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Kapitel 11

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Das restliche Wochenende war ohne weitere Zwischenfälle verlaufen. Trotzdem konnte ich es kaum abwarten, bis endlich Montag war. Glücklicherweise hatte Mum mir am Samstag ein neues Handy besorgt, so dass ich den Sonntag nutzen konnte, um mal wieder ausgiebig mit Lina zu telefonieren.

Als ich ihr von meinem unverhofften Spaziergang mit Josh erzählte, quiekte sie in einer unangenehmen Frequenz in mein Ohr. "Oh mein Gott, das ist ja so sweet! Wie geht es jetzt weiter?"

Es war nur eine Umarmung, reg dich ab, Lina", wiegelte ich ab, aber insgeheim war es natürlich nicht nur irgendeine flüchtige Berührung für mich gewesen.

„Bist du noch da?", riss Lina mich aus meinen Gedanken.

„Ja, klar", antwortete ich knapp, und hatte bei dem Gedanken an Joshs starke Arme noch immer ein verträumtes Lächeln auf den Lippen. Auch sein Duft war mir noch präsent.

„Hast du wirklich keine Idee, wo du dein Handy verloren haben könntest?", wechselte Lina schließlich das Thema. Ich dachte einen Moment angestrengt nach, aber ein unverhoffter Geistesblitz blieb aus.

„Keine Ahnung", begann ich nachdenklich, „ich habe auch versucht auf meinem Handy anzurufen. Beim ersten Mal hat sogar jemand abgehoben, aber geantwortet wurde nicht. Danach konnte ich nur die Mailbox erreichen", fuhr ich schließlich fort.

„Das ist ja merkwürdig", grübelte sie laut. Natürlich konnte sie es sich genauso wenig erklären, wie ich.

„Weißt du was wirklich merkwürdig ist? Ich habe die Person ganz deutlich atmen gehört, es war fast so, als hätte sie es darauf angelegt."

„Wie unheimlich ist das denn?", erwiderte sie hörbar verwirrt. Irgendwie konnten wir uns keinen Reim auf all das machen. Als ich Lina anschließend noch von meinem Dad und seinem plötzlichen Sinneswandel erzählte, blieb ihr fast die Luft weg.

„Meine Mum hat nicht vor, sich wieder auf ihn einzulassen", beruhigte ich sie. Wir redeten noch eine Weile über Gott und die Welt, bevor wir das Telefonat beendeten.

Am nächsten Morgen wartete Jessica wie die letzten Male vor der Schule auf mich. Insgeheim hatte ich gehofft, dass Josh vielleicht neben ihr stehen würde, aber von ihm war weit und breit nichts zu sehen. „Hey! Wie war die kleine Nachtwanderung mit Josh?", begrüßte sie mich und zwinkerte mir verschwörerisch zu.

„Es war ganz nett", gab ich zurück und versuchte möglichst beiläufig zu klingen. Was sollte ich auch sonst auf diese Frage antworten?

„Ganz nett?", prustete Jessica neben mir los. Mir war sofort klar, dass ich es nicht geschafft hatte, souverän rüber zu kommen.

„Okay, es war ziemlich nett", gab ich zu und konnte mir ein breites Grinsen nicht mehr verkneifen. „Hat Josh irgendetwas über mich gesagt?" Die beiden waren immerhin Zwillinge, da tauschten sie sich bestimmt über einige Angelegenheiten aus.

„Nicht wirklich. Er hat bloß beiläufig erwähnt, dass er dich nach Hause gebracht hat", erwiderte sie und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Ein bisschen enttäuscht war ich schon darüber, obwohl ich eigentlich gar nicht genau wusste warum.

„Du hast jetzt Biologie, richtig?", erkundigte sich Jessica, während wir die Stufen zum Schulgebäude hochgingen.

„Genau", gab ich zurück und freute mich in Gedanken schon darauf, die erste Stunde gemeinsam mit Josh verbringen zu können. Als wir im Foyer angekommen waren, verabschiedete sich meine Freundin auch schon wieder von mir.

„Bis gleich in der Pause, ich muss jetzt zur Sporthalle!", rief sie mir zu, ehe sie sich umdrehte und den Flur entlanglief. Die Uhr in der Eingangshalle zeigte an, dass es noch fünf Minuten bis Unterrichtsbeginn waren. Ich beschloss auf dem Weg in Richtung meines Kursraumes einen kurzen Abstecher zur Toilette zu machen. Immerhin würde ich gleich auf Josh treffen und da konnte es ja nicht schaden, vorher nochmal einen Blick in den Spiegel zu werfen.

Die schwere Tür fiel mit einem lauten Knall hinter mir zu und ich positionierte mich vor der großzügigen Spiegelfront. Gerade als ich meine Bürste aus dem Rucksack gezogen hatte, flog die Tür erneut auf. Olivia stolzierte auf ihren hohen Absätzen direkt auf mich zu.

„Was denkst du eigentlich, wer du bist?", zischte sie mir entgegen und ihre blauen Augen blitzten vor Wut. Geschockt trat ich einen Schritt zurück, aber Olivia war trotzdem so nah, dass sich ihr Gesicht direkt vor meinem befand. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Denkst du ernsthaft, du hättest auch nur den Hauch einer Chance bei Josh?" Sie verzog ihren Mund zu einem höhnischen Grinsen und musterte mich abwertend von oben bis unten. „Sieh dich doch an, du spielst nicht in seiner Liga!", ergänzte sie noch.

„Ich weiß wirklich nicht, was du meinst", gab ich unsicher zurück und bemerkte, dass meine Stimme nicht mehr als ein leises Flüstern war. Natürlich blieb meine Verunsicherung auch vor Olivia nicht verborgen.

„Ach nein?", lachte sie höhnisch, „dann sag ich es dir jetzt nochmal ganz deutlich: Du lässt Josh in Ruhe, ist das klar? Ansonsten werde ich dir das Leben hier zur Hölle machen, das verspreche ich dir!"

„Okay", gab ich leise zurück, denn ich hatte wirklich keine Kraft für eine Auseinandersetzung mit ihr. Olivia setzte daraufhin ein zufriedenes Lächeln auf, bevor sie mich mit einem letzten, herablassenden Blick bedachte.

Während sie die Toilette verließ, blieb ich regungslos vor dem Spiegel stehen. Ich lauschte den Klängen ihrer Absätze auf dem Steinboden, bis ich nur noch von Stille umgeben war. Tränen sammelten sich in meinen Augen, woraufhin ich vergeblich versuchte, sie zurückzuhalten. Olivia hatte recht! Josh spielte nicht in meiner Liga. Wie konnte ich so dämlich sein und annehmen, ich hätte wirklich eine Chance bei ihm? Ich werde mich von ihm fernhalten, beschloss ich, während ich mir mit dem Ärmel meiner Jeansjacke die Tränen aus dem Gesicht wischte.

Aber konnte ich das überhaupt?

Mia - Between Love and LiesWhere stories live. Discover now