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Kapitel 8

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Die Sporthalle war bereits ziemlich voll und während wir uns den Weg durch die Zuschauer bahnten, hielt ich Ausschau nach Josh. Ich konnte ihn jedoch nicht entdecken und vermutete, dass die Basketballspieler noch in den Umkleidekabinen waren.

Es kostete uns etwas Zeit, bis wir zwei freie nebeneinanderliegende Plätze auf der Zuschauertribüne gefunden hatten und bevor ich mich endgültig niederließ, stopfte ich meinen Rucksack achtlos unter den Sitz. Bedingt durch die Menschenmasse herrschte eine stickige Hitze in der Turnhalle, welche mich dazu brachte, unverzüglich die Knöpfe meiner Jacke zu öffnen.

Als ich plötzlich Jessicas Ellenbogen in meinen Rippen spürte, blickte ich irritiert zu ihr. Ihre Augen waren geradewegs auf das Spielfeld gerichtet. Ich folgte ihrem Blick und bemerkte Tom, der gerade dabei war sich aufzuwärmen.

„Geht da eigentlich etwas zwischen dir und Tom?", wollte ich neugierig von ihr wissen, während ich sie von der Seite betrachtete. Diese Frage brannte mir schon eine ganze Zeit unter den Nägeln, aber ich hatte mich bisher nicht getraut, sie darauf anzusprechen.

„Er ist der beste Freund von Josh", entgegnete sie ohne mich anzuschauen und machte eine abwertende Handbewegung. So einfach würde ich es ihr jedoch nicht machen.

„Das beantwortet meine Frage aber nicht", beschwerte ich mich also und sah sie weiterhin erwartungsvoll an.

„Was hast du gesagt? Es ist so laut hier", gab Jessica zurück und unterstrich ihre Aussage mit einem entschuldigenden Schulterzucken, bevor sie sich auch schon wieder abgewandt hatte. Anscheinend war dies kein Thema, was sie aktuell besprechen wollte. Als ich noch überlegte, ob ich die Frage trotzdem noch einmal wiederholen sollte, sah ich Josh auf das Spielfeld treten und beschloss, das Gespräch auf später zu verschieben.

Mittlerweile hatten sich beide Mannschaften auf dem Spielfeld versammelt und obwohl wir etwas weiter entfernt saßen, konnte ich Josh und Tom gut erkennen. Auf der Rückseite von Joshs Shirt war groß die Nummer 16 abgedruckt.

„Josh spielt übrigens auf der Position des Shooting Guard, falls dir das etwas sagt", schrie mir Jessica plötzlich ins Ohr. Die Lautstärke ihrer Stimme ließ mich augenblicklich zusammenzucken.

„Ich bin nicht taub", entgegnete ich und ließ meine Hand automatisch zu meinem Ohr wandern, „und nein, das sagt mir leider überhaupt nichts", fügte ich noch hinzu, aber Jessica hatte ihren Blick schon wieder in Richtung Spielfeld gewandt.

Die gegnerische Mannschaft war von einer anderen Schule in London angereist, so viel wusste ich bereits von Jessica. Allerdings war das auch schon alles, denn ich hatte absolut keine Ahnung von Basketball. Während des gesamten Spieles konnte ich meine Augen kaum von Josh abwenden. Auch wenn der Sieg an die andere Mannschaft ging, war es doch sehr knapp. Dass Jessica neben mir komplett eskaliert war, hatte ich weitestgehend ignoriert.

„Fuck! Da wäre aber ganz klar ein Sieg drin gewesen!", schimpfte sie ausgelassen, als das Spiel schließlich für beendet erklärt wurde. Ich entgegnete nichts, denn ehrlich gesagt hatte ich mich hauptsächlich auf Josh konzentriert und gar nicht so viel von den Einzelheiten des Spiels mitbekommen.

„Lass uns draußen auf die beiden warten, hier drin ist es viel zu stickig", schlug Jessica vor, als sie sich wieder beruhigt hatte und ich stimmte ihr nur zu gerne zu.

Hastig zog ich meinen Rucksack unter dem Stuhl hervor und bemerkte, dass der Reißverschluss des vorderen Faches geöffnet war. Mich beschlich augenblicklich ein komisches Gefühl, denn ich war mir sicher, es zuvor verschlossen zu haben. Als ich meine Hand in das Fach gleiten ließ, wurde mir auf der Stelle ganz heiß.

„Mein Handy ist weg!", rief ich aufgebracht, während meine Hand noch immer in dem leeren Fach verweilte.

„Bist du dir sicher? Vielleicht hast du es in deine Jackentasche gesteckt?", vermutete Jessica und nahm mir den Rucksack aus der Hand, um sich selbst davon zu überzeugen, dass das Fach tatsächlich leer war.

Reflexartig steckte ich beide Hände in die Taschen meiner Jeansjacke, aber ich hatte insgeheim schon gewusst, dass ich mein Handy auf keinen Fall dort finden würde.

