar besser als Caspers, auch wenn er so gut wie möglich versuchte, das zu verbergen.

Jedes Mal wenn sich unsere Blicke über den ausladenden Eichentisch hinweg trafen lächelte er auf eine sehr typische Weise; aber nur mit den Augen, als wolle er nicht, dass es irgendwer außer uns bemerkte.

Obwohl sie dies wahrscheinlich trotzdem taten – die Geschichten von Mars Französischlehrer und ihre ausschweifende Zusammenfassung von „Captain America: Civil War" samt persönlicher Kritik waren wirklich nicht langweilig und sie gab sich größte Mühe, wenigstens einen Großteil der Aufmerksamkeit ihrer Eltern auf sich zu ziehen, aber ich merkte, wie die Augen seiner Mum immer wieder zu ihm huschten, als fürchte sie, er könnte im nächsten Moment in Tränen ausbrechen oder gar aus dem Fenster springen.

Ich versuchte, möglichst zufrieden dreinzublicken, schob mir ab und zu eine Bratkartoffel in den Mund und verzweifelte daran, eine möglichst normale Menge an Saft zu trinken, aber irgendwie war es viel schwerer, unbeschwert zu wirken, wenn man es wirklich dringend wollte.

„Grace"

Erst bekam ich gar nicht richtig mit, dass Casper mit mir sprach, weil ich nicht vermutet hatte, er würde mich ansprechen. Nicht, wenn wir mit seinen Eltern zu Abend aßen. Nicht mich alleine zumindest, aber eigentlich war nichts dabei, wir waren schließlich Freunde. Es war uns erlaubt, miteinander zu reden.

Trotzdem, wie auf Kommando verstummte das Gespräch zwischen Mar und ihren Eltern, nur damit diese es so schnell wie möglich wieder aufnahm.

„Was ist?", fragte ich und stocherte mit meiner Gabel in einer Kartoffelscheibe rum. Als sie vollständig zu Brei geworden war, nahm ich mir die Nächste vor und zerteilte sie mit meinem Messer ohne wirklich hinzusehen.

„Reichst du mir bitte die Bohnen?"

Ich zog die Augenbrauen hoch – etwas mehr hatte ich mir von unserem ersten Wortwechsel seit wir Seite an Seite das Esszimmer betreten hatten schon erwartet – nahm die Schüssel, die sehr wohl in seiner Reichweite gestanden hätte, tat mir selbst noch ein paar Bohnen auf und stellte sie neben meinen Teller.

Das entlockte ihm ein Lächeln. Ich lächelte zurück.

Er beugte sich ein ganz wenig zu mir vor und flüsterte gerade laut genug, dass ich es hören konnte: „Würde ich a) nicht zu weit entfernt sitzen und könnte b) irgendeinen Teil meines Unterkörpers bewegen würde ich dich jetzt treten."

Ich imitierte seine Haltung in dem ich mich ebenfalls vorbeugte.

„Und könntest du tatsächlich irgendeinen Teil deines Unterkörpers spüren würde ich zurücktreten."

Ein kleines Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, eines, bei dem man gerade so seine Zähne erahnen konnte.

Ich rutschte mit meinem Stuhl etwas näher an den Tisch ran und verpasste ihm einen leichten Tritt unterhalb des Knies.

Er runzelte die Stirn.

„Nichts"

„Kein bisschen?"

„Kein bisschen"

„Den Versuch war es wer wert" und nahm über den Tisch hinweg meine Hand in Seine.

Aus einem mir nicht ersichtlichen Grund besaßen die Zegers keine einzige vom Esstisch aus sichtbare Uhr in ihrem Wohnzimmer, weshalb es mir unmöglich war, zu sagen, wie viel Zeit verging während wir aßen.

Aber alles in allem war es nicht schlimm gewesen.

Casper hatte geredet – über Belangloses, aber immerhin, er hatte sogar einen Moment mit Mar darüber diskutiert, ob „Civil War" vier einhalb oder fünf Sterne verdiente, wobei sie ihr voriges Statement um einen halben Stern ergänzte und die Beiden sich auf fünf Sterne einigten, woraufhin ich ihnen das Versprechen abnahm, den Film irgendwann einmal mit mir anzusehen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 07, 2016 ⏰

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