Freya Sinclair

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Nach dem anstrengenden Kampftraining, bei dem es sich hauptsächlich um Selbstverteidigungssport handelt, werde ich schnurstracks zurück Nachhause gebracht. Es soll sich dabei um einen Notfall handeln, allerdings weiss ich, was die Definition eines Notfalls für meine Mutter bedeutet.

Ich mache mir nicht allzu viele Gedanken darüber, worüber sie sich jetzt schon wieder furchtbar aufregt, stattdessen lasse ich den heutigen Morgen revue passieren: Im Tanz- wie auch im Kampftraining brillierte ich eindeutig, denn obwohl mich alle verabscheuten, wenn nicht sogar zu hassen scheinen, bin ich trotzdem gut in den Dingen, die ich tue.

»George? Kann ich Ihnen eine ganz persönliche Frage stellen«, frage ich unseren Chauffeur, der gerade in unsere Strasse einbiegt und den Motor ausschaltet.

»Miss, wenn es wieder um die Verrücktheit Ihrer Familie gehen soll, oder darum, wie verkrampft Ihre verehrte Mutter ist, muss ich Sie leider enttäuschen«, erwidert er und zuckt mit den Schultern.

Ich seufze, habe mir dies jedoch schon gedacht. Nicht selten ist der arme George der unfreiwillig Ausgewählte, welcher sich meine niemals endenden Schimpftiraden oder mein ständiges Gejammer anhören muss. Manchmal muss er mich auch aus dem Auto schleifen, wenn ich mich weigere ins Londoner Hauptgebäude einzutreten um meiner Arbeit nachzugehen. Und ab und an, das muss ich zugeben, ist es in meinen jüngeren Jahren vorgekommen, dass er mich total betrunken von irgendeinem Bordstein in der Londoner Partygegend gekratzt hat.

»Na, wenn du meinst«, erwidere ich murmelnd.

»Miss Emma, ich weiss um Ihre Unlust Bescheid, das kann ich Ihnen versichern. Jedoch weiss ich auch, dass Sie ihre Probleme durch Selbstverschulden verschlimmern, wenn Sie Ihre Mutter noch lange auf sich warten lassen«, sagt er zu mir, und steigt nach einem langen, intensiven Blick durch den Rückspiegel aus dem Auto aus um mir die Tür zu öffnen. Er reicht mir mitfühlend seine Hand und zieht mein wehleidiges, kümmerliches, kleines Ich aus dem Wagen.

»Ich weiss, dass du Recht hast«, meine ich grimmig, »trotzdem fühlt es sich mies an!«, trällere ich, während ich die Stufen zu unserem Haus hinaufsteige. Ich werfe ihm einen letzten, dankenden Blick zu, dann trete ich ein und rufe laut: »Ich bin Zuhause, Mutter! Was ist denn dieser dringende Notfall?«

Meine Mutter stürmt aus dem Studierzimmer, schnappt sich mein Handgelenk und zerrt mich ins Innere des Raumes, wo mein Vater bereits auf mich zu warten scheint. Ich konnte mir nicht einmal meine Schuhe ausziehen.

Das nicht weniger Interessante an diesem Zimmer ist auch der hinter einer Geheimtür verborgene Raum, welcher mit Attributen aus allen möglichen Jahrhunderten und Jahrzehnten vollgestopft ist. Alles was man möglicherweise brauchen kann, wenn man sich in eine andere Zeit begibt. Die Tür, welche durch die Tapete des Raumes geheim gemacht wird, steht weit offen, mein Vater steht mit einem Fuss auf der Schwelle und sieht ein wenig ungeduldig dabei aus.

Das überrascht mich, denn nicht einmal Ava kennt die Existenz dieses Raumes, da es für sie nicht sonderlich von Nöten ist. Jedenfalls ist das die Meinung meiner Eltern, ich hingegen finde diese ganze Geheimniskrämerei allerdings extrem bescheuert.

»Was soll das?«, frage ich, bereits komplett genervt. Und auch ein wenig erschöpft.

»Du besuchst Freya Sinclair«, bestimmt meine Mutter und zieht mich in den Raum hinein, um mich offenbar für 1810 fertig zu machen, das Jahr in das ich normalerweise reise um Freya zu treffen.

Sie kennt mich nur als weitere, die sie verurteilt und herausfinden will, wieso sie tat was sie getan hat. Sie ahnt nicht, dass ich aus der Zukunft komme und mit ihr verwandt bin.

»Wen muss ich dieses Mal ausspionieren?«, frage ich.

»Nein, Emma«, sagt mein Vater und setzt sich auf einen Hocker, gleich vor den dutzenden Stangen mit hunderten Kleidern und Kostümen. »Du besuchst sie, bevor das alles passiert ist.«

Shadow of Past - Band IWhere stories live. Discover now