„Da ist es nicht!", antwortete ich resigniert und überlegte, ob ich es vielleicht verloren haben könnte.

„Aber eben hattest du es doch noch, oder?", vergewisserte sich Jessica erneut, während sie mich mitleidig musterte.

„Ich habe vorhin meiner Mum geschrieben, dass sie mich nicht von der Schule abholen braucht und ich später mit dem Bus nach Hause fahren werde", erinnerte ich mich wieder, allerdings konnte ich mir trotzdem nicht erklären, wo mein Telefon abgeblieben war. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es danach zurück in den Rucksack gesteckt habe", grübelte ich laut, während ich krampfhaft versuchte, mich zurückzuerinnern.

Vor der Sporthalle leerte ich meinen kompletten Rucksack aus, um auch ganz sicherzugehen, dass ich mein Handy nicht aus Versehen in ein anderes Fach gesteckt hatte. „Es ist tatsächlich weg", stellte ich traurig fest und konnte mir das überhaupt nicht erklären.

„Du musst es wohl verloren haben", vermutete Jessica und instinktiv schaute ich in Richtung des Weges, den wir vorhin zur Sporthalle genommen hatten. Allerdings konnte ich aus dieser Entfernung natürlich nichts erkennen. Als ich an die Fotos und Videos auf meinem Gerät dachte, zog sich mein Magen zusammen. Immerhin waren auch die letzten Aufnahmen von Lina und mir in Deutschland auf dem Handy und ich hatte sie bisher noch nicht auf den Laptop gezogen.

„Auf dem Handy sind meine letzten Fotos aus Deutschland und nun werde ich sie wohl nicht wieder sehen", sprach ich meine Gedanken laut aus, während Jessica aufmunternd über meinen Arm strich.

„Was ist denn hier los?" Josh war nun ebenfalls an uns herangetreten. Sein Blick wechselte fragend zwischen Jessica und mir. Als ich Josh daraufhin musterte, fiel mir gleich auf, dass er nach dem Spiel duschen gewesen sein musste. Seine braunen Haare waren noch leicht feucht und nicht so wuschlig wie sonst.

„Mia hat ihr Handy verloren", erklärte Jessica kurz und knapp, bevor ich etwas sagen konnte. „Ihre letzten Erinnerungen aus Deutschland sind auf dem Teil, wir müssen es unbedingt wiederfinden."

„Am besten teilen wir uns auf! Mia, du gehst mit Josh den Weg zurück zur Schule. Tom und ich werden nochmal in der Sporthalle nachsehen, vielleicht ist es dir auch in dem Gedränge aus der Tasche gefallen?", schlug Jessica unvermittelt vor, woraufhin die anderen auf der Stelle zustimmten.

Mittlerweile war es Abend geworden und die Dämmerung hatte eingesetzt, was nicht besonders hilfreich war, wenn man etwas wiederfinden wollte. „Wie hat dir das Spiel gefallen?", durchbrach Josh schließlich die Stille, während wir angestrengt den Weg absuchten.

„Es hat mir gut gefallen", antwortete ich knapp und hoffte inständig, dass Josh nicht sofort meine Ahnungslosigkeit bemerken würde.

„Also hast du schon öfter Basketball geschaut?"

„Eigentlich habe ich absolut keinen Schimmer von Basketball", gab ich ehrlich zu. Vorher hatte es für mich einfach keinen Grund gegeben, mich für diese Sportart zu interessieren.

„Wenn du willst, erklär ich dir ein bisschen was dazu, aber erstmal finden wir dein Handy", antwortete Josh auf gewohnt lockere Art und schaffte es so, mir ein positives Gefühl zu vermitteln.

Als wir endlich die Schule erreichten, mussten wir jedoch feststellen, dass unsere Suche erfolglos geblieben war, denn wir hatten mein Handy nicht finden können. Jessica rief schließlich bei Joshs an und teilte uns mit, dass sie ebenfalls erfolglos geblieben waren.

„Jess und Tom haben auch nichts gefunden", wandte sich Josh entschuldigend an mich und in seinen Augen spiegelte sich aufrichtiges Bedauern. „Es ist schon spät und heute können wir sowieso nichts mehr ausrichten. Vielleicht hast du Glück und es wird in der Schule abgegeben. Ich werde dich jetzt auf jeden Fall erstmal nach Hause bringen", fügte er noch hinzu und sein Vorschlag machte mich nervös.

Bitte was? Er wollte mich nach Hause bringen?

„Keine Widerrede", ergänzte Josh noch lachend, bevor ich dazu kam, etwas zu antworten.

Während wir den steinigen, von großen Kastanien gesäumten Weg in Richtung Hauptstraße entlanggingen, bemerkten wir nicht, dass uns jemand gefolgt war. Die Person hielt sich hinter einem hochgewachsenen Baum versteckt, während ihr Gesicht nur schwach von dem gedämpften Licht eines Handydisplays beleuchtet wurde.

Mia - Between Love and LiesWhere stories live. Discover now