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Kapitel 6

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Ich hatte mir vorgenommen, meine Mum gleich nach der Schule auf die bevorstehende Greenwich Lake Party anzusprechen und so wartete ich ungeduldig auf eine gute Gelegenheit, um mein Anliegen vorzutragen. Eigentlich stellten solche Veranstaltungen kein Problem dar, aber seit mein Dad uns verlassen hatte, war alles anders geworden. Vollkommen uneigennützig bot ich meiner Mum daraufhin an, ihr an diesem Nachmittag beim Kochen zu helfen.

„Was möchtest du?", wandte sie sich unvermittelt an mich, während sie ihre Tasche auf die Anrichte in der Küche legte. Shit, sie hatte mich sofort durchschaut.

„Ich könnte schon mal die Zwiebeln würfeln oder so?", gab ich mich unschuldig, aber insgeheim war mir bewusst, dass sie Bescheid wusste.

„Eigentlich wollte ich wissen, was du wirklich willst", bohrte sie weiter nach, während sie skeptisch eine Augenbraue nach oben zog und aufmerksam mein Gesicht scannte.

„Am letzten Wochenende im September findet eine Party statt und ich hatte gehofft, dass du mir erlauben wirst, dort hinzugehen", offenbarte ich ihr meine wahre Absicht und drückte ihr den Flyer zu der Veranstaltung in die Hand.

Aufmerksam las sie sich die Informationen zu der Party durch, während ich versuchte, ihre Mimik zu deuten. Würde sie mir die Party erlauben? Ich wusste, dass sie seit der Trennung von meinem Dad unter starken Verlustängsten litt, aber eigentlich sah ich nicht ein, warum ich das ausbaden sollte, was er verbockt hatte.

„Ich weiß nicht so recht", ergriff sie schließlich zögerlich das Wort und ich konnte an ihrem Blick sehen, dass sie nicht sonderlich begeistert schien.

„Oh, komm schon! Ich dachte, dir ist es wichtig, dass ich hier Freunde habe?", redete ich auf sie ein und hoffte, sie würde doch noch zustimmen. Immerhin hatte sie mich nach England verschleppt und da konnte sie nicht auch noch dafür sorgen, dass ich am Ende vollkommen alleine dastand.

„Ich überlege es mir, in Ordnung?", versuchte sie sich diplomatisch aus der Affäre zu ziehen, aber so einfach wollte ich es ihr nicht machen.

„Es ist noch etwas Zeit bis zu der Party, bis dahin lernst du sicher auch meine neue Freundin Jessica kennen. Sie hat mich nämlich gefragt, ob ich mit ihr hingehen möchte."

„Also schön, ich schätze, darauf können wir uns einigen", lenkte sie schließlich ein, was mich tatsächlich erleichterte.

****

Nach dem gemeinsamen Essen verschwand ich sofort auf mein Zimmer, um Lina von den Neuigkeiten zu erzählen. Ich ließ mich auf mein Bett sinken und wählte ihre Nummer. Es dauerte einen Moment, bis sie das Gespräch entgegennahm, aber dann platzte alles aus mir heraus und es fiel mir schwer, meine Aufregung zu verbergen.

„Das hört sich richtig gut an! So eine Party müsste es hier in Potsdam auch mal geben", seufzte sie. Ich hatte fast schon ein schlechtes Gewissen, weil wir nicht gemeinsam zu der Party gehen konnten. „Wie läuft es sonst so? Gibt es was Neues von Josh?"

„Was soll es denn da geben?"

„Ach komm schon! Ich kenne dich fast mein ganzes Leben, mir machst du nicht so einfach etwas vor", lachte sie ins Telefon und ich musste zugeben, dass es wirklich schwer war, etwas vor ihr zu verbergen.

„Na gut, er ist schon ganz sweet", gab ich zu und biss mir sogleich auf die Zunge.

„Dann krall ihn dir", antwortete sie halb lachend und auch ich musste über ihre offenen Worte schmunzeln.

„Als wenn das so einfach wäre ... ", wiegelte ich ab und ließ mich seufzend in die Kissen sinken.

„Sei doch mal etwas selbstbewusster! Ich glaube, du weißt gar nicht, wie besonders du eigentlich bist", tadelte sie mich und ich musste erneut feststellen, was für eine gute Freundin Lina war. Sie fand einfach immer die richtigen Worte, um mich aufzumuntern.

Nach einer weiteren halben Stunde beendeten wir schließlich das Telefonat und ich fiel todmüde ins Bett. Ich konnte es kaum erwarten, Jessica zu berichten, dass ich tatsächlich mit zur Party kommen konnte.

****

Am nächsten Morgen erwartete mich Jessica wieder vor der Schule und ich konnte nicht anders, als ihr mit einem breiten Grinsen entgegenzugehen. „Guten Morgen, hat da jemand gute Laune?", begrüßte sie mich neugierig, während ihr prüfender Blick auf mir ruhte.

„Meine Mum hat mir die Party tatsächlich erlaubt, aber nur unter der Voraussetzung, dich im Vorfeld kennenlernen zu können", erklärte ich Jessica triumphierend und hoffte, dass ihr diese kleine Bedingung nichts ausmachen würde.

„Das sollten wir hinbekommen. Dann steht der besten Party des Jahres ja nichts mehr im Wege", freute sie sich ausgelassen und zog mich spontan in eine kurze Umarmung. Es war wirklich erstaunlich, wie schnell wir uns angefreundet hatten.

„Hey Mädels", vernahm ich Toms Stimme. Als ich mich umdrehte, um ihn zu begrüßen, bemerkte ich, dass Josh einige Meter entfernt an der Straße stand.

Vor ihm stand dieses blonde Mädchen, das mir schon aufgefallen war, als Josh mir an meinem ersten Tag die Schule gezeigt hatte. Olivia. Selbst aus der Entfernung war ihre Schönheit nicht zu verkennen. Ich hatte nicht lange Zeit über ihr Gespräch nachzudenken, denn Jessica riss mich aus meinen Gedanken, indem sie energisch an meinem Jackenärmel zerrte.

„Erde an Mia", rief sie und versuchte so, meine Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Ich bin voll und ganz bei dir", antwortete ich halbherzig und versuchte, schnell den Blick von Josh und Olivia abzuwenden. Es war allerdings schon zu spät, denn Jessica war bereits aufgefallen, wo ich so interessiert hingeschaut hatte.

„Wahrscheinlich macht sie ihm wieder eine Szene", kommentierte sie das Geschehen und konnte sich ein genervtes Seufzen nicht verkneifen.

„Eine Szene? Warum das denn?", wollte ich irritiert wissen, während mein Blick erneut zu Josh und Olivia wanderte. Es wirkte in der Tat so, als sei die Stimmung zwischen den beiden angespannt.

„Die beiden waren mal zusammen. Ist schon eine Zeit her, aber irgendwie gibt Olivia wohl nicht so leicht auf", erklärte sie und an ihrer Stimme konnte ich deutlich erkennen, dass sie nicht viel von Olivia zu halten schien. „Wenn du mich fragst, haben die zwei sowieso nie zusammengepasst. Olivia ist einfach eine richtige Bitch!", ergänzte sie noch und bestätigte somit meine Vermutung.

Der Gedanke daran, dass Olivia und Josh ein Paar gewesen waren, gefiel mir nicht. Obwohl es albern war, verunsicherte mich diese neuerworbene Erkenntnis. Erneut drehte ich mich in ihre Richtung und probierte krampfhaft, etwas von der Unterhaltung mitzubekommen. Allerdings musste ich einsehen, dass die Entfernung eindeutig zu groß war. Notgedrungen gab ich mich damit zufrieden, die beiden verstohlen zu beobachten.

Olivia fuchtelte wütend mit ihrer Hand vor Joshs Gesicht. Es war offensichtlich, dass sie wegen irgendetwas ziemlich aufgebracht war. Nach einer Weile wandte sie sich wütend ab und ließ Josh alleine an der Straße zurück. Ohne Umwege bewegte sie sich in unsere Richtung. Bevor ich ihr ausweichen konnte, hatte sie mich auch schon mit voller Wucht angerempelt.

„Kannst du nicht aufpassen?", zischte sie mir wütend entgegen, während sie mich herausfordernd anfunkelte. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, hatte sie sich bereits wieder abgewandt und ihren Weg fortgesetzt.

„Alles in Ordnung?", Jessica musterte mich besorgt, während ihr Bruder ebenfalls näher an mich herangetreten war.

„Mir fehlt nichts", versuchte ich die beiden zu beruhigen, aber in Wahrheit schmerzten meine Rippen durch den Aufprall doch ein wenig.

„Ist wirklich alles gut bei dir?", vergewisserte sich nun auch Josh, während sein prüfender Blick auf mir ruhte. „Du siehst etwas blass aus."

„Ich bin okay, alles halb so schlimm", erwiderte ich mit einem aufgesetzten Lächeln und hoffte, sie würden es dabei belassen. Die Situation war mir sowieso schon mehr als unangenehm.

„Olivia hat eine Vorliebe für dramatische Abgänge", witzelte Josh daraufhin. Anscheinend versuchte er auf diese Weise den Vorfall runterzuspielen.

Das sollte also Zufall gewesen sein? Ich stand ihr einfach nur im Weg? Oder hatte sie mich vielleicht doch mit voller Absicht angerempelt?

Mia - Between Love and LiesWhere stories live. Discover now