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Kapitel 3

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Kaum hatte ich den Raum betreten, nahm mich auch schon die Lehrerin in Empfang. Auf meinem Kurszettel hatte ich gelesen, dass ihr Name Miss Miller war.

„Du musst unsere neue Schülerin Mia Evans sein, nicht wahr?", begrüßte sie mich freundlich, während sie ihre Hand auf meine Schulter legte und mich sanft, aber bestimmt in Richtung Tafel lenkte.

Ich befürchtete, jeden Moment vor Aufregung in Ohnmacht zu fallen, als ich bemerkte, dass sämtliche Schüler ihre Gespräche eingestellt hatten und nun neugierig zu mir blickten. Gott, ich hasste es, derart im Mittelpunkt zu stehen.

„Das ist Mia, unsere neue Schülerin", ergriff Miss Miller schließlich das Wort, woraufhin auch das letzte leise Murmeln der anwesenden Schüler verstummte.

„Erzähl mal ein bisschen was von dir", forderte sie mich unvermittelt auf und lächelte mir ermutigend über den Rand ihrer viel zu großen Brille entgegen. Ich wollte daraufhin wirklich etwas sagen, aber mein Mund war so ausgetrocknet, dass ich einfach kein Wort rausbekam. Die ersten Schüler fingen bereits an zu kichern, als ich mir einen Ruck gab und endlich den Mut fand, mich vorzustellen.

„Mein Name ist Mia Evans. Ich bin vor zwei Wochen mit meiner Mum aus Deutschland hergezogen, komme aber ursprünglich aus England", brachte ich letztlich unter leichtem Krächzen hervor, woraufhin die Lehrerin zufrieden nickte. Anschließend deutete sie auf einen leeren Platz neben einem Jungen in der zweiten Reihe.

Mit gesenktem Kopf machte ich mich auf den Weg zu dem mir zugewiesenen Stuhl und stellte entsetzt fest, dass es sich bei meinem Sitznachbar um den Jungen handelte, mit dem ich bereits Bekanntschaft gemacht hatte. Josh war sein Name, wenn ich mich recht erinnerte.

„Hey, diesmal hast du es ja sogar ohne zu stolpern geschafft", grinste er mir entgegen, aber ich entschied mich dazu, diese offensichtliche Provokation zu ignorieren und ließ mich stattdessen leise auf dem Stuhl nieder.

Hektisch kramte ich den Zettel mit der Kursübersicht aus meinem Rucksack und stellte fest, dass mein Tag mit Biologie starten würde. Es fiel mir schwer, mich auf den Unterricht zu konzentrieren, da ich Joshs Blicke deutlich auf mir spüren konnte und mich unwillkürlich fragte, wo zur Hölle eigentlich sein Problem lag.

Als wir schließlich etwas von der Tafel abschreiben sollten, wagte ich einen kurzen Blick in seine Richtung und musste zugeben, dass er wirklich ziemlich gut aussah. Diese Tatsache machte die gesamte Sache noch schlimmer für mich, denn gutaussehende Typen bedeuteten Ärger. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war ein beliebter Typ, der sich permanent über mich lustig machte.

Das Klingeln der Pausenglocke schreckte mich letztlich aus meinen Gedanken und beendete die erste Stunde, woraufhin die meisten Schüler eilig zur Tür strömten und es anscheinend kaum erwarten konnten, den Unterrichtsraum zu verlassen.

Josh hingegen schien alle Zeit der Welt zu haben, denn er schob seinen Stuhl nur langsam zurück und grinste mich währenddessen lässig an. Amüsierte er sich ernsthaft noch immer über mich?

„Was verschlägt dich denn von Deutschland nach Greenwich?", wollte er schließlich neugierig von mir wissen. Mittlerweile hatte er sich erhoben und seinen Blick prüfend auf mich gerichtet.

„Nenn es Entführung oder Enteignung meines Lebensumfelds", platzte es ironisch aus mir heraus. Am liebsten hätte ich mir augenblicklich die Hände vor den Mund geschlagen. Eine noch bescheuertere Antwort war mir wohl nicht eingefallen.

„Du bist also entführt worden?", hakte er amüsiert nach, während er eine Augenbraue nach oben zog. Glücklicherweise nahm er meine Antwort nicht besonders ernst.

„Meine Mum hatte die tolle Idee, hier neu anzufangen und ich musste sie wohl oder übel begleiten", gab ich schulterzuckend zurück. Obwohl ich dagegen ankämpfte, spürte ich, wie sich meine Augen langsam mit Tränen füllten. Allerdings versuchte ich sie so schnell wie möglich wegzublinzeln, immerhin wollte ich unter keinen Umständen vor diesem Typ in Tränen ausbrechen.

„Hier ist es eigentlich gar nicht so übel", antwortete er einfühlsam und sein Grinsen war einer neutralen Miene gewichen. Ich nickte daraufhin nur halbherzig, weil ich nicht wusste, was ich antworten sollte. Außerdem konnte ich nicht einschätzen, ob er ernsthaftes Interesse an meiner Situation hatte oder ob er im nächsten Moment in schallendes Gelächter ausbrechen würde.

„Wenn du möchtest, gebe ich dir eine kleine Führung durch unsere Schule", schlug er überraschenderweise vor. Irgendwie schien er das Bedürfnis zu haben, mich aufzumuntern.

„Okay, warum nicht?", stimmte ich zögerlich zu und folgte ihm in den langen Korridor, von welchem jeweils links und rechts die Klassenräume abgingen. Während wir den Flur entlang schlenderten, zeigte mir Josh, wo ich meine Kursräume finden konnte und ich fragte mich, ob er vielleicht doch ganz in Ordnung war.

Als wir schließlich an einer Gruppe Mädchen vorbeigingen, fiel mir sofort auf, dass sie ihre Gespräche einstellten und mich ausgiebig musterten. Eine von ihnen stach eindeutig hervor. Sie war größer als die anderen und ihre Figur glich der eines Topmodels. Ihre langen blonden Haare trug sie zu einem aufwendigen Flechtzopf zusammengebunden und ihre blauen Augen blickten aufmerksam zu uns herüber.

„Das ist Olivia mit ihren Untertanen", witzelte Josh, als er bemerkte, dass wir von ihnen angestarrt worden. Offensichtlich schien es ihn aber nicht weiter zu stören.

Obwohl ich ziemlich neugierig war, was es mit dem blonden Mädchen und ihren drei Freundinnen auf sich hatte, entschied ich mich dazu, nicht weiter nachzufragen. Mir war die Situation mehr als unangenehm und so war ich froh, als wir unsere Führung durch das Gebäude fortsetzten. Die Schule wurde 1892 erbaut, wie Josh erzählte und als ich die alten Steinvertäfelungen betrachtete, kam ich mir fast so vor, wie in der Filmkulisse von Harry Potter.

„Was hast du jetzt?", riss mich Josh schließlich aus meinen Gedanken und ich musste erst einen Blick auf meinen Kurszettel werfen, bevor ich ihm antworten konnte. Wahrscheinlich würde ich Ewigkeiten brauchen, bis ich den Stundenplan verinnerlicht hatte.

„Ich muss jetzt zu Mathe", stellte ich ernüchtert fest. Insgeheim hoffte ich, dass wir erneut einen Kurs zusammen haben würden.

„Ich habe jetzt Sport. Wo du hinmusst, hast du dir gemerkt, oder?"

„Ich komme schon zurecht", winkte ich möglichst souverän ab. Immerhin musste ich ja nicht sofort preisgeben, wie verplant ich in Wahrheit war.

Daraufhin drehte er sich zufrieden um und schlenderte lässig den Korridor entlang.

Mia - Between Love and LiesWhere stories live. Discover